Eva Menasse - Der Holocaust vor Gericht: Der Prozess um David Irving

  • Inhalt (Quelle):

    Eva Menasses Bericht über einen Jahrhundertprozess

    Der Prozess, der in London im Januar 2000 beginnt, sucht seinesgleichen. Ohne Zeitzeugen, mit erstklassigen Historikern als Gutachtern, steht in gewisser Hinsicht der Holocaust vor Gericht.

    David Irving, von der amerikanischen Historikerin Deborah Lipstadt »einer der gefährlichsten Holocaust-Leugner« genannt, klagt seine Sicht der Dinge vor Gericht ein. Während er die Existenz der Gaskammern weiterhin bestreitet, fühlt er sich von Lipstadt verleumdet und macht sein Recht auf Meinungsfreiheit geltend. In Großbritannien liegt bei Verleumdungsklagen die Beweislast nicht beim Kläger, sondern beim Beklagten. Die Verteidigung hat daher einige der wichtigsten Holocaust-Experten der Welt aufgeboten, um einerseits Irvings skrupellosen Umgang mit Fakten, andererseits den systematischen Charakter der Ermordung der europäischen Juden durch die Nazis zu beweisen.

    Eva Menasse hat den Prozess in London über Monate verfolgt. Sie porträtiert Zeugen, Richter und Verteidiger in einem Verfahren, in dem noch einmal pedantisch nachgerechnet wurde, wie viele Menschen auf welche Weise ermordet wurden. Und ihr Interesse gilt David Irving, dem intellektuellen Anstifter eines neuen Rechtsradikalismus und Rassismus. Die Autorin zeigt seine Winkelzüge, seine Argumente und zeichnet darin das Gesicht des Revisionismus. Im April 2000 wurde das Urteil über David Irving gesprochen. Die Urteilsschrift umfasst über 300 Seiten. Es ist ein historisches Urteil.


    Zur Autorin (Quelle)

    Eva Menasse, geboren 1970 in Wien, begann als Journalistin und debütierte im Jahr 2005 mit dem Familienroman »Vienna«. Es folgten Romane und Erzählungen (»Lässliche Todsünden«, »Quasikristalle«, »Tiere für Fortgeschrittene«), die vielfach ausgezeichnet und übersetzt wurden. Preise (Auswahl): Heinrich-Böll-Preis, Friedrich-Hölderlin-Preis, Jonathan-Swift-Preis, Österreichischer Buchpreis, Mainzer Stadtschreiber-Preis und das Villa-Massimo-Stipendium in Rom. Eva Menasse betätigt sich zunehmend auch als Essayistin und erhielt dafür 2019 den Ludwig-Börne-Preis. Sie lebt seit über 20 Jahren in Berlin.

    Für ihr aktuelles Buch "Dunkelblum" erhielt sie 2021 den Bruno-Kreisky-Preis für das politsche Buch. (Quelle)


    Links zu diesem "Fall":

    https://de.wikipedia.org/wiki/David_Irving

    https://sciencev1.orf.at/news/18166.html


    Meine Meinung zum Buch:

    Es ist ein Bericht über den Verleumdungsprozess, den David Irving gegen Deborah Lipstadt bzw. den Penguin Verlag angestrengt hat, da sie ihn u.a. in ihren Büchern als Lügner, Holocaust-Leugner etc. bezeichnete,

    Laut englischem Recht (dort wurde die Klage eingebracht) muss der Beklagte beweisen, dass die Bezeichnungen der Wahrheit entsprechen.


    Eva Menasse hat hier meiner Meinung nach einerseits den Verfahrensablauf nachvollziehbar geschildert, und andererseits dem Leser/der Leserin gut die Unterschiedlichkeit erklärt, zwischen "Nachweis, dass es den Holocaust gab" und "Nachweis, dass Iriving absichtlich Fakten manipuliert, lügt, etc. und somit tatsächlich ein Holocaust-Leugner und Lügner sei". Etwas, das gerade in so einem Prozess leicht ineinandergreifen kann.


    Auch die Charakterisierung von Irving ist ihr meiner Meinung ganz gut gelungen sowie die Auseinandersetzung mit der Frage "Braucht man Menschen wie Irving als Gegenpol in der Wissenschaft? Jemanden der mit seinen Provokationen die Gegenseite dazu anregt, alles zu hinterfragen und noch genauer hinzusehen und nachzurecherchieren?"


    Auch der Umgang der Medien, der Verlage und der Historiker mit jemandem wie David Irving, lässt sie nicht unkommentiert und schildert auch hier die Schwierigkeiten.

    (u.a. auf der wissenschaftlichen Seite: Wie sehr kann ich mich auf Zeitzeugenaussagen bei der Aufarbeitung der Geschichte berufen? Wann wurden diese gemacht? Wenn ich kein Dokument über etwas habe - wie zb den Befehl über die Endlösung von Hitler selbst - heißt es dann zwangsläufig, dass es diesen Befehl nicht gab? Wie überprüfbar ist etwas bzw muss etwas sein? Hat man bei gewissen Schlüssen einfach nur geschaut, ob sie ins Konzept passen, oder auch andere Möglichkeiten in Betracht gezogen? etc.)


    Habe etwas zwischen 4,5 und 5 Sternen geschwankt, bin letztendlich aber bei :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: gelandet, weil ich es sehr gut fand, dass nicht nur der Ablauf geschildert wurde, sondern sich die Autorin auch meiner Meinung nach gute Gedanken zu der Problematik allgemein gemacht hat und diese für mich sehr neutral und objektiv angeführt hat, ohne ihre eigene Positionierung zu dominant in den Vordergrund zu stellen, bzw. die "Gegenseite" abzuurteilen. Es hatte meiner Meinung nach nichts missionierendes an sich.


    Bei ein paar Begriffen musste ich nachgoogeln, da mir die Bezeichnungen im englischen Rechtssystem nicht geläufig waren. Was mich auch überraschte war, dass dieser Prozess als Jahrhundertprozess bezeichnet wurde, ich damals (Jahr 2000) aber scheinbar nicht wirklich etwas mitbekommen habe. Liegt es an mir, oder wurde in den heimischen Medien weniger darüber berichtet als in London?


    Zusammenfassend kann ich nur sagen, dass ich dieses Buch sehr informativ fand. Es ist kein Roman, es ist ein Bericht inkl. Analysen der Autorin über einen tatsächlich stattgefundenen Prozess. Über ein paar Dinge grüble ich noch und werde mir dazu durchaus weiteres anlesen. Auf jeden Fall ein Buch, dass es verdient gelesen zu werden. Nicht nur für Interessierte bzgl des 2. Weltkrieges und dem Holocaust. Einerseits da die Fragen betreffend die Arbeit der Historiker allgemein erörtert werden, ebenso wie die Psychologie von Menschen wie David Irving (was macht seine Haltung aus, woher kommt diese Einstellung, etc.).

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    „An allem Unrecht, das geschieht, ist nicht nur der Schuld, der es begeht, sondern auch der, der es nicht verhindert.“

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