Lilly Bernstein - Findelmädchen

  • Kurzmeinung

    Bartie
    wundervoll geschrieben, authentisch und einfühlsam
  • Kurzmeinung

    easymarkt3
    Hart zu verkraftende Schicksale von Frauen – einfühlsam geschildert.
  • Keine Berechnung kann das Schicksal besiegen. (Ovid)

    1955 Köln. Knapp 10 Jahre nach Kriegsende, in denen die 15-jährige Helga van Beek und ihr älterer Bruder Jürgen bei einer Pflegefamilie auf einem französischen Weingut gelebt haben, verändert ein Brief vom Roten Kreuz ihr Leben. Ihr Vater ist aus der Kriegsgefangenschaft zurück und möchte seine Kinder nun bei sich in Köln haben, von der Mutter fehlt jede Spur. Helga und Jürgen kommen bei ihrer Tante Meta unter. Während Jürgen beim Automobilhersteller Ford eine Anstellung findet, erfüllt sich Helgas Traum von einem Besuch auf dem Gymnasium nicht, sie muss auf Wunsch ihres Vaters auf eine Haushaltsschule. War die Freude, endlich wieder mit dem Vater vereint zu sein, anfangs groß, so schwinden Helgas Illusionen schnell. Tante Meta macht ihr das Leben schwer, aber vor allem ein Praktikum im Waisenhaus bringt sie an die Grenzen der Belastbarkeit. Während in Köln die Kriegsruinen nach und nach verschwinden und der Wiederaufbau in vollem Gange ist, sieht sich Helga den größten Herausforderungen ihres Lebens gegenüber…


    Lilly Bernstein hat mit „Findelkind“ einen sehr emotionalen historischen Roman vorgelegt, der den Leser in das Köln der Nachkriegszeit reisen lässt, um Helga und die damaligen Lebensumstände kennenzulernen. Der flüssige, bildhafte und einfühlsame Erzählstil nimmt den Leser schon mit wenigen Zeilen gefangen und bringt ihn an die Seite von Helga, wo er ihr nicht nur über die Schulter schauen, sondern auch ihre Gedanken- und Gefühlswelt sehr genau erkunden darf. Haben Helga und ihr Bruder vorher in einer liebevollen Pflegefamilie eine einigermaßen schöne Kindheit verleben dürfen, so müssen sie nun bei ihrem leiblichen Vater die harte Realität kennenlernen. Die Autorin beschreibt die Stadt zur damaligen Zeit auf sehr realistische Weise, die Kriegsruinen sowie das Leben der Bewohner wird so plastisch dargestellt, dass der Leser während der Lektüre vor dem inneren Auge vor sich sieht. Auch die Rolle der Frau zu jener Zeit wird gut hervorgehoben und ruft Unwillen hervor, denn Frauen wurden immer noch als unmündige Wesen behandelt, die es zu bevormunden gilt. Besonders entsetzlich sind die Zustände in dem Waisenhaus beschrieben, in dem Helga ihr Praktikum absolviert. Hier beweist Helga beweist großen Mut, denn sie setzt sich für die Kinder ein und hat vor allem auch keine Vorurteile gegenüber farbigen Schützlingen, die besonders unter der Behandlung im Heim zu leiden haben, misshandelt und stigmatisiert werden. Die Geschichte weiß von Anfang bis Ende zu fesseln, der finale Schluss passt allerdings nicht so ganz zum restlichen Roman, ist er doch viel zu weich gespült und eher unrealistisch.


    Die Charaktere sind sehr facettenreich ausgestaltet und in Szene gesetzt, mit ihren glaubwürdigen Ecken und Kanten wirken sie sehr lebendig und nehmen den Leser in ihre Mitte, der ihnen auf Schritt und Tritt folgt. Helga hat einerseits etwas von einer Träumerin, andererseits zeigt sie neben Mut und Stärke auch ein gewisses Maß an Freiheitsdrang und Selbstbestimmung. Sie lässt sich nicht verbiegen und steht für die Dinge ein, die ihr wichtig sind, dabei hat sie das Herz am rechten Fleck. Bruder Jürgen ist aufgeschlossen und lebenslustig, während der Vater sehr schweigsam und zurückhaltend ist. Tante Meta ist ein eiskalter Drachen, die das Heft nicht aus der Hand gibt. Aber auch Fanny, Bärbel, Albert und Claire haben wichtige Rollen in dieser Handlung.


