Monique Roffey - Die Meerjungfrau von Black Conch / The Mermaid of Black Conch

  • Kurzmeinung

    Bridgeelke
    nach gut 2 Stunden bzw. 30% habe ich das Hörbuch abgebrochen. Nicht mein Genre/Thema
  • Kurzmeinung

    mondy
    Mythologischer Stoff mit vielen aktuellen Themen, spannendes Sprachexperiment (trotzdem prima lesbar)
  • Klappentext/Verlagstext

    Zwei Liebende. Zwei Welten. Ein unmögliches Glück. Mit beispielloser poetischer Leichtigkeit erzählt Monique Roffey aus weiblicher Sicht vom Mythos der Meerjungfrau. Sie erzählt vom Fremdsein in der Welt und vom Kampf einer Frau um Selbstbestimmung, sie erzählt von den uralten Narben der Kolonialgeschichte auf den karibischen Inseln und vom ungeheuren Wirbelsturm unserer Gefühle.

    April 1976: Vor einer karibischen Insel sitzt ein junger Mann allein in seinem Boot. Er wartet auf den nächsten Fang, doch stattdessen taucht neben ihm eine Meerjungfrau auf. Aycayia. Auf ihr lastet der Fluch eifersüchtiger Ehefrauen, seit Jahrhunderten schwimmt sie im karibischen Meer. Ihr Volk, die Taino, gibt es längst nicht mehr. Und auch sie selbst droht als spektakulärer Fang zu enden, als sie von amerikanischen Touristen entdeckt und an Land verschleppt wird. Im letzten Moment kann sie David, der junge Fischer, retten. Er versteckt sie in seinem Haus, während sie sich langsam und schmerzhaft wieder in eine Frau zurückverwandelt. Doch kann Aycayia hier bei ihm tatsächlich ihre innere Freiheit finden? Monique Roffey hat eine der ältesten Geschichten der Literatur in ein schillerndes Meisterwerk unserer Zeit verwandelt. Wie begegnen wir uns? Wo gehören wir hin? Und wie unsicher ist der Boden unserer Vergangenheit, auf dem wir uns bewegen?


    Die Autorin

    Monique Roffey wurde in Port of Spain, Trinidad, geboren und wuchs überwiegend in Großbritannien auf. Sie unterrichtet Creative Writing an der Manchester Metropolitan University, ihre Essays erschienen unter anderem in The New York Review of Books und The Independent. Für ihren Roman „Die Meerjungfrau von Black Conch” erhielt sie 2020 den Costa Book of the Year Award. Monique Roffey lebt in Trinidad und London.


    Inhalt

    David Baptiste von der Antilleninsel Black Conch hält mit Hilfe seines Tagebuchs Rückschau auf seine Jugend vor 40 Jahren, als vermutlich der Hurrican Rosamund eine Meerjungfrau in die Gewässer seiner Heimatinsel getrieben hatte. Ebenso denkbar wäre, dass Meerjungfrauen Hurrican-Serien verursachen. In einer Kultur, die Legenden von Meermännern und Flussnixen pflegt und unausgesprochene Tabus achtet, wirft man diese Wesen am besten sofort ins Wasser zurück, um Unglück von sich und seinen Nachbarn fernzuhalten. Die Tradition stammt noch aus einer Zeit, als Menschen dem Meer nur entnahmen, was sie selbst verbrauchen konnten.


    Als beim Angelwettbewerb auf Blauen Marlin und Schwertfisch zwei amerikanische Touristen mit zwei einheimischen Jungen eine Meerjungfrau mit Rücken-Stacheln an Bord ziehen, ist es mit der Vernunft vorbei. Sie sehen allein den Profit, den ein Verkauf ihres Fangs an ein Museum bringen könnte. Insel-Polizist Porthos will Aycayia als gefährliche Fremde ohne Papiere gleich verhaften; denn sie könnte Krankheiten einschleppen. David stiehlt das Wesen, versteckt und beschützt es und wird Augenzeuge, wie Aycayia vom Volk der ausgestorbenen Taino ihre Haut samt Schuppen, Schwimmhäuten und Fischschwanz abwirft und sich wieder in eine Frau zurückverwandelt. Die größere Verwandlung macht jedoch die Dorfgemeinschaft durch – und David, der sich verliebt und seine vorgegebene Männerrolle in Frage stellen muss. Bisher kannte er nichts anderes als Frauen, die brav die Hausarbeit erledigen, während Männer durch die Welt strolchen. Davids Gedanken, dass er die Fischerei aufgeben müsse, wenn er mit einer Meerfrau lebt und verhüten müsse, wenn sie kein Mischwesen mehr ist, finde ich sehr berührend.


