Thilo Bode, seines Zeichens Gründer und Leiter der Verbraucherschutzorganisation foodwatch, legt mit dem Supermarkt-Kompass das Schwarzbuch für den Lebensmittelhandel vor: Eine politische Streitschrift, deren Verfasser mit penibel belegten Beispielen für eine gesetzliche Stärkung der Verbraucherrechte eintritt.
Schwarzbuch Lebensmittel: Ein Rundgang durch den Supermarkt
Der Aufbau des Buches orientiert sich vornehmlich an verschiedenen Lebensmittelgruppen, von Brot über Gemüse, Äpfel, Erdbeeren und Fleisch bis zu Olivenöl, Honig und sogenannten "Superfoods", um nur einige der insgesamt 16 Gruppen zu nennen. In jedem Kapitel wirft Bode einen Blick auf die Marktlage und analysiert, an welchen Stellen qualitative Mängel in puncto Gesundheit, Nachhaltigkeit, ökonomischer Gerechtigkeit (Stichwort Fair Trade und Ausbeutung), aber auch Geschmack und Wahlfreiheit auftreten können und mit welchen Methoden diese dem Konsumenten gegenüber verschleiert werden. Im Laufe des Buchs bespricht Bode auch einige Aspekte etwa des politischen Systems, die damit im Zusammenhang stehen, zum Beispiel die Rolle der Lebensmittelbuch-Kommission, in der Lobbyverbände großen Einfluss haben.
Am Ende jedes Kapitels folgen eine oder mehrere Infoboxen, die etwa über zwei Seiten reichen. In diesen werden nochmal nach einem festen Schema die wichtigsten Informationen der Lebensmittelgruppen zusammengefasst und bewertet. Zusätzliche Infoboxen informieren in ähnlicher knapper Weise über bestimmte Begriffe wie "Bio", "Zusatzstoffe" oder Lebensmittel-Labels.
Der Spielball im Feld der Politik
Bode verknüpft diese Bestandsaufnahme unverhohlen und klar mit seinen politischen Forderungen, die durchaus differenziert daherkommen. So benennt Bode an gegebener Stelle deutlich die Verantwortung der Supermärkte, insbesondere der großen Oligopolisten des deutschen Marktes, die Veränderungen zum Positiven hin durch Lobbyarbeit behindern oder mit Greenwashing-Aktionen den Konsumenten zu täuschen versuchen. Aber er räumt auch ein, dass es auch für große Konzerne innerhalb einer Marktlogik nur begrenzten Spielraum gibt, um Änderungen zu bewirken, wenn die Konkurrenz bereitsteht, um sich eingebüßte Marktanteile einzuverleiben.
Auch den Konsumenten sieht Bode nicht in der Lage, durch individuelles Kaufverhalten Veränderungen zu bewirken, sei es , weil informierte Entscheidungen systematisch unmöglich gemacht werden, sei es weil die Durchsetzung akzeptabler Standards auf diese Weise zu langsam vorankommt. Dies zu belegen ist quasi der Zweck des Buches. Stattdessen sieht Bode die Politik in der Verantwortung. Nur diese sei in der Lage, regulierend einzugreifen. Eine ernstzunehmende Informationspflicht soll den Konsumenten ermächtigen, gesetzliche Vorgaben sollen verbindliche Mindeststandards festlegen, die der Fürsorgepflicht des Staates genügen. Der Maßnahmenkatalog, den Bode hierfür skizziert, ist denkbar knapp formuliert und daher auch nur eine grobe Übersicht. Fragen der Umsetzbarkeit werden hier nicht behandelt, Bode räumt zumindest ein, dass Änderungen nur zweigleisig auf nationaler und europäischer Ebene angeschoben werden können und dass das eine Baustelle für Jahrzehnte ist. Auf die vorangegangene Beweisführung liegt stattdessen klar das Hauptaugenmerk.
Eine politische Streitschrift, kein Ratgeber
Eine Ironie liegt darin, dass der Titel des Buches (womöglich nicht ganz zufällig) an Bas Kasts Dauer-Bestseller "Der Ernährungskompass" erinnert, aber die auch mit dem Untertitel geweckte Erwartung kaum erfüllt wird. Einen Einkaufsratgeber, der dem Leser hilft, im Lebensmitteldschungel die ärgsten Stolpersteine zu umgehen, bietet dieses Buch nicht. Es sensibilisiert zwar für irreführende Herstellerangaben und andere Fallstricke, gibt einem aber keine direkten Hilfestellungen an die Hand. Dessen muss man sich eben nur klar sein, wenn man zu diesem Buch greift.
Ansonsten stellt dieses Buch eine erhellende wie ernüchternde Lektüre dar, die allgemeinverständlich und differenziert über die prekäre Lage des Endverbrauchers im Lebensmittelhandel informiert.