    „Findelkind“ ist eine bewegende Geschichte über Selbstbestimmung, Diskriminierung, Entfremdung und der Suche nach einer glücklichen Zukunft. Neben gut recherchiertem Hintergrund besticht der Roman mit sehr real geschilderten Schicksalen, wie sie zur damaligen Zeit leider zum Alltag gehörten. Verdiente Leseempfehlung für eine sehr unterhaltsame und berührende Geschichte!


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    Bücher sind Träume, die in Gedanken wahr werden. (von mir)


    "Wissen ist begrenzt, Fantasie aber umfasst die ganze Welt."
    Albert Einstein


    "Bleibe Du selbst, die anderen sind schon vergeben!"
    _____________________________________________


    gelesene Bücher 2020: 432 / 169960 Seiten

  • K.-G. Beck-Ewe

    Hat den Titel des Themas von „Lilly Bernstein - Findelkind“ zu „Lilly Bernstein - Findelmädchen“ geändert.
  • Mich haben die zahlreichen Wiederholungen des mintgrünen Kofferradios und der hellblauen Kladde sehr gestört. Es ist ja in Ordnung, wenn es mal erwähnt wird, aber 5x hintereinander ist mir dann doch zuviel. :thumbdown:


    Hingegen die Tagebucheinträge fand ich total klasse, aufschlussreich und emotional. :thumleft:

  • Übrigens, das Buch heisst Findelmädchen, nicht Findelkind. 😉

  • Hart zu verkraftende Schicksale von Frauen – einfühlsam geschildert.


    Nach dieser Lektüre hätte ich sehr gerne meinen leider bereits verstorbenen Eltern viele Fragen zur damaligen harten Nachkriegszeit in Köln gestellt. Der Roman beginnt mit dem Jahr 1955. Zu dem Zeitpunkt lebte ich mit meinen sieben Jahren ausserhalb von Köln, damals noch Porz-Zündorf heißend, mit meiner Familie in der ‚Schwarzen Siedlung‘, in neugebauten Holzhäusern auf weiter Flur in der Nähe von einem Güterbahnhof. Unterernährt waren wir Kinder, hatten auf manchmal Läuse aus der alten Schule mitgebracht. Die Männer der Siedlung ‚fringsten‘ nachts von fahrenden Güterwaggons alles, was zum Überleben brauchbar war, ob nun Kartoffeln, Zuckerrübe, Kohlen etc.. Der Schwarzmarkt blühte auch in unserer Siedlung, die mit großem Kindersegen erfüllt war, sodass keine Langeweile für uns Kinder auf Auto freien Straßen aufkam. Sorgenfrei bin ich aufgewachsen im Verglich zu den Findelkindern Helga und Jürgen am Rand von Köln im Nachkriegsdeutschland. Das Wirtschaftswunder beglückte meine Eltern mit einem Baugrundstück, und auch wir drei Kinder halfen bei den Außenarbeiten bisweilen mit.


    Auf dem Cover enthüllt sich mir erst auf den zweiten Blick das farbige Mädchen Bärbel mit krausem Haar, erst nach dem Verarbeiten dieses Romans.

  • Das ansprechende gestaltet Cover mit dem lächelnden kleinen, dunkelhäutigen Mädchen vor dem Hintergrund der Stadt Köln wirkt optimistisch, weckt Leselust und stimmt auf das Buch ein. Helga und ihr Bruder Jürgen leben 1954 auf dem Weingut von Tante Claire und Onkel Albert in Frankreich. Da erreicht sie die Nachricht, dass ihr Vater aus der Kriegsgefangenschaft heimgekehrt ist. Sie begeben sich zurück nach Köln und leben mit dem Vater und der hartherzigen Tante Meta in einem Haus. Der Vater verkauft in einem Büdchen Zeitschriften, Kaffee und Süßigkeiten, während Bruder Jürgen eine Tätigkeit bei Ford beginnt. Helga lernt Fanny kennen, die ihrem Vater zur Hand geht und später im Haus eine Milchbar eröffnet. Helga, die sich sehnlichst wünscht, ein Gymnasium zu besuchen, wird auf eine Haushaltungsschule geschickt. Während eines Praktikums im katholischen Waisenhaus wird sie Zeugin, wie brutal Kinder, vor allem das farbige Mädchen Bärbel, dort behandelt werden. Sie beschließt, die Kinder mit allen ihr möglichen Mitteln zu schützen.