    Bis hierher wäre Monique Roffeys Roman allein eine Fabel über ein Wasserwesen, es tritt jedoch noch die Weiße Miss Arcadia Rain auf, Nachfahrerin von Plantagenbesitzern, die Sklaven aus dem Kongo besaßen. Arcadia regiert von der Familienvilla auf dem Hügel aus die Berge, ihre Cousine Ce-Ce herrscht über die Bucht. Arcadia und ihr gehörloser Sohn Reginald/Reggie stehen symbolisch für die Sprachen- und Völkervielfalt der Insel mit ihren roten, weißen und schwarzen Einwohnern, die mehrere Sprachen sprechen und die Gebärdensprache beherrschen. Für die Mischung aus Kreolisch, Pidgin- und normalem Englisch stehen im Text Dopplungen in der Umgangssprache (der Motor tuckertuckerte) und verschliffene Wortenden. Sprachlich ist der Roman ein Fest mit seinen Lästereien über auf dem Meer hilflose Weiße, mit verächtlicher Feindseligkeit der Touristen gegenüber den Meereswesen (das Viech, das Aas, die Kreatur), Eifersüchteleien der Frauen gegenüber Aycayia und nicht zuletzt Davids Sanftheit seinem Schützling gegenüber.


    Es geht u. a. um kulturelle Vielfalt, die Abhängigkeit vom Tourismus, Klimawandel, Machismo, Gewalt und die Herausforderung, wenn aktuelle Probleme mit alten Mustern nicht mehr zu lösen sind. Erzählt wird in drei Tonlagen: aus dem Tagebuch Davids, den Versen Aycayias und aus der Perspektive des allwissenden Erzählers.


    Fazit

    Ein sprachlich und inhaltlich ungewöhnliches Buch, das ich sicher noch einmal lesen werde.


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertungHalb:

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Naylor - Die Stimme der Kraken

    :musik: --


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Buchdoktor

    Hat den Titel des Themas von „Monique Roffey - Die Meerjungfrau von Black Conch / The Mermaid“ zu „Monique Roffey - Die Meerjungfrau von Black Conch / The Mermaid of Black Conch“ geändert.
  • Das Buch steht sowieso schon auf meinem Wunschzettel und ist jetzt noch mal ein bisschen höher gerutscht :)

  • Buchdoktor Danke für deine schöne Erstrezi!


    Dann kann ich meinen knappen Leseeindruck vom Sommer jetzt anhängen. Er sollte nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass dieses Buch bisher mein Jahreshighlight darstellt! :pray: Ich war nach der Lektüre einfach zu geflasht, um mehr zu schreiben. :lol:


    Ich liebe moderne Adaptionen von alten Mythen und Legenden, ich liebe Geschichten mit Elementen des Magischen Realismus, ich liebe starke, sympathische Figuren mit feministischem Touch, ich liebe Bücher, die kritisch und reflektiert mit Kolonialgeschichte und dem Schicksal indigener Völker umgehen. Und ich liebe spannende, humorvolle, überraschende und sprachlich schöne Geschichten. Dieses Buch, das auch covertechnisch mit seinen warmen, kräftigen Farben einen wunderbaren Blickfang bildet, hat mich also in jeglicher Hinsicht abgeholt, verzaubert, bewegt, zum Lachen und zum Weinen gebracht. Ich werde Aycayia bestimmt noch öfter in die Karibik folgen.


    Von mir gab es volle :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: .

    :study: I. L. Callis - Doch das Messer sieht man nicht

    :study: Nadia Murad - Ich bin eure Stimme

    :musik: Asako Yuzuki - Butter (Re-???)

    :montag: Deb Olin Unferth - Happy Green Family (Reread)





  • Ich kann mich meinen Vorrednern nur anschließen. Ich habe dieses Buch wie in einem Zug gelesen und mit Herzschmerz beendet. Die Lieder der "Süßen Stimme" gingen mir einfach ans Herz.


    Ein Märchen, komplett aus der Zeit gefallen und trotzdem fest in der Zeit verankert!


    Den Mythos der Meerjungfrauen gibt es offenbar überall: die schöne Lau, die griechischen Nereiden, Undine, Melusine, Nixen und so fort - und hier ist es ein Mythos aus der Karibik, und auch hier wird er eng verbunden mit dem Motiv der Erlösung.


