Cho Nam-Joo - Miss Kim weiß Bescheid / ‎Miss Kim Knows And Other Stories

  • Da weiß man Bescheid...!


    Endlich - ein weiteres Buch von Cho Nam-Joo, nach dem intensiven und berührenden "Kim Jiyoung"! Ich war unendlich gespannt, und muss ehrlich sagen - dieses Buch gefällt mir noch besser.

    Zum einen habe ich generell ein großes Faible für Kurzgeschichten - zum anderen finde ich, dass die Autorin das Potenzial, welches Kurzgeschichten bieten, in diesem Band genial ausgeschöpft hat. Wieder geht es um Frauenschicksale, die aber für uns alle stehen könnten. Es sind 8 Geschichten, und 8 verschiedene Schicksale. Alles kommt vor, von der Greisin, deren Schwester todkrank ist, über die überforderte Hausfrau, die immer übersehene Tochter oder Schwiegertochter, die missachtete Büroangestellte, die pubertierende Schülerin, bis hin zur Autorin selbst.

    Die Sprache bleibt immer glasklar und prägnant, doch die Erzählformen und Ausgangssituationen werden lebhaft variiert. Manches liest sich wie eine simple, geradlinige Erzählung, anderes wie eine Reportage, dann wieder eine Träumerei oder auch ein lustiges Abenteuer. Auch bleiben einige Enden angenehm offen, was zu der jeweiligen Geschichte aber gut gepasst hat!

    Ich finde es hingegen schade, Cho Nam-Joo immer nur auf "Feminismus" zu reduzieren. Das stört die Autorin selbst übrigens auch, wie sie in der Geschichte "Trotz" berichtet! Sie ist keine Alice Schwarzer - eher eine Alice Munro. Sehr poignant stellt sie dar, welche Sicht Frauen auf bestimmte Problemsituationen haben, und wie sie Beziehungen gestalten. Und natürlich sind ihre Geschichten auch kleine Porträts der koreanischen Gesellschaft.

    Ich bin jedenfalls durch und durch begeistert, habe das Buch in weniger als zwei Tagen verschlungen. Es gibt von mir eine glasklare Leseempfehlung!

    "Ein Mensch, der Ideale hat/
    Der hüte sich, sie zu erreichen!/
    Sonst wird er eines Tags anstatt/
    Sich selber andern Menschen gleichen."
    (Erich Kästner) :):)

  • K.-G. Beck-Ewe

    Hat den Titel des Themas von „Cho Nam-Joo, Miss Kim weiß Bescheid“ zu „Cho Nam-Joo - Miss Kim weiß Bescheid / ‎Miss Kim Knows And Other Stories“ geändert.
  • Miss Kim Weiss Bescheid ist eine Sammlung voneinander unabhängiger Geschichten und schildert die Erfahrungen von acht südkoreanischen Frauen in unterschiedlichen Lebensphasen. Es geht um das Altern, häusliche Gewalt, Sinnes- und Lebenswandel, Frauenfeindlichkeit, Ungerechtigkeit am Arbeitsplatz, sexuelle Belästigung, die erste Liebe, das Erfüllen von Träumen und Wünschen, Aufopferung für die Familie, die Corona-Pandemie und wie es das Leben beeinflusst hat.

    Die Kurzgeschichten sind unterschiedlich lang. Doch fesseln alle acht Geschichten den Leser. Der Schreibstil der Autorin hat mir sehr gefallen, nüchtern und realitätsnah. In jede der Geschichten kann man sich als Frau gut hineinversetzen. Bestimmt findet sich die eine oder andere Leserin in einer Erzählung wieder, denn es geht mal um Teenies, mal um Studenten, oder eine Berufstätige, um Töchter, Mütter, Ehefrauen und Großmütter. Mann kann gut raus lesen das in Südkorea andere Wertvorstellungen herrschen. Eine Frau hat es dort doch etwas schwerer. Auf der anderen Seite ist der tägliche Umgang miteinander viel respektvoller dort. Mit den acht Geschichten bekommt man einen sehr guten Einblick in die koreanische Gesellschaft. Wie alles zu funktionieren hat und was von einem erwartet wird.