    Die Autorin Lilly Bernstein entführt die Leser in ihrem neuen Roman „Findelmädchen – Aufbruch ins Glück“ in das Jahr 1955, nach Köln. Voller Empathie, bildhaft und ausdrucksstark schildert sie das Schicksal von Helga und ihrem Bruder Jürgen, die nach langer Zeit der Suche durch das Rote Kreuz wieder bei ihrem aus dem Krieg heimgekehrten Vater leben. So glücklich Helga darüber ist, sie muss sich den strengen gesellschaftlichen Konventionen dieser Zeit beugen. Ihr Vater duldet nicht, dass sie ihren sehnlichsten Wunsch erfüllen kann, den Besuch eines Gymnasiums. Auch der Aufenthalt in der Milchbar ihrer Freundin Fanny wird nicht gerne gesehen. Stattdessen lernt Helga die furchtbaren Bedingungen und die Brutalität in einem Waisenhaus kennen. Vor allem das farbige Besatzerkind Bärbel wird menschenunwürdig behandelt und muss schlimme Strafen ertragen. Es ist völlig unverständlich, wie derartiges in den 1950-er Jahren noch möglich sein konnte. Die Vorurteile der Gesellschaft gegenüber farbigen Kindern wird durch die Autorin besonders herausgearbeitet. Zugleich kommt im Roman am Beispiel von Konradin und seiner Großmutter Auguste zum Ausdruck, wie zehn Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges noch Flüchtlinge aus den Ostgebieten verachtet wurden. Allen Widrigkeiten zum Trotz bleibt Helga optimistisch, sucht nach Lösungen und geht ihren Weg unbeirrt weiter. Dank des flüssigen Schreibstils befindet sich der Leser sofort mitten im Geschehen, wozu auch die in Kursivschrift aufgeführten Tagebuchaufzeichnungen beitragen. Für diesen berührenden Roman vergebe ich fünf Sterne und spreche eine Kaufempfehlung aus.

  • Sehr lesenswerter historischer Roman mit rheinischem Flair


    Das Buch hat mich aufgrund seines Handlungsortes sowie der Zeit, in der es spielt auf Anhieb angesprochen und ich wurde nicht enttäuscht. Auch ohne den ersten Band gelesen zu haben, habe ich direkt gut in die Geschichte hinein gefunden. Der unkomplizierte Sprachstil der Autorin machte die Lektüre kurzweilig und interessant. Auf geschickte Art und Weise ist es Lilly Bernstein insbesondere durch die eingerückten Tagebucheinträge der verschollenen Mutter gelungen, die Historie der Familie der Hauptprotagonistin Helga aufzurollen und die Spannung bis zum Schluss aufrecht zu halten. Der Lokalkolorit und die rheinischen Bräuche wie beispielsweise Karneval und Maibaumstellen haben mir als Rheinländerin besonders gut gefallen. So gab es neben den tragischen Schicksalen und der Erkenntnis, was der Zweite Weltkrieg auch gut zehn Jahre nach seinem Ende noch für Auswirkungen auf die verschiedenen Protagonisten hat, auch einige Stellen zum Schmunzeln. Wer historische Romane der Neuesten Zeit mag, dem kann ich die Lektüre wärmstens empfehlen.

  • Berührende Familiengeschichte


    Schon seit 10 Jahren ist der Krieg vorbei, doch an den Folgen leiden immer noch viele Menschen. Helga ist erst 15 und ihr Bruder Jürgen nur wenig älter als sie. Jetzt im Jahre 1955, finden sie endlich den vermissten Vater wieder. Gemeinsam versuchen sie sich ein neues Leben in Köln aufzubauen. Der Vater betreibt ein kleines Büdchen, Jürgen beginnt bei Ford, nur für das aufgeweckte Mädchen scheint es keinen Weg zu geben. Sie soll auf eine Haushaltungsschule, dabei würde sie viel lieber aufs Gymnasium gehen und lernen, aber der Vater verweigert ihr diesen Wunsch. Helga fügt sich in ihr Schicksal. Nur die Frage, was aus ihrer Mutter geworden ist, treibt sie noch immer um.