    Mit verschiedenen Erzählerstimmen wird die bittersüße Liebesgeschichte zwischen dem Fischer David und der Meerfrau erzählt. Diese Erzählstimmen sind wiederum auf verschiedenen zeitlichen Ebenen verankert, was der Geschichte eine Art Zeitlosigkeit verleiht, passend zum Mythos. Einmal ist es David selber, der sich in Form eines Tagebuches an diese wichtigste Episode seines Lebens erinnert. Dazu kommt der auktoriale Erzähler, der aber immer wieder, auch sprachlich, in die Köpfe seiner Protagonisten schlüpft – und schließlich die Meerfrau selber, die liedartig die Geschichte ihrer Verfluchung und ihrer jahrhundertelangen Verbannung erzählt.


    Das hört sich kompliziert und schwierig an, ist es aber nicht. Die Autorin entwickelt trotz des märchenhaften Stoffes eine absolut logische Geschichte, der man spannend und mit großer Teilnahme folgt. Sie entwirft Bilder, die ausgesprochen anrührend sind, wie z. B. das Bild des Fischers, der mit seinem Gesang die Meerfrau anlockt und erschrickt über dieses mächtige und bedrohliche Wesen, das da vor ihm aus dem Wasser aufsteigt. Daneben stehen sehr machtvolle Bilder wie die Beschreibung des Hurricans, den die Geister der Ahnen entfesseln und die Meerfrau erneut in die Verbannung zwingen. Mit der Liebesgeschichte verknüpft werden die wechselvolle Geschichte der Insel, das Schicksal der Ureinwohner und die allgegenwärtigen Themen Rassismus, Korruption u. a. Diese Verbindung erfolgt mit einer unglaublichen Leichtigkeit. Nichts wirkt aufgesetzt oder schwerfällig.


    Die Sprache des Romans ist zunächst gewöhnungsbedürftig. Die Figuren sprechen ihr verschliffenes Kolonial-Englisch, und auch der Erzähler rutscht in seinen inneren Monologen in diese Sprache hinein. Diese besondere Sprache lässt die Figuren aber authentischer wirken, und auch die märchenhafte Geschichte wird dadurch fest in der Jetzt-Zeit verankert.


    Ein ganz wunderbarer, mitreißender und außergewöhnlicher Roman über eine bittersüße große Liebe!

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Monique Roffeys mit dem Costa Award ausgezeichneter Roman „Die Meerjungfrau von Black Conch“ erzählt ein Märchen: Es geht, wie bei Peter S. Beagles „Das letzte Einhorn“, um ein mythisches Wesen, das in die menschliche Welt entführt und in sie integriert wird. Dieser Anpassungs- und Veränderungsprozess läuft nicht ohne Schmerzen und Tragik ab und doch finden sowohl das Einhorn als auch die Meerjungfrau auch Liebe, Freundschaft und Sinn in ihrer menschlichen Existenz.


    Wir befinden uns auf der fiktiven Karibikinsel Black Conch, vor deren Küste der Fischer David eines Tages auf eine Meerjungfrau trifft. Immer, wenn er auf den Seiten seiner Gitarre zupft, taucht Aycayia auf und lauscht. Es entwickelt sich so etwas wie eine zarte Freundschaft, die Meerjungfrau ist Davids Geheimnis – bis eines Tages bei einem Angelwettbewerb zwei bräsige Amerikaner just diese Meerjungfrau aus dem Meer fischen. Dass sie als Trophäe an der Mole aufgehängt und ausgestellt wird, kann David nicht ertragen, und so entführt er sie heimlich und versteckt sie in seiner Badewanne.


    Sicher, Roffeys Text enthält alle Merkmale eines Märchens: den guten Helden, das übernatürliche Element, die böse Hexe. Und doch schreibt Roffey hier auch immer wieder über Machtverhältnisse. Wie ist das mit Männern und Frauen? Mit Jägern und Gejagten? Mit Natur und Zivilisation? Mit ehemaligen Sklaven und ehemaligen Sklavenhaltern, mit Schwarzen und Weißen, die auf einer begrenzten Insel miteinander auskommen müssen? Dadurch, dass die Gegensätzlichenkeiten nicht nur binär sind, sondern ineinandergreifen, verschärft Roffey ihre Argumentationsketten nur noch: Denn Aycayia ist nicht nur eine Frau, sie ist auch Natur, ist auch Gejagte. Wie verändert das ihre Beziehung zu Männern? Zu den Fischern? So gelingt es Roffey, immer noch eine Ebene einzuziehen, über die man beim Lesen Stolpern und Nachdenken darf.