    Dies war das erste Buch, was ich von dieser Autorin gelesen habe und es hat mir ziemlich gut gefallen.

  • Klappentext/Verlagstext

    »Miss Kim weiß Bescheid« versammelt die Leben von acht koreanischen Frauen im Alter von 10 und 80 Jahren. Jede einzelne dieser stellvertretenden Frauenbiografien wird vor einem aktuellen gesellschaftlichen Thema in Korea verhandelt: das heimliche Filmen von Frauen in der Öffentlichkeit, Hatespeech und Cybermobbing auf Social-Media-Plattformen, häusliche Gewalt, Gaslighting, weibliche Identität im Alter und die Ungleichbehandlung am Arbeitsplatz. Auch sich selbst, die plötzlich weltbekannte Autorin, nimmt sie ins Visier. Ihr Erfolg ermöglicht ihr einerseits, ihr Leben als Schriftstellerin komfortabel zu führen, andererseits lässt sie der Hass, der ihr vor allem im Netz begegnet, nicht kalt. Cho Nam-Joos meisterhaftes Können besteht in der glasklaren Sprache, in der sie ihre Prosa verfasst und gleichzeitig in dem genauen Blick auf die Ungerechtigkeiten Koreas, den sie mit nichts verschleiert, sondern im Gegenteil messerscharf zu Papier bringt. Wie schon bei »Kim Jiyoung, geboren 1982« sind auch die Schicksale dieser acht Frauen nicht annähernd so weit von uns weg, wie wir meinen und hoffen.


    Die Autorin

    Cho Nam-Joo war neun Jahre lang als Drehbuchautorin fürs Fernsehen tätig. Ihr Roman »Kim Jiyoung, geboren 1982« hat sich weltweit über zwei Millionen Mal verkauft. Cho Nam-Joo lebt in Korea. (gekürzt)


    Inhalt

    Mit seinen zahlreichen Zahlenangaben und Quellenhinweisen wirkte Cho Nam-Joos Roman „Kim Jiyoung, geboren 1982“ streckenweise wie eine sozialwissenschaftliche Arbeit zur Lage koreanischer Frauen. Daher war ich sehr neugierig, ob auch ihre Kurzgeschichten im Fakten-Fiktion-Mix verfasst sein würden. Handwerklich ausgefeilt zeigt die Autorin jedoch nach allen Regeln der Kunst in jeder Story einen Ausschnitt aus dem Alltag von Mädchen und Frauen zwischen 10 und 80 Jahren, erzählt in der Ichform.


    In „Unter dem Pflaumenbaum“ treffen wir Dongju, die noch nicht einmal einen eigenen Vornamen wert war, sondern als „letzte Tochter“ dem Aberglauben ihrer Mutter zu dienen hatte, die später prompt zwei Söhne gebar. Nachdem sie als Jugendliche ihre Geschwister aufgezogen hatte, ertrug sie das Joch ihre enttäuschenden Ehe, unterstützte ihre Schwester und betreute schließlich ihr Enkelkind. Schicksale wie Dongjus, die Pflichten von ihrer Mutter nach unten durchgereicht zu bekommen und auch im Alter daran gekettet zu bleiben, ziehen sich durch alle 8 Kurzgeschichten. Die Hauptfiguren sind nicht etwa klassische Hausfrauen, unter deren Dach erwachsene Söhne wieder zu Kindern werden, da Männer ja nicht aufräumen und putzen können, sondern auch junge, berufstätige Frauen.


    In „Trotz“ lernen wir eine erfolgreiche Autorin kennen, die mit einer ehemaligen Lehrerin einen juristischen Streit um eine Roman-Idee auszufechten hatte. Heute ist sie als Mutter aller Feministinnen verschrien und Ziel von Hasskommentaren in den sozialen Medien - weil sie über Frauen in patriarchalischen Strukturen schreibt. In „Weggelaufen“ hebt ein 72jähriger Familienvater, der im Arbeitsleben nicht einen Tag gefehlt hatte, sein gesamtes Vermögen ab und verschwindet. Endlich will er tun, was ihn interessiert. Er lässt eine lebensuntüchtige Frau zurück, die sich ihm in allen Fragen unterworfen hatte, freiwillig, wie er behaupten würde. Miss Kim aus der titelgebenden Erzählung ähnelt verblüffend Figuren, die in hierarchischen Strukturen zwar nicht für ihre Bedürfnisse einstehen können, aber mit der „Rache des Archivars“ bei ihrem Abgang ein heilloses Durcheinander hinterlassen, das Chefs und Kollegen so bald nicht vergessen werden.