    Der Roman „Findelmädchen“ ist bereits der zweite Roman über die Nachkriegswirren, in denen Lilly Bernstein von den Kindern dieser Zeit erzählt. Den ersten Roman „Trümmermädchen“ habe ich bedauerlicherweise noch nicht gelesen. Ich sage leider, weil mir das aktuelle Buch der Autorin sehr gut gefallen hat. Die Geschichte von Helga und ihrer Familie trifft einen beim Lesen mitten ins Herz. Geschickt erzählt die Autorin aus dem Leben dieser Protagonisten in den 50er-Jahren. Sie lässt dabei nicht nur die Protagonisten lebendig werden, sondern auch das Köln dieser Zeit.


    Der Erzählstil ist so ausgelegt, dass ich das Buch eigentlich nicht aus der Hand legen mochte. Ein echter Page-Turner. Sicherlich nicht die spannendste Geschichte, die ich je gelesen habe, aber doch so warm und mitfühlend, dass ich das Buch nicht zur Seite legen konnte. Die einzelnen Charaktere hat die Autorin lebensecht und glaubhaft geschildert. Sicherlich gab es Momente, wo klar war, wie es weitergehen würde, aber das macht überhaupt nichts, in diesem Fall macht es die Handlung sogar noch glaubwürdiger. Ich konnte sehr gut mit Helga mitfühlen. Zu sehen, wie sie sich ihren Weg erkämpft hat, war angenehm zu lesen.


    Zudem hat es die Autorin geschickt verstanden, die Problematik der Zeit mit einzuweben. Helga soll ein Praktikum in einem Waisenhaus machen und mit der Protagonistin gemeinsam erfährt man nun, wie es in solch einem Waisenhaus zugegangen sein könnte. Erschreckend war vor allem, wie mit Kindern umgegangen wurde, die kein Zuhause mehr hatten oder die einfach nicht bei ihren Müttern und Vätern leben durften. Dieses Unrecht hat Lilly Bernstein sehr einfühlsam in Szene gesetzt. Teilweise war es schwer zu lesen, aber gleichzeitig auch so wichtig. Der warme Erzählstil der Autorin trägt mit dazu bei, dass die Geschichte sich so lebensecht anfühlt.


    Fazit:

    „Findelmädchen“ ist ein berührender Roman aus den 50er-Jahren. Mir hat die Geschichte von Helga, ihrem Bruder Jürgen und von Bärbel sehr gut gefallen. Lilly Bernstein hat es verstanden, den historischen Hintergrund dieser Zeit mit ihrer fiktiven Geschichte zu verweben. Entstanden ist ein Roman über Liebe und Hoffnung, Trauer und Verzeihen.


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  • Mit Findelmädchen liegt nach "Trümmermädchen" der nächste Band der Autorin Lilly Bernstein über das Schicksal von Kindern in Deutschland nach 1945 vor. Im Mittelpunkt stehen diesmal die 15 jährige Helga und ihr Bruder Jürgen, die nach Ende des Krieges von einer lieben Familie in Frankreich aufgenommen werden und erst eine Reihe von Jahren später zurück zu ihrem Vater nach Köln kommen.
    Während Jürgen sich seinen Traum erfüllen kann und bei Ford arbeiten darf, werden Helga mit ihrem Wunsch nach höherer Bildung viele Steine in den Weg gelegt. Doch sie lässt sich nicht unterkriegen und kämpft für ihre Ziele.

    Die Geschichte wird von der Autorin Lilly Bernstein sehr lebendig und spannend erzählt, so dass mensch gespannt dabei bleibt. Auch erhalten die geneigten Leser*innen einen guten Einblick in das Leben in Deutschland in den 1950er Jahren, was es erleichtern kann, Verhaltensweisen der eigenen Eltern bzw. Großeltern in neuem Licht zu betrachten. Wer sich für die 1950er Jahre interessiert, ist hier genau richtig.