    Die Übersetzerin Gesine Schröder musste den Roman, der im Original im Dialekt der Karibik geschrieben ist, irgendwie ins Deutsche überführen. Den Text wie einen Singsang klingen zu lassen, gelingt ihr gut, trotzdem wird eine Übersetzung, die in der Zielsprache mit nichts korrespondiert, was wir aus dem Alltag kennen, immer wie eine Krücke, wie ein Kunstprodukt wirken. Für mich hat das den sprachlichen Genus geschmälert, doch auf Handlungs- und Motivebene gab es hier viel zu genießen.

  • So eine Meerjungfrau-Story habe ich noch nie gelesen! Die Story selbst ist mir neu und hat mir echt gut gefallen. Es war bis zum Schluss spannend. Hab das Buch innerhalb 4 Stunden fertig gelesen. Einmal angefangen konnte ich nicht mehr aufhören.

    Auch das die Geschichte aus verschiedenen Blickwinkel erzählt wird, ist sehr interessant. Wobei ich am Anfang tatsächlich Schwierigkeiten damit hatte. Bis ich kapiert habe, dass die Geschichte aus verschiedenen Sichtweisen erzählt wird, hatte ich schon 1/3 des Buches gelesen. Es wäre besser gewesen, man hätte bei jedem Sichtwechsel den Namen der Person aufgeführt. Dies war leider nicht immer der Fall.

    Was mir nicht wirklich gefallen hat und womit ich etwas kämpfen musste, war der Schreibstil. Hierzu gibt es am Ende des Buches eine 2,5 Seiten lange Anmerkung. Man hat versuchte verschiedene Dialekte ins Deutsche zu übersetzen, was sich nicht als einfach herausgestellt hat. Es werden auf bestimmte Hilfsverben verzichtet, Vergangenheitsformen sind teils unmarkiert, Wortdoppelungen als Steigerunsform verwendet, Satzbau ist falsch und vieles mehr. Man empfindet das beim Lesen eher als Fehler, was auch den Lesefluss stört. Zumindesthabe ich das so empfunden. Irgendwie hatte ich das Gefühl eine Arbeit korrigieren zu müssen.

    Das Cover und die Schriftart finde ich sehr schön. Passt zu 100% zur Geschichte.

    Ohne zu Spoilern: Ich wünsche mir ein 2. Band. Gute Bücher verdienen eine Fortsetzung:)

  • Bittersüß


    Ich weiß nicht, woran es liegt, aber bei manchen Büchern weiß man schon vorher, dass sie genau das Richtige sein werden. Für die Stimmung, für genau den Augenblick, für die Jahreszeit.


    So war es auch bei Monique Roffeys Meerjungfrauenbuch. So schön, so ungewöhnlich, so leicht, so freudig, so poetisch, dennoch traurig: süß und bitter zugleich. Als hätte Frau Roffey daneben gesessen und den Protagonisten über die Schulter geschaut und jeden Moment genauso eingefangen, wie er passiert ist.


    Ich konnte kaum glauben, dass es nur eine ausgedachte Geschichte ist, so glaubhaft und realistisch kommt alles rüber. Fein aufgehangen an einem dicken roten Faden, wie man es leider nur zu selten findet. Ich wollte das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen, habe mit David und Aycayia auf ein gutes Ende gehofft und gebangt, als die Grausamkeiten am schlimmsten waren.


    Zum Inhalt: David, der junge karibische Fischer, fährt oft mit seiner Piroge, der Simplicity, aufs Meer hinaus, zum Fischfang und zum Gitarre spielen. Die Musik lockt eine Meerfrau an, Aycayia. Sie wurde einst von den eifersüchtigen Frauen ihres Taino-Stammes verflucht, weil sie so wunderschön war und die Frauen Angst um ihre Männer hatten. Ihre vielen Schwestern kamen um und konnten ihr nicht mehr helfen. So musste sie jahrhundertelang als Halbe-Halbe ihr Dasein im Meer fristen. Als David die Wasserfrau bemerkt, „zitterte ihm der Magen vor Begehren und Angst und Erstaunen.“ (Seite 10)


    Etwa vierzig Jahre später schreibt David diese Vorfälle in seinem Tagebuch auf, was eben damals, 1976, alles passierte. Diese Tagebucheinträge durchziehen das Buch ebenso, wie Aycayias „Gesänge“, die in Versen ihre Empfindungen mit uns teilt. Aber es kommen noch viele Protagonisten zu Wort: Die Bösen in Form von geldgeilen Jägern, die nur an ihre Trophäe denken und für die Empathie ein absolutes Fremdwort ist. David allerdings hat mehr Freunde, als er dachte, und die verfügen über jede Menge Zivilcourage.


