Yael Inokai - Ein simpler Eingriff

  • Kurzmeinung

    Emili
    Wichtiges Thema, sozialkritische Fragen. Die Geschichte regt zum Nachdenken an.
  • Kurzmeinung

    mapefue
    Wutausbrüche von Marianne sollen durch einen simplen Eingriff geheilt werden
  • Klappentext:

    Meret ist Krankenschwester. Die Klinik ist ihr Zuhause, ihre Uniform trägt sie mit Stolz, schließlich kennt die Menschen in ihrem Leiden niemand so gut wie sie. Bis eines Tages ein neuartiger Eingriff entwickelt wird, der vor allem Frauen von psychischen Leiden befreien soll. Die Nachwirkungen des Eingriffs können schmerzhaft sein, aber danach fängt die Heilung an. Daran hält Meret fest, auch wenn ihr langsam erste Zweifel kommen.

    Ein simpler Eingriff ist nicht nur die Geschichte einer jungen Frau, die in einer Welt starrer Hierarchien und entmenschlichter Patientinnen ihren Glauben an die Macht der Medizin verliert. Es ist auch die intensive Heraufbeschwörung einer Liebe mit ganz eigenen Gesetzen. Denn Meret verliebt sich in eine andere Krankenschwester. Und überschreitet damit eine unsichtbare Grenze.

    Eine Geschichte von Emanzipation, Liebe und Empathie.


    Mein Hör-Eindruck:


    Wann spielt die Geschichte? Und wo? Der Leser bleibt im Unklaren und erkennt, dass es hier nicht um konkrete Verortungen in Raum und Zeit geht.


    Die Protagonistin Meret, eine junge Krankenschwester, bewegt sich in zwei Mikrokosmen: ihrer Familie und dem Krankenhaus. Ihre Familie wird geprägt durch eine fast unerträgliche Beschränktheit des Wohnraums und vor allem durch den Vater, der uneingeschränkt die Familie beherrscht und seine Aggressionen in gewalttätigen Übergriffen auf seine Kinder entlädt.

    Der andere Mikrokosmos ist das Krankenhaus, Merets Arbeitsplatz. Zusammen mit vielen namenlosen Krankenschwestern funktioniert sie wie ein Rädchen im Getriebe.


    Beiden Mikrokosmen gemeinsam ist ihre streng patriarchalische Struktur und das System von Unterordnung und Gehorsam. Und beiden ist gemeinsam, dass sich die Protagonistin klaglos in ihnen bewegt und einfach funktioniert.


    Meret ist als Pflegerin beteiligt an der operativen Behandlung von psychischen Erkrankungen. Die Details der Operation bleiben unscharf, aber der ausführende Arzt verspricht ein besseres Leben nach dem Eingriff. Der Mensch – meist sind es Frauen – würde befreit von unangenehmen Verhaltensweisen. Immer wieder werden Wut und Aufmüpfigkeit als unerwünschtes Verhalten erwähnt, d. h. die Operation hat nicht das Ziel einer Heilung, sondern sie hat das Ziel, Frauen an die gesellschaftlich erwünschten Normen anzupassen, und diese Normen sind von Männern gesetzt. Unerwünschtes Verhalten von Frauen wird operativ eliminiert, und die versprochene Besserung sieht so aus, dass Frauen zu einem klaglos funktionierenden Teil dieser restriktiven Gesellschaftsordnung werden. Für Männer gilt dies offensichtlich nicht, wenn man an Merets Vater denkt.


    Meret fügt sich in dieses autoritäre System ein und verteidigt die Notwendigkeit der Anpassung. Bis sie unter dem Einfluss ihrer Geliebten Zweifel entwickelt und einen Ausbruch wagt.


    Der Roman wirkt merkwürdig schwebend. Nicht nur wegen der fehlenden zeitlichen und räumlichen Verortung, sondern auch inhaltlich. Der Leser bewegt sich zwischen den beiden Mikrokosmen hin und her. Wir lesen nur kurze und unzusammenhängende Rückblicke in die Familiengeschichte und Erinnerungen an die geliebte Schwester, Andeutungen über das Schicksal des Bruders – und auch der konkrete Klinikalltag, das Miteinander mit den Kolleginnen, der Kontakt zum Bruder einer Patientin, all das wird nicht klar konturiert, sondern bleibt angedeutet stehen.


    Der Sprecherin Lisa Hrdina gelingt es hervorragend, die Ich-Erzählerin lebendig werden zu lassen. Sie trifft den leicht naiven Ton der jungen Protagonistin, und ihre junge Stimme wirkt authentisch.


    Fazit: Ein kurzer Roman über weibliche Emanzipation.


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    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).