  • Helga und Jürgen wachsen behutsam in den Händen von Claire und ihrem Mann in Frankreich auf. Doch ursprünglich kommen sie aus dem zerbombten Köln. Sie wissen weder was mit ihrem Vater ist noch ob ihre Mutter überlebt hat. Nachdem sie einige Jahre mit anderen Kindern in Köln in einem Keller hausen, werden sie und die anderen Kinder von Claire und ihrem Mann mit nach Frankreich genommen. In Frankreich erreicht sie nach einigen Jahren ein Brief, in dem ihnen mitgeteilt wird, das ihr Vater lebt und nach ihnen hat Suchen lassen. Zusammen machen sich Helga und Jürgen auf nach Köln, um zu ihrem Vater zurückzukehren. Beide vermissen aber schon bald einiges das sie in Frankreich hatten und versuchen sich in der neuen Welt zurechtzufinden. Jürgen geht in seiner Arbeit im Autowerk richtig auf, doch Helga bleibt es verwehrt ins Gymnasium zu gehen. Sie freundet sich Fanny, der Nachbarin an, welche unten im Haus wohnt und wird von ihrem Vater zum Besuch der Haushaltsschule verdonnert. Helga’s Träume scheinen sich nicht zu verwirklichen. Gelingt es ihr aus den vordefinierten Fängen zu fliehen und ihr eigenes Leben zu leben?


    ‘Findelmädchen’ ist ein sehr spannendes Buch, welches in der Nachkriegszeit im arg gebeutelten Köln spielt. Die Geschichte rund um Helga und Jürgen wird so spannend erzählt, das der Leser nur so durch die Seiten fliegt. Die Darstellung der damaligen Zeit, der Umgebung und der gängigen Vorschriften sind sehr realitätsnah beschrieben und heute teilweise unvorstellbar. Durch die Erzählung bin ich als Leser in die Nachkriegszeit abgetaucht und konnte mir die einzelnen Szenen gut vorstellen.


    Helga ist eine sehr offene junge Frau, welche auch den armen helfen möchte. Und sie hat ihre eigenen Träume von ihrem Leben. Doch leider passen diese nicht in die Nachkriegszeit in Köln. Mit ihrem Bruder Jürgen versteht sie sich sehr gut und er ist ihr eine wichtige Stütze. Sowohl Jürgen und auch Fanny scheinen sehr sympathisch zu sein. Fanny hat ihr eigenes Päcken zu tragen und spricht nicht offen darüber, auch Helga hat ihre Mühe sie zu knacken.


    Ein spannender historischer Roman, der die Leser nicht mehr loslässt und die Seiten nur so dahinfliegen.



  • Ich habe zuvor bereits den Roman „Trümmermädchen - Annas Traum vom Glück“ der Autorin Lilly Bernstein gelesen. Da mich die Geschichte sehr berührt hatte, wollte ich auch dieses Buch unbedingt lesen und ich wurde nicht enttäuscht.


    Der Krieg ist schon eine Weile vorbei, aber noch nicht verwunden. Die Mutter der fünfzehnjährigen Helga und ihres Bruders Jürgen ist seit Kriegsende verschwunden. Doch nun leben sie in Köln mit ihrem Vater zusammen, der aus russischer Kriegsgefangenschaft heimgekehrt ist. Der Vater baut sich mit einem Büdchen eine Existenz auf und Jürgen arbeitet bei Ford. Helga träumt davon, das Gymnasium zu besuchen und Schriftstellerin zu werden, doch sie muss sich in der Haushaltungsschule auf die Ehe vorbereiten, wie es damals recht üblich war. Während ihres Praktikums muss sie mit ansehen, wie grausam die Waisenkinder in dem christlichen Waisenhaus behandelt werden. Sie stellt sich schützend vor die kleine Bärbel, ein Besatzerkind.


    Auch dieser Roman ist wieder sehr berührend, aber auch erschreckend. Die Menschen wollen den Krieg und die damit verbundenen Schrecken hinter sich lassen. Über das Erlebte wird nicht gesprochen. Man will nach vorne schauen und die Vergangenheit vergessen. Auch Helgas Vater spricht nicht über das Erlebte und verhält sich oft sehr merkwürdig. Aber Helga ist ein empathisches, hilfsbereites und starkes Mädchen. Sie hat ihre Träume, wird jedoch jäh auf den Boden zurückgeholt. Trotz aller Widerstände gibt sie die Hoffnung auf eine bessere Zukunft nicht auf.


    Die eingefügten Tagebucheinträge von Helgas Mutter geben einen Einblick, was nach Kriegsende geschehen ist.