    Flora und Fauna auf dieser Insel und im Meer werden so eigenwillig beschrieben, dass nicht nur die Geräusche der Brüllaffen hinter den riesigen Feigenbäumen aus dem Urwald förmlich aus den Seiten gellen. Und die Substanz der Gebäude gerät durch Rosamund in Gefahr, „den schlimmsten Sturm, der im zwanzigsten Jahrhundert in den Kleinen Antillen gewütet hatte […]“ (Seite 231)


    Monique Roffey hat eine ganz eigene Sprache entwickelt, „um eine vor Jahrhunderten Vertriebene in der Karibik in unsere moderne Welt zu integrieren.“ (Aus dem Nachwort der Autorin, Seite 235) Auch die Übersetzerin Gesine Schröder hat ganze Arbeit geleistet, um diesen Stil ins Deutsche zu transformieren. Und das ist so fantastisch gelungen, dass mir dieses moderne Märchen noch ganz lange im Kopf bleiben wird.


    Allerdings: Das Cover der Originalausgabe fand ich treffender als dieses bunte.


    Fazit: Die Flucht aus unserem krisengeschüttelten Alltag gelingt gerade mit diesem Buch besonders gut, weil es spannendes Kopfkino der besonderen Art entstehen lässt, wie es bei mir leider nur ganz selten beim Lesen so zustande kommt. Vergebe fünf voll verdiente Sterne.

    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

  • Die alten Geister sind lebendig


    In einer Zeit, in der die alten Götter fast vergessen sind, taucht vor der karibischen Insel Black Conch plötzlich ein Wesen auf, das halb Frau, halb Fisch ist. Zwei US-Amerikaner ziehen es während eines Angelwettbewerbs aus dem Meer. Die beiden, Vater und Sohn, wissen nicht, was sie da gefangen haben. Sie wissen nur: Damit kann man richtig viel Geld machen. Zum Glück gelingt es dem Einheimischen David, die Frau zu retten und bei sich zu verstecken. Keiner der Männer jedoch ahnt anfänglich etwas von dem jahrhundertealten Fluch, der auf ihr liegt.


    In der Geschichte um die Meerfrau Aycayia verschmelzen Mythen und Realität, modernes Denken und uralter Zauber. Monique Roffey zeichnet eine Welt, in der Geister und Magie ein machtvoller Teil des Lebens sind. Zwar sind sie für die Menschen längst nicht mehr so präsent wie in alten Zeiten, aber als Aycayias Fluch sich unaufhaltsam entfaltet, wird klar, dass ihre Kraft ungebrochen ist. Erst subtil, dann immer nachdrücklicher brechen sich uralte Mächte Bahn. Am Ende schließt sich der Kreis und doch ist nichts mehr, wie es vorher war.


    Ich gebe zu, dass ich bei aller Begeisterung ein wenig gebraucht habe, um in die Geschichte zu finden. Das lag wahrscheinlich vor allem an der Sprache der Einheimischen, eine deutsche Version des örtlichen englischen Dialekts. Die Übersetzerin beschreibt in ihrer Nachbemerkung die Schwierigkeit, diesen Dialekt ins Deutsche zu übertragen. Die Entscheidung, solche Abweichungen von der Standardsprache bei der Übersetzung zu übernehmen, birgt immer das Risiko, den Leser zu irritieren. Mit diesen Anmerkungen im Hinterkopf und nach etwas Gewöhnung muss ich aber sagen, dass aus meiner Sicht der Dialekt mancher Figuren entscheidend dazu beiträgt, dass dieses Buch so etwas Besonderes ist. Für mich war es anders als alles, was ich bisher gelesen habe.


    Einzig das Frauenbild, das hier zum Teil gezeichnet wird, würde ich kritisieren. Immer wieder wird beschrieben, wie unglaublich schön Aycayia ist. Quasi nicht von dieser Welt. Männer können nicht anders, als ihr zu verfallen. Und Frauen können nicht anders, als neidisch zu sein. Zitat: „Frauen beneiden nunmal andere Frauen, und Männer tun Frauen weh.“ – Als sei das ein Naturgesetz.


    Insgesamt trotzdem ein magisches, spannendes Buch.