    In „Lieber Hyunnan“ kämpft sich die Erzählerin aus der toxischen Beziehung mit einem Kontrollfreak, dem sie leichtsinnig sämtliche Entscheidungen über ihr Leben überlassen hatte. „Nacht der Polarlichter“ stellt uns eine fast 60-Jährige und ihre Schwiegermutter vor, die gegen das Tabu verstoßen, dass eine Koreanerin nicht mit ihrer Schwiegermutter befreundet sein darf - und vor allem nicht ihr Alter frei von Care-Arbeit genießen. „Große Mädchen“ zeigt die Probleme einer Tochter auf, deren Mutter ihr Leben lang für Frauenrechte aktiv war und im hohen Alter doch in die Falle der Care-Arbeit tappt, die heruntergereicht wird, bis es keinen Widerspruch mehr gibt.


    Fazit

    Wir erleben nicht nur Korea-typische Konflikte. Cho Nam-Joo zeigt beispielhaft, wie in den Industriestaaten gerade der Generationenvertrag gekündigt wird, indem die Care-Arbeit (z. B. durch unzureichende staatliche Kinderbetreuung) wieder als privates Problem definiert wird. Gestresste Väter sind ohnehin nicht verfügbar, Mütter hetzen sich zwischen Kita und weiteren Babysittern ab. Die Frauen jedoch, die am Ende einspringen, werden im Alter niemanden mehr haben, der sie pflegt. Patriarchalische Strukturen und toxische Beziehungen breiten sich aus, wo Frauen ihnen Raum bieten, das wird in diesen Geschichten deutlich.


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    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Naylor - Die Stimme der Kraken

    :study: -- Landsteiner - Sorry, not sorry

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    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Ein Vater verlässt eines Tages seine Familie; die Tochter verfolgt anhand seiner Kreditkartenabrechnungen die Spuren. Wird er je zurückkehren? Eine junge Frau schreibt einen Brief an ihren Freund, den sie gerade für immer verlässt. Ständig hat er sie herabgesetzt und bevormundet, nun ist sie bereit für ein neues Leben. Eine Frau träumt davon, einmal im Leben die Polarlichter zu sehen. Zuhause ist sie ständig mit den Erwartungen ihrer Tochter konfrontiert und soll am liebsten dauerhaft den Enkel betreuen. Spontan bricht sie gemeinsam mit ihrer Schwiegermutter nach Kanada auf – eine Reise, die das Leben beider Frauen für immer verändern wird.

    In „Miss Kim weiß Bescheid“ versammelt Cho Nam-Joo Kurzgeschichten aus der Perspektive von insgesamt acht verschiedenen koreanischen Frauen, von der Schülerin bis zur Greisin. Sie alle sind in der Ich-Perspektive verfasst – vielleicht, um die Identifikation mit den Figuren einfacher zu machen – und beschäftigen sich mit relevanten Themen der koreanischen Gesellschaft. Sexuelle Belästigung und Hasskommentare in den sozialen Medien sind ebenso Gegenstand, wie die Stellung der Frau in Beruf, Beziehung und Familie. In einer Geschichte erzählt die Autorin sogar von sich selbst.

    Schmunzeln musste ich über die Titel gebende Geschichte. Miss Kim arbeitet sich von einer kleinen Bürokraft zu einer unersetzlichen Angestellten hoch, die sich quasi um alles kümmert und jeden kennt. Die Geschäftsführung fühlt sich von ihr bedroht und kündigt ihr, woraufhin die junge Ich-Erzählerin ihre Nachfolge antritt. Doch immer wieder verschwinden nun Dinge aus dem Büro, Listen werden durcheinandergebracht und Kontaktadressen stimmen nicht mehr. Hat Miss Kim hier ihre Finger im Spiel?