    Manches in dieser Geschichte ist wirklich schwer zu ertragen und hat mich betroffen gemacht. Die Umstände und Denkweisen der damaligen Zeit sind authentisch dargestellt. Für Frauen gibt es kein selbstbestimmtes Leben, denn entweder sind sie vom Vater oder Ehemann abhängig.


    Ein interessanter, lesenswerter Roman, der unter die Haut geht.

  • „Findelmädchen“ war mein erstes Buch der Autorin, aber mit Sicherheit nicht mein Letztes. Ich habe schon einige Bücher, die in den fünfziger Jahren spielen, gelesen und doch gibt es immer wieder kleine Perlen, die besonders hervorstechen. Und so ein Buch war „Findelmädchen“ für mich. Ich habe mich von der ersten Seite an in der Geschichte wohlgefühlt. Lilly Bernstein nimmt einen regelrecht mit auf eine Zeitreise und erweckt diese zum Leben. Und das mit allen seinen Facetten. Man spürt den Aufschwung der Wirtschaftsjahre, aber auch die Schatten des Krieges mit all dem Leid und Schmerz. Die Autorin beschönigt hier nichts und lässt uns die Gefühle der Charaktere hautnah erleben. Und das war stellenweise auch sehr schmerzvoll. Vor allem die Geschehnisse im Waisenhaus und der Umgang mit Bärbel, dem sogenannten „Besatzerkind“, ist unerträglich und hat mich zutiefst berührt. Aber nicht nur sie, sondern auch die anderen Charaktere sind mir Stück für Stück ans Herz gewachsen. Sie sind alle nicht perfekt, haben ihre Ecken und Kanten und fühlen sich aber gerade deswegen sehr authentisch an.
    Besonders angetan hat es mir allerdings die Protagonistin Helga. Sie ist jung, unerfahren, träumerisch, aber auch klug, wissbegierig und mutig. Sie setzt sich für alles ein, was ihr wichtig ist und lässt sich dabei nicht verbiegen. Mit ihrem Freiheits- und Selbstbestimmungsdrang hat sie es aber nicht immer leicht und muss sich einigen Kämpfen stellen. Zum Glück hat sie ihren Bruder Jürgen und ihre neue Freundin Fanny an der Seite. Und auch wenn zunächst viele Geheimnisse zwischen ihnen stehen, so halten sie doch zusammen und gehen ihren Weg.


    Für mich war diese Geschichte, mit guter historischer Recherche und mit herzerwärmenden Charakteren, ein rundum gelungenes Werk. Daher gibt es auch eine große Leseempfehlung von mir.

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    SuB Anfang 2024/aktuell: 742/751
    gelesene Bücher/Seiten 2024: 15 / 4 882 S.

    :study:


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  • Schwere Kost, literarisch wundervoll verpackt


    Es gibt Bücher, die wühlen mich dermaßen auf, dass sie noch lange Zeit nach der Lektüre in mir nachhallen. "Findelmädchen", für mich das erste Werk aus der Feder von Lilly Bernstein (einem offenen Pseudonym der Kölner Journalistin Lioba Werrelmann), gehört genau in diese Kategorie. Obwohl es sich hierbei um die Fortsetzung des mir noch unbekannten Romans "Trümmermädchen" handelt, hatte ich nie den Eindruck, dass mir bedeutende Informationen fehlen würden.


    Historische Romane lese ich regelmäßig, insbesondere jene, die von Frauenschicksalen handeln und vor der Kulisse des Ersten und Zweiten Weltkriegs angesiedelt sind – es ist also nichts Neues für mich, hin und wieder in die dunkelsten Stunden unserer Vergangenheit abzutauchen, über das dort herrschende Elend den Kopf zu schütteln und inständig zu hoffen, dass die Menschheit doch endlich aus ihren Fehlern lernen möge - "Nie wieder!", hieß es noch vor nicht allzu langer Zeit. Doch selten hat mich die Lektüre eines historischen Romans so emotional mitgenommen, mich gleichermaßen entsetzt, wütend gemacht und berührt. Vielleicht liegt es daran, dass ich selbst Mutter bin und mir das Grauen der betroffenen Kinder kaum auszumalen vermag. Ich habe angesichts der Passagen, die sich wie eisige Krallen um mein Herz gelegt haben, bittere Tränen vergossen – um alle Kinder, die tatsächlich solch ein Elend erleiden mussten, und um all jene, die noch heute von ihrem Umfeld das Gefühl vermittelt bekommen, unerwünscht und ein wandelnder Fehler zu sein. Am liebsten würde ich sie alle mit Liebe überschütten.


