Wolf Biermann - Warte nicht auf bessere Zeiten

  • Wolf Biermann - Warte nicht auf bessere Zeiten


    Ich mag ihn nicht sonderlich, den Biermann. Das Renitente an ihm jedoch hatte schon etwas für sich. Grund genug sich der Sache mal anzunehmen - mit dieser Autobiografie. Subjektiver geht’s dann wohl nicht, möchte man meinen. Gleichwohl wurde ich von einer brauchbaren Distanz zu sich vom Autor überrascht. Das bedeutet, zumindest nicht für den überwiegenden Teil des Buches, dass ich es mit einem Zweifler zu tun gehabt hätte.

    Anfangs im Zweifel, diese Schwarte bis zum Ende zu lesen, gab es recht schnell Gewissheit, das Ende zu erreichen.

    Mit seinen Gedichten und seinen Liedern könnte ich nie etwas anfangen und auch nach dem Buch kein Stückchen mehr. Das wär ja auch zu viel des Guten gewesen. Mit seinem Buch konnte ich überraschenderweise eine Menge anfangen, denn das scheint er auch zu können, ein Buch schreiben. Einen Ghostwriter wird es nicht gegeben haben. Wer wollte es mit der Schroffheit dieses Mannes aushalten. Der Stil ist flüssig und er bellt und geifert nicht, denn so kam er mir immer wieder mal vor. Ja er bellt gelegentlich, das immerhin gut in den Handlungskontext eingefasst. Handlung ist ein gutes Stichwort. Das Buch ist nicht statisch, steckt voller Handlung und bleibt dadurch spannend. Spannend ist die Lebensgeschichte dieses Mannes, ob der nun Biermann heißt oder nicht, scheint im Nachhinein fast egal gewesen zu sein.

    Nicht selten schlägt er recht persönliche Töne an. Er schreibt ein Buch über sich und sein Leben. Dass er nun Biermann hieß und so einiges erlebt hat, gibt es gratis dazu. Es bildet nicht den Kern der Biografie, setzt indes selbstredend die Eckpfeiler des Verlaufes. Als Kind aus dem Westen in den Osten ziehend und aus dem Osten einfach wieder ausgesperrt, dann im Westen hängend. Das allein kann Wut schon über Jahrzehnte nähren und Starrköpfigkeit. Stets zwischen den Welten, nie angekommen, nie angenommen. Das fordert einem so einiges ab. Da kommt man nicht unverwundet heraus. Wie solche Wunden entstanden und wie er damit umgegangen ist, ist hier ebenfalls zu erfahren.

    Der Ton ist nicht selten burschikos und oder um Gediegenheit bemüht, in einem Maß, das ich als angenehm und nicht überzogen empfand. Es hätte Grund zum Jammern, finde ich. Nicht alles hat er selbst vergeigt. Jammern jedenfalls tut er nicht. Da schimpft er lieber.

    Trotz Möglichkeiten und Anlässen zur Genüge, hakt das Buch nicht oder springt. Es ist homogen aufgebaut, was beileibe nicht langweilig bedeuten soll. Es wird auch von seinem ironischen Witz getragen.

    Ich wiederhole: Biermann hin oder her. Dieses Buch sollte einem nicht aufstoßen und Vorsicht Phrasen-Alarm: Ein Stück Zeitgeschichte sehr gut nahe gebracht.

    Von der wollte ich eng gekoppelt an das Gelesene noch ein Happen nehmen. Das waren dann:

    Eva-Maria Hagen „Eva und der Wolf“

    Nach der Biografie als Ergänzung nicht verkehrt. Es beinhaltet viele Briefe. Man muss es nicht am Stück und kann es selektiv lesen. Ohne etwas Hintergrund empfiehlt es sich nicht in jedem Fall. Nicht ungewöhnlich für Briefe.


    Dieses hingegen in keinem Fall:

    Eva-Maria Hagen „Eva jenseits vom Paradies“

    Ist eine Biografie, die anfangs schon etwas befremdet, durch wiederholtes Benennen von sich selbst in der dritten Person. Da meine ich, an der Kasse zu stehen: „Haben wir mal fünf Cent?“ Grrrrr. Schnell langweilt das Buch, scheint Lücken aufzuweisen oder teilweises „Vorspulen“. Jeder wie er will. Iche jedenfalls nich.


    Mein Fazit im Sachen Biermanns Autobiographie: Nach ihr steht er nicht mehr sooo viele Lichtjahre in meiner Wahrnehmung entfernt.

  • Ich mag ihm und seine Lieder und jetzt wo ich alt werde dieses besonders

    ‚Das kann doch nicht alles gewesen sein‘ von Wolf Biermann, 1977

    Das kann doch nicht alles gewesen sein

    Das kann doch nicht alles gewesen sein

    Das bißchen Sonntag und Kinderschreien

    Das muß doch noch irgendwo hingehen

    Die Überstunden das bißchen Kies

    Und abends in der Glotze das Paradies

    Darin kann ich doch keinen Sinn sehen

    Das soll nun alles gewesen sein

    Da muß doch noch irgendwas kommen – nein?

    Da muß doch noch Leben ins Leben – eben

    He Kumpel wo bleibt da im Ernst mein Spaß?

    Nur Schaffen und Raffen und Husten und Hast

    Und dann noch den Löffel abgeben? Eben.

    Das soll nun alles gewesen sein

    Das bißchen Fußball und Führerschein

    Das war nun das donnernde Leben, eben

    Ich will noch ein bißchen was Blaues sehen

    Und will noch ein paar eckige runden drehen

    Und dann erst den Löffel abgeben…eben…

    Wolf Biermann, 1977

    :study: Ich bin alt genug, um zu tun, was ich will und jung genug, um daran Spaß zu haben. :totlach: na ja schön langsam nicht mehr :puker:

  • Ich hatte mir das Buch damals gekauft. Doch die ersten Reis, die ich darüber gelesen habe, haben mich eher abgeschreckt. Von einem weinerlich geifernden Mann war da oft die Rede. Und als solcher wollte ich nichts von ihm lesen. Hatte ich ihn doch in "Eva und der Wolf" anders in Erinnerung. 2009 habe ich es hier vorgestellt.


    Nach Deinen Eindrücken werde ich es nun doch mal lesen.

    Denn ich, ohne Bücher, bin nicht ich. - Christa Wolf


    2022 - 64

    2023 - 84 von 80 - geschafft :)