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  • Der alte Mann und das Meer

    Monique Roffey hat einen alten Mythos wiederbelebt. Irgendwo, in der Karibik freunden sich ein Fischer und eine Wasserfrau an. Leider wird die Nixe von raffgierigen Gringos gefangen genommen, die sie gegen viel Geld vermarkten wollen. Doch der Fischer befreit die Wasserfrau, nimmt sie zu sich nach Hause und versucht, sie von der Außenwelt abzuschirmen. Die Wasserfrau verwandelt sich zurück in ein schönes junges Mädchen. Doch es kann der Beste nicht im Frieden leben, wenn’s dem bösen Nachbarn nicht gefällt. Einige wenige Menschen freunden sich mit den beiden an, unterstützen sie, helfen ihnen. Aber es gibt auch immer Neider, Eifersüchtige, jene die Gewinn aus der Wasserfrau herausschlagen wollen. Doch damit nicht genug, der uralte Fluch wird wieder aktiv, das Meer will sie sich zurückholen.

    Der Roman - das Märchen - wird in einer wunderschönen Sprache geschrieben, eine Mischung aus englisch und Kreolisch. Der Übersetzerin Gesine Schröder ist es meisterhaft gelungen, ein der deutschen Sprache völlig fremden Slang einzudeutschen, so zu übertragen, dass wir uns nicht wie Außenstehende vorkommen, sondern eher das Gefühl haben,dabei zu sein. David und die anderen Insulaner sprechen “Prosa” während Aycayia eine sehr lyrische Sprachform hat, in freien Versen und wunderschön zu lesen.

    Das Buch endet traurig und doch mit einer versöhnlichen Note: “Manche Orte bleiben gleich-gleich, ändern sich nie. Nicht so hier - … an diesem Ort voller Ahnengeister, einem Ort, wo die Götter noch lachen und sagen: ``Nicht so schnell, mein Freund.” (S.232 - 233)

    Die Erzählperspektiven ändern immer wider: wir erfahren die Geschichte aus der Sicht eines unparteiischen Beobachters, aus der Sicht Davids, als junger Mann und aus seinem Tagebuch, aus seinen alten Tagen, und Aycayia kommt mit ihrem wunderbaren Stil auch zu Wort.

    in den alten Mythen ist die Meerjungfrau dazu verdammt, einen Mann zu lieben, der sie aber verlässt oder ihr nicht traut. Hier liebt David sie, will sie heiraten, doch Aycayia ist nicht frei, sie weiß, sie darf ihn nicht heiraten. Schöne Interpretation des uralten Mythos.

  • Sehr interessant



    Das Cover ziert der Schwanz einer Meerjungfrau, begleitet von einer Schildkröte. Was es damit auf sich hat, erfährt man im Verlauf der Geschichte. Es passt ausgezeichnet zum Roman. Monique Roffey greift eine alte Sage über Meerjungfrauen wieder auf und teleportiert sie in die Gegenwart. Das Thema ist im Grunde allgemein bekannt, denn jeder hat schon einmal etwas über Meerjungfrauen oder Sirenen gehört. Von daher ist der Titel auch schon selbst erklärend. Die Umsetzung finde ich gelungen, denn schließlich werden aktuelle Probleme, die mit der Sichtung bzw. der Gefangennahme eines solchen Wesens, glaubhaft dargestellt. Auch die sich entwickelnde Liebesgeschichte ist gut vorstellbar. Die Figuren sind absolut authentisch und man kann sie sich gut im wahren Leben vorstellen. Interessant fand ich, eine alte Legende in ein neues Gewand zu packen. Man kann es gut lesen.

    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

  • Diese Geschichte hat mich angenehm überrascht. Die Autorin will uns eine fast unmögliche Geschichte zwischen einer Meerjungfrau und einem Menschen erzählen, als Erinnerung an das uns allen bekannte Märchen, aber diese Geschichte ist so viel mehr.
    Nach und nach erfahren wir dass Aycayia wegen der Eifersucht vieler anderer Frauen zur Meerjungfrau wurde, sie den Preis zahlen musste für die Männer welche ihr nicht widerstehen konnten. Dennoch man liest ebenfalls dass es in dieser Welt immer noch möglich ist etwas gutes zu finden, welches wir in David sehen, eine Figur welche man einfach mögen muss. Es ist ganz klar, die Autorin will uns mit dieser Geschichte zeigen die Welt hat beides schöne und hässliche Seiten. Die Meerjungfrau von Black Conch entpuppt sich als eine sehr spezielle Lektüre, originell, melancholisch, fließend zu lesen mit wichtigen Themen welche ansprechend und liebevoll vermittelt werden

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • Eine wunderbare und bittersüße Geschichte die mit diesem Satz beginnt:


    David Baptistes Dreads sind grau, seine Glieder zu harten schwarzen Korallenästen verschrumpelt, und doch gibt es noch Leute in St. Constance, die ihn aus jüngeren Jahren kennen, und die erinnern sich an seinen Part in der Geschichte von 1976, als zwei Yankees aus Florida kamen und Marlins angeln wollten, und dann kaschten sie stattdessen ne Meerfrau.


