Gulbahar Haitiwaji - Wie ich das chinesische Lager überlebte / Rescapée du goulag chinois

  • Kurzmeinung

    Bellis-Perennis
    Eine Geschichte, die kaum zu ertragen ist
  • Ein aufwühlendes Buch, das kaum zu ertragen ist

    Gulbahar Haitiwaji und ihre Familie leben, weil sie zu den in China verfolgten Uiguren gehören, als anerkannte Flüchtlinge in Paris, als Gulbahar 2016 einen Anruf einer chinesischen Behörde erhält, sie müsse kurz in ihre alte Heimatstadt Xingjiang reisen, um Papiere für ihre Pensionierung zu unterschreiben.

    Während ihr Mann und die beiden Töchter französische Staatsbürger sind, hat Gulbahar die chinesische nie aufgegeben, um gegebenenfalls ihre Mutter besuchen zu können. Das rächt sich nun, denn die Frau wird nach ihrer Ankunft in China verhaftet und unter fadenscheinigen Beschuldigungen vorerst in Untersuchungshaft genommen. Es stellt sich heraus, dass die chinesischen Behörden eine Foto von Gulbahars Tochter haben, das sie angeblich bei einer antichinesischen Demo in Paris zeigt. Grund genug, um die Mutter zu verhaften, sie zu foltern und anschließend ohne richtigen Prozess für sieben Jahre in ein Umerziehungslager zu stecken.

    Erst nach Monaten gelingt es Gulbahars Mutter und Schwester, Kontakt mir ihr aufzunehmen, immer in der Angst, als Nächste verhaftet zu werden.


    Während Gulbahar unter unmenschlichen Bedingungen gefangen gehalten und so wie die meisten Uiguren zwangssterilisiert wird, beginnt ihre ältere Tochter einen beinahe aussichtslosen Kampf um die Freilassung ihrer Mutter. Es sollte drei Jahre dauern, bis Gulbahar aus der Lagerhaft entlassen wird und nach Frankreich zurückkehren kann.


    Meine Meinung:


    Der Genozid an den Uiguren reiht sich nahtlos in staatlich sanktionierte Völkermorde ein: Juden, Armenier, Nepalesen, Bosnier und nun die Uiguren. Unter dem Deckmäntelchen der „Terrorismusbekämpfung“ nimmt man Andersdenkenden und Andersgläubigen ihre Namen, ihre Religion und raubt ihnen sowohl die Vergangenheit als auch die Zukunft. Besonders perfide ist die Zwangssterilisation der Frauen durch als „Impfung“ getarnte Hormonspritzen. Ob es den Männern ähnlich ergeht, ist nicht bekannt, denn es scheint, als wäre Gulbahar die Einzige, die ein solches Lager überlebt hat und darüber spricht. Vermutlich sind die wenigen Überlebenden an Körper und Seele gebrochen und leben in dauernder Angst, wieder verhaftet zu werden, um dann für immer zu verschwinden.


    Doch solange wir alle hier zusehen, wird sich wenig ändern. Die Frage ist nur, was können wir, jeder Einzelne tun, um diesem Völkermord Einhalt zu gebieten?


    Nach ihrer Rückkehr müssen Gulbahar und ihre Familie erleben, dass sich Freunde und Bekannte aus der uigurischen Community von ihnen zurückziehen. Warum ist Gulbahar freigekommen? Wen hat sie denunziert? Ist sie als Spionin zurückgekommen?

    Lange hat Gulbahar mit sich gerungen, dieses Buch unter ihrem richtigen Namen zu veröffentlichen. Ich verneige mich vor Gulbahar Haitiwaji, dass sie uns ihre Geschichte nicht vorenthält.


    Es ist, als bekämen die diffusen Nachrichten über den Genozid an den Uiguren nun ein Gesicht.


    Fazit:


    Ein aufwühlendes Buch, das sehr, sehr nachdenklich macht. Gerne gebe ich 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

    "Ein Tag ohne Buch ist ein verlorener Tag"


    "Nur ein Lesender kann auch ein Schreibender sein oder werden" (Maria Lassnig/1919-2014)

  • K.-G. Beck-Ewe

    Hat den Titel des Themas von „Gulbahar Haitiwaji - Wie ich das chinesische Lager überlebte“ zu „Gulbahar Haitiwaji - Wie ich das chinesische Lager überlebte / Rescapée du goulag chinois“ geändert.
  • Mein Fazit:


    Schon seit Jahren wird China international dafür angeprangert, in der Region Xinjiang sogenannte “Umerziehungslager” zu halten, um die ethnische Minderheit der Uiguren zu unterdrücken. Ihre Religion, die des Islam, ist der chinesischen Regierung ein Dorn im Auge. Denn der Islam hat sich in der Weltgeschichte bisher am deutlichsten als militant, fanatisch und extremistisch gezeigt. Die chinesische Regierung stellt die Minderheit der Uiguren unter Generalverdacht, Terroristen zu sein.


    Unter einem fadenscheinigen Vorwand wurde Gulbahar in ihre alte Heimat gerufen, weil sie als einzige in der Familie noch nicht die französische Staatsbürgerschaft beantragt hat, obwohl sie schon seit Jahren in Frankreich leben. Und kaum hat sie chinesischen Boden betreten, geht die Odyssee los. Mit vielen anderen Frauen erlebt sie tagtäglich Terror, Dauerbeschallung, schlechtes Essen, schlechte Hygiene, Zwangssterilisationen und noch so einiges mehr. Und das einzige Verbrechen, dessen sie angeklagt wird, ist, weil ihre Tochter sich in Frankreich dafür einsetzt, dass auf das Leid der Uiguren in China aufmerksam wird. Die Spione sind überall und die Methoden, ihre Interessen durchzusetzen, sind perfide und teilweise undurchschaubar. Man kann niemanden in China vertrauen, noch nicht einmal der eigenen Familie.


    Mich hat dieser Tatsachsenbericht schon erschüttert, aber wer die Nachrichten aufmerksam verfolgt, weiß es schon längst, auch wenn noch immer die chinesische Regierung es versucht zu vertuschen oder zu verharmlosen. Besucher bekommen nur indoktrinierte “Schüler” zu sehen, alle herausgeputzt (beim genaueren Hinsehen sollten die ausgemergelten und schmutzigen Körper zu sehen sein) und genauestens instruiert, wie sie sich zu verhalten haben. Ansonsten drohe ihnen schlimmes.


    Dies ist keine Geschichte für zarte Nerven. Es passiert jedoch jeden Tag auf der anderen Seite der Weltkugel – unter den Augen der Weltgemeinschaft und niemand hat den Schneid, dem Einhalt zu gebieten. Sehr bedauerlich.


    Ab etwa Mitte des Buches ließ die Spannung leider etwas nach. Dennoch war es interessant zu erfahren, wie Gulbahar aus den Fängen ihrer Folterer entkommen konnten. Obwohl ihren übrigen Familien-Mitgliedern in China Folter und andere Repressalien drohen, hat sie ihre Geschichte erzählt. Leider passiert es noch viel zu wenig, aber das Bewusstsein für diese unhaltbaren Zustände ist zumindest schon mal geschaffen und vielleicht gibt es ja noch Hoffnung, dass eines Tages die Situation für die Uiguren sich bessert.


    Vier von fünf Sterne und eine klare Lese-Empfehlung.