    Bereits nach wenigen Zeilen war ich gefesselt vom intensiven, kenntnisreichen Schreibstil der Autorin, bangte mit den Figuren mit, und bekam zwischenzeitlich glühende Wangen vor lauter Wut über die Ungerechtigkeit (nicht zuletzt aufgrund einer gewissen Person, Stichwort: Hochstapler:in). All das wird zum Glück überstrahlt von der warmherzigen, aufrichtigen weiblichen Hauptfigur, die sich nicht unterkriegen lässt.


    Fazit: Herausragend erzählt! Diese ungemein bewegende Geschichte ist geprägt von einem Schreibstil voller Feingefühl und Lebensnähe, welcher die inhaltliche Tragik gekonnt abgemildert, ohne dabei die harten Fakten zu verweichlichen oder zu beschönigen. Sie wird euch emotional viel abverlangen, aber am Ende werdet ihr mit einem befriedigenden Abschluss belohnt. Durch und durch interessant, erschreckend authentisch und obendrein spannend (eines meiner Highlights waren die eingestreuten Tagebucheinträge von Helgas und Jürgens verschwundener Mutter). Absolute Leseempfehlung!

  • Berührende Geschichte


    Über die Nachkriegsjahre in Deutschland und das Schicksal eines Geschwisterpaar Helga und Jürgen erzählt Lilly Bernstein in ihrem Buch „Findelmädchen“. Die Hauptprotagonistin Helga, das Findelmädchen, wurde zusammen mit ihrem Bruder Jürgen im Jahr 1945 von einem französischen Ehepaar in Köln aufgelesen. Die Kinder, damals sechs- und sieben Jahre alt, saßen allein vor einem Bunker. Ihre Mutter war spurlos verschwunden. Doch die Franzosen haben die Suche nach den Eltern von Helga und Jürgen nie aufgegeben und den Vater der Beiden gefunden, der nach jahrelanger russischer Gefangenschaft nach Köln zurückgekehrt ist.


    Für die Familie beginnt ein neuer Lebensabschnitt. Alle müssen neu anfangen, ihr Glück finden, die ´Zeit, die durch den Krieg verlorengegangen ist, irgendwie nachholen. Während die Männer in der neuen Lage scheinbar leichter Fuß fassen können, ist der Lebensweg von Frauen von vielen Hindernissen geprägt. So darf Helga nicht auf das Gymnasium gehen, weil ihr Vater es ihr nicht erlaubt. Stattdessen darf sie die Haushaltsschule besuchen, die damals für Mädchen, künftige Ehefrauen und Mütter, bestimmt war. Während des Praktikums in einem Waisenhaus stößt Helga auf Umstände, die aus heutiger Sicht unvorstellbar wären. Gegen die Ungerechtigkeiten, die den Waisenkindern dort geschehen, gegen die zweifelhafte, unmenschliche Erziehungsmethoden begehrt Helga auf und versucht nach all ihr zur Verfügung stehenden Mitteln Abhilfe zu schaffen.


    Helgas berührende Geschichte wirkt authentisch. Sie wurde von der Autorin mit viel Herz erzählt und rührt des Öfteren zu Tränen. Wunderbar vermittelt die Schriftstellerin die Atmosphäre der Nachkriegsjahre in Deutschland und schildert ein authentisches Bild der damaligen Gesellschaft. Der Leser kann sich gut in die menschlichen Schicksale hineinversetzen.


    Ich bin in diese Geschichte versunken, habe mit Helga und ihrer Freundin Fanny, deren Tochter in einem Waisenhaus aufwachsen musste, mitgelitten und um ihr Schicksal mitgefiebert.


    Der Roman wirkt ein bisschen wie ein modernes Märchen, das wirklich geschah, deswegen passt er hervorragend in die aktuelle Vorweihnachtszeit. Das Buch bekommt meine wärmste Empfehlung. Es ist lesenswert, zu jeder Jahreszeit!

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