    Schnell habe ich mich als Leserin an den doch etwas ungewöhnlichen Sprachstil gewöhnt und bin völlig in der Geschichte versunken. Vor tausenden von Jahren wurde Aycayia von eifersüchtigen Frauen ihres Stammes verflucht und musste seitdem einsam als Meerfrau leben bis zu dem Tag als zwei amerikanische Touristen sie fing. Der Fischer David Baptiste hatte Mitleid mit der Kreatur und befreite sie, um sie eigentlich wieder zurück ins Meer zu bringen. Doch sie verwandelte sich langsam und unter vielen Schmerzen zurück in die junge Frau, die sie einst war.


    Erzählt wird die Geschichte aus drei Perspektiven. Einmal aus der von David Baptiste, Aycayia und einem auktorialen Erzähler. Es ist besonders schön, wenn Aycayia ihre Geschichte erzählt, weil es dann fast wie ein Lied klingt, wenn sie von ihrem Leben berichtet. Was im Übrigen äußerst passend ist, da ihr Name „süße Stimme“ bedeutet. Beim Lesen hört man sie fast schon singen.


    Mich hatte die Geschichte völlig gepackt. Es geht hier um so vieles. Um Eifersucht, achtsame und aufrichtige Liebe, das Verhältnis zwischen Vätern und ihren Söhnen, Männern und Frauen. Es geht um Kolonialismus und seinen Folgen. Das Ganze eingepackt in einer mythischen Geschichte die auf einer fiktiven karibischen Insel spielt. Für mich gehört das Buch eindeutig zu meinen Jahreshighlights.


    Ganz klar 5-Sterne und ein :love:

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


    SuB-Leichen-Challenge 2024: Alle Bücher bis inkl. 2022 [-X

    Klassiker-Challenge 2024


  • 1976: Der junge Fischer David Baptiste lebt auf der kleinen karibischen Insel Black Conch, und entdeckt eines Tages auf See eine Meerjungfrau. Einige Zeit später wird diese im Rahmen eines Angelwettbewerbs von zwei Texanern aus dem Meer geholt, und mehr als Tier als als Mensch gesehen, gequält, und mit der anderen Beute auf dem Pier kopfüber aufgehängt. David rettet sie in der Nacht, um sie am nächsten Tag wieder ins Meer zu entlassen, doch dann verwandelt sie sich, und Davids Leben wird auf den Kopf gestellt.


    Die Autorin stammt selbst aus der Karibik, und erzählt ihre Geschichte der Gegend angepasst im karibischen Slang, genug, um es authentisch zu machen, aber nicht so viel, dass es das Lesen erschwert. Es gibt drei Erzählebenen: Ein Erzähler, Davids Tagebuch, das er vierzig Jahre später rückblickend führt, und Gedanken der Meerjungfrau. Letztere sind zusätzlich in Vers- aber nicht in Reimform verfasst. Ich brauchte kurz, mich in die Erzählung einzufinden, doch nicht lange, dann hatte ich mich eingelesen.


    Das Geschehen verläuft anders als gedacht, und auch die Meerjungfrau ist nicht das, was ich erwartet hatte, aber ich mag es, wenn ich überrascht werde. Monique Roffey hat ein interessantes Figurenensemble erstellt, neben der Meerjungfrau ist da vor allem David, der seine Gefühle für sie im Zaum halten muss, aber auch viel lernt. Arcadia Rain stammt von anglikanischen Geistlichen ab, sie lebt mit ihrem Sohn Reggie im Herrenhaus, und ihr gehört fast die ganze Insel. Daneben gibt es eine ganze Reihe Insulaner, alle irgendwie miteinander verwandt, und die beiden Texaner, die sich ihren Fang natürlich nicht so einfach entreißen lassen wollen.


    Die Geschichte der Meerjungfrau basiert u a. auf einer tatsächlichen Legende der indigenen karibischen Völker, daneben fließt auch einiges an karibischem historischem Background mit ein, z. B. auch in Form des Charakters Arcadia Rain. Ich wurde einmal wieder inspiriert, mehr darüber erfahren zu wollen.


