Klappentext/Verlagstext
Selbstoptimierung für Anfänger Wilburs Lebensphilosophie lautet: Unsichtbar sein. Kopf runter. Mund zu. Einfach schauen, dass man den nächsten Schultag überlebt. Doch dann trifft Charlie ein, Wilburs Austauschschüler. Und entpuppt sich als Austauschschülerin. Und was für eine... Wilbur wird von gigantischen Gefühlen ergriffen. Aber wie wird man zu einem begehrten, coolen Typ, wenn man gerade eben noch völlig unsichtbar war? Einmal mehr beweist Susin Nielsen ihre außergewöhnliche Fähigkeit, »schwierige Zustände erträglicher zu machen« (Andrea Lüthi, NZZ am Sonntag), indem es ihr gelingt, elementare Themen mit einem begeisternden Humor zu verbinden.
Die Autorin
Susin Nielsen (geboren 1964 in Hamilton, Ontario) begann mit elf Jahren, ein Tagebuch zu führen, und zwar mit dem Hintergedanken, dass daraus eine Biografie entstehen könnte, wenn sie einmal eine bekannte Schriftstellerin geworden wäre. In der Tat hat sie zahlreiche Kinder- und Jugendbücher geschrieben, die mit Preisen überhäuft und in viele Sprachen übersetzt wurden. Bei Urachhaus erschienen bereits ›Adresse unbekannt‹ und ›Optimisten sterben früher‹. Susin Nielsen lebt mit ihrer Familie und zwei frechen Katzen in Vancouver.
Die Übersetzerin
Anja Herre, geboren 1979 in Thüringen, übersetzt, lektoriert und schreibt seit 2009 in Stuttgart und auf Reisen. So hat sie beispielsweise das Kinderbuch "Adresse unbekannt" von Susin Nielsen in Tadschikistan übersetzt, wo sie zu Beginn der Corona-Krise strandete.
Inhalt
Mit 14 ist der schüchterne Wilbur zu einem stattlichen Mann herangewachsen. Seine Probleme mit Tyler Kertz sind jedoch nicht geringer geworden, der jede Person mobbt, die auch nur einen Funken Persönlichkeit zu erkennen gibt. Wilbur müsste längst jenen Zeitgenossen Widerstand entgegensetzen, die ihn verspotten und ausnutzen. Als seine beiden Mütter mit Wilbur von Vancouver nach Toronto zogen, war er 11 und zum ersten Mal mit dem Lärm und Gerangel einer öffentlichen Schule konfrontiert. Zu ärgerlich, dass Wilbur seinen Mobber Tyler beim Wechsel in die neue Schulstufe nicht einfach abschütteln konnte. An einen Schulwechsel war nie zu denken, weil die Mumps (Mum und Mup) jede in mehreren ungesicherten Jobs arbeiten und das Geld sowieso kaum bis zum Monatsende reicht. Im letzten Schuljahr ist für das Schulorchester ein Austausch mit einem französischen Orchester geplant. Der angekündigte „Charlie“ aus Paris, der bei den Hernandez-Schotts unterkommen soll, entpuppt sich zur Verblüffung aller als groß gewachsene, extrem gut aussehende Charlotte, in die Wilbur sich sofort verliebt. Wilburs Probleme scheinen unüberwindbar. Die Verständigung mit Charlotte führt zu – (für Nielsens Leser/innen) urkomischen sprachlichen Missverständnissen; und die Hernandez-Schotts können sich die kostspielige Paris-Reise zum Gegenbesuch des Orchesters nicht leisten, obwohl Wilbur neben der Schule regelmäßig arbeitet. Doch Wilbur kann auf seine alten Freunde setzen. Der betagte, vereinsamte Nachbar Sal erweist sich als kluger Ratgeber (Wil, es kommt jetzt nicht auf Charlie an, sondern, dass du nach Paris reist und die Welt kennenlernst). Mit Sal teilt Wil das Interesse an Dinosauriern und dem Naturkundemuseum, das die Cover-Illustration erklärt. Wilbur kann sogar die Beziehung zu Alex kitten, als er einsieht, dass die feste Partnerschaft seines allerbesten Freundes mit einem Jungen nicht das Ende ihrer Freundschaft bedeuten muss. Im Gegenteil, Fabrizios Talent als Stilberater läuft zu Hochform auf, als die Freunde Wilbur komplett umstylen, vom Haarschnitt bis zum regelmäßigen Ausdauertraining. Doch letztlich geht es nicht ums Styling, sondern Wils innere Stärke, die er endlich zu zeigen wagt. Am Ende gewinnen fast alle Beteiligten: Wil mit Francisco zusätzlich zu Alex einen neuen Freund, seine neue Familie samt charmanter Schwester in Paris und Charlie findet gleich zwei neue Mütter in Toronto.
Mit Wilburs Briefen und weiteren eigenen Texten wirkt die Geschichte authentisch und gewinnt noch dadurch, dass die Handlung der Gegenwart und Wils Rückblicke auf seine Erlebnisse als Elfjähriger optisch deutlich zu unterscheiden sind.
Neben seiner rasant tragikomischen Handlung enthält Susin Nielsens grade erschienener Roman einiges Bonusmaterial. Sie vermittelt taktvoll, was Armut bedeutet, indem sie ihre Figuren dabei zeigt, wie sie sich durchschlagen, ohne Unterstützung zu beanspruchen. Wie von Nielsen gewohnt und für Kanada als Schauplatz charakteristisch, treten selbstverständlich Figuren unterschiedlicher Religion, Identität und sexuellen Orientierung auf, so eine Mitschülerin „die bis zum letzten Jahr noch einen Jungennamen trug“.
Fazit
Auf den ersten Blick eine temporeiche, urkomische Coming-of-Age-Geschichte für Leser ab 12, fordert der Roman auch seine erwachsenen Leser heraus, gewohnte Denkschienen zu verlassen …