    Berührt haben mich vor allem zwei Geschichten: Einmal der Brief der jungen Frau, die ihren Partner nach Jahren der Unterdrückung endlich verlässt. Ihre Schilderung könnte im Lexikon neben dem Begriff „Gaslighting“ stehen. Und dann noch die gemeinsame Reise von Schwiegermutter und Schwiegertochter, welche die beiden nach dem Tod des Sohnes bzw. Ehemanns zusammenschweißt und beflügelt. Eine tolle Sammlung! :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

  • Schon der erste Roman der Autorin Cho Nam-Joo hat mich begeistert. Doch ihr neuer Kurzgeschichten-Roman hat mir sogar noch besser gefallen.


    Man bekommt einen sehr authenthis wirkenden Einblick in das Leben verschiedenster koreanischer Frauen von jung bis alt. Jede der Geschichten ware in sich sehr stimmig und ich fand die Vielfältigkeit der Charaktere sehr interessant. Nam-Joo schafft es scheinbar, sich in die Gedankenwelt einer 60-Jährigen genauso gut hineinversetzten zu können, wie in die einer 10-Jährigen, wie auch allen dazwischen. Die Themen reichen von Gaslighting, sexueller Belästigung, der belastenden Situation der Pandemie für Kinder, Kindererziehung, Großmutter sein über das, schon in ihrem ersten Roman besprochenen Thema, der Arbeitssituation in Korea.

    Ich habe jede der Geschichten mit großen Interesse und Mitgefühl verfolgt und kann auch diesen Roman der Autorin nur wärmstens weiter empfehlen.

  • Cho Nam-Joo erzählt in acht Kurzgeschichten von Frauen aus Südkorea, die mit vielfältigen gesellschaftlich-sozialen Problemen zu kämpfen haben.


    Fast alle Protagonistinnen erzählen ihre Geschichten selbst in Ich-Form, wobei sie alle sehr unterschiedlich sind, da gibt es Töchter, Mütter und Großmütter, ledige, verheiratete und verwitwete Frauen, Schülerinnen und Berufstätige, alle Altersgruppen sind vertreten.


    Die Erzählungen gehen oft weit in die Vergangenheit zurück, ganze Lebensläufe erfährt man da, und oft haben die Frauen immer wieder mit ähnlichen Problemen, oft, aber nicht nur, durch sie bestimmende Männer bedingt, zu kämpfen. Da gibt es die Schriftstellerin, die bekannt nun mit Hass im Internet zu kämpfen hat (was womöglich sogar autobiografisch ist), die Angestellte, schlecht bezahlt, die dennoch den Laden wuppt oder die junge Frau, die ihrem bisherigen Freund erklärt, warum sie seinen Heiratsantrag nicht annehmen will. Besonders gut gefallen hat mir die erste Erzählung, die Erzählerin besucht ihre Schwester im Pflegeheim und erinnert sich an ihre (gemeinsame) Vergangenheit. Etwas aus der Reihe fällt die letzte Erzählung, sie ist nicht in Ich-Form, und erzählt von einer Schülerin, noch ein Kind, und ihrer ersten Liebe, die durch die Corona-Pandemie auf eine Belastungsprobe gestellt wird.


    Alle Geschichten sind typische koreanische Lebensläufe, die Probleme, vor die die Protagonistinnen gestellt werden, sind aber teilweise sehr global. Sexuelle Belästigung, Schlechterstellung im Beruf, familiäre Belastungen usw. treffen viele Frauen auf der ganzen Welt. Cho Nam-Joo gilt nicht umsonst als feministische Schriftstellerin.


    Die Erzählweise, gerade durch die Ich-Form, ist sehr eingängig und berührend. Auch wenn ich mich nicht mit jeder Protagonistin identifizieren konnte, so habe ich doch die jeweiligen Gedanken, Emotionen und Intentionen verstehen können.


    Eine Anthologie über Frauen, die immer wieder an Grenzen stoßen und/oder ausgebremst werden, ihr Leben aber dennoch meistern können – unbedingt lesenswert.