    Für mich hat die Geschichte einen starken Sog entwickelt, mich hat sie, nicht nur in Bezug auf die Meerjungfrau, berührt, und mich stellenweise fast atemlos lesen lassen, z. B., als die Meerjungfrau am Haken hing und sich ein wilder Kampf zwischen ihr und den Anglern entspann. Am Ende brauchte ich Zeit, um alles einordnen zu können, gerne hätte ich einige der Charaktere in ihrem späteren Leben noch einmal wiedergetroffen, vor allem Reggie, so musste ich mir eben selbst Gedanken darüber machen. Das Ende war für mich, wie die ganze Geschichte, unerwartet.


    „Die Meerjungfrau von Black Conch“ ist eine besondere Geschichte, auf die man sich einlassen muss, und die vielleicht nicht immer leicht zu lesen ist, über die man nachdenken kann/muss, und die einen auch nach Beendigung der Lektüre noch in ihren Klauen hält – aber sie ist es absolut wert, gelesen zu werden.

  • David hat sich mit der Meerjungfrau angefreundet. Dann wird sie von amerikanischen Anglern gefangen und sie wollen sie als Attraktion verkaufen. David kann das nicht zulassen und versteckt sie in seine Haus. Nur entwickelt sie sich in eine Frau zurück bevor er sie freilassen kann. Es entwickelt sich eine schöne Geschichte über Freundschaft und Liebe.

    Die Autorin greift die Legenden über die Meerjungfrau auf und bringt sie in die heutige Zeit. Sie beschreibt sehr schön, wie sich die Außenseiter im Dorf zusammentun und Freundschaft füreinander entwickeln.

    Der Schreibstil ist ungewöhnlich und stark gewöhnungsbedürftig. Zum Beispiel verwendet sie Sexing statt Sex. Auch werden manche Adjektive gedoppelt. Dadurch wurde mein Lesefluss erheblich gestört.

    Trotzdem hat mir das Buch gefallen und ich vergebe 4 Sterne.

    Sub: 5537:twisted: (Start 2024: 5533)

    Gelesen 2024: 14 / 1 abgebrochen

    gelesen 2023: 55/ 2 abgebrochen / 26075 Seiten

    gelesen 2022: 65 / 26292 Seiten

    gelesen 2021: 94 / 1 abgebrochen / 35469 Seiten


    :montag: Anders Roslund - Engelsgabe

    :study: John Katzenbach - Der Wolf


    Lesen... das geht 1 bis 2 Jahre gut, aber dann ist man süchtig danach.

  • Meine Meinung

    Ein altbekanntes Motiv neu erzählt: eine Meerjungfrau, ein junger Mann, ein Fluch und jede Menge Liebe. Wobei diese paar Worte dem Buch nicht gerecht werden. Neben dieser Handlung (ich möchte es schon fast "Rahmenhandlung" nennen) geht es noch um viel mehr: die Selbstbestimmung der Frau, Rassismus, Kolonialismus, Homosexualität, Neid, Freundschaft und Außenseitertum.


    Einerseits fand ich die Verquickung des alten, mythologischen Stoffes mit aktuellen, modernen Themen sehr spannend, zumal die Autorin es schafft, all die oben genannten Punkte nicht allein an der Meerjungfrau festzumachen, sondern die Menschen als relevanten Teil der Handlung mitwirken zu lassen. ZB ist nicht nur die Meerjungfrau eine Außenseiterin, sondern auch der gehörlose Reggie oder seine weiße Mutter Arcadia Rain.


    Andererseits waren es auf den gut 250 Seiten etwas viele Problemstellungen, die angesprochen wurden. Etwas weniger wäre hier vielleicht mehr gewesen. Meiner Meinung nach geht diese Vielzahl an Themen auch zulasten der Charaktere, denen ich letztendlich nicht wirklich nah kam.


    Umso spannender fand ich das Buch aus sprachlicher Sicht betrachtet. Die Übersetzerin Gesine Schröder erklärt es im Nachwort sehr gut: Wie soll man ein Buch ins Deutsche übersetzen, das im Original in einem ganz eigenen, historisch gewachsenen Sprachstil verfasst wurde ... und besagter Sprachstil relevant für das ganze Buch ist? Ich denke, die Übersetzerin hat eine gute Möglichkeit gefunden, wenn auch sicherlich einiges im Vergleich zum Original verloren gegangen ist. Als Leser muss man sich auf die anfangs seltsam wirkende Erzählweise einlassen können. Ich für meinen Teil war zuerst irritiert, irgendwann hat mich die Sprache aber gefangen genommen und begeistert.


    Ich bin noch etwas unentschlossen: Auf charakterlicher Ebene konnte mich das Buch leider nicht packen, dafür blieben mir die Personen zu fern. Die sprachliche und inhaltliche Ebene fand ich aber überzeugend.

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