Tom Keene - Das Dschingis Khan Komplott / The Fuse

  • Tom Keenes Das Dschingis Khan Komplott hat eigentlich einen Plot, der per se die Grundlage für einen außerordentlichen Politthriller bietet: die Sowjetintervention in Afghanistan, verbunden mit der „Nachrüstung", d.h. der Stationierung von Pershing II und Cruise Missiles in Westeuropa. Dazu ein geheimnisvolles Grab einer herausragenden historischen Persönlichkeit mit aktuellem Bezug zur politischen Lage (bekannt etwa aus Will Adams' Gottesgrab) sowie ein neugieriger Sohn, der die geheimnisumwitterte Vergangenheit seines Vaters aufklären möchte, dabei jedoch von Geheimdiensten und dunkle Netzwerke behindert wird.


    Hätte etwas werden können.

    Hätte.


    Denn zum einen bleiben alle handelnden Personen schemenhaft - außer Namen und Berufe erfährt der Leser kaum etwas - sie wirken eher wie Skizzen einer Vorstudie zum Roman. Daher wirkt die Geschichte auch nicht richtig „griffig“, zieht trotz interessantem Kontext nicht „in den Bann“. Mag daran liegen, dass drei Handlungsstränge (Hallam/SAS-Team in Afghanistan/Rekruten-Ausbildung in der Sowjetarmee) parallel erzählt werden, ohne dass es zu irgendwelchen Überschneidungen kommt. Da der SAS-Handlungsstrang ebenso wie die Rekruten-Ausbildung detailliert über etliche Seiten ausgewalzt wird, führt dies zur steigenden Irritation des Lesers, der verzweifelt versucht, irgendeine Relevanz für den Hallam-Handlungsstrang zu erkennen.


    Selbst der Protagonist Gordon Hallam bleibt seltsam blass, ebenso wie sein Gegenspieler Lord Porterfield. So wandelt der Provinzlehrer aufreizend arglos durch die Story, schöpft - auch nachdem er unter die U-Bahn gestoßen und in eigenen Haus fast umgebracht wird - keinen Verdacht . Statt wenigstens daraufhin wachsam und mißtrauisch zu sein, bleibt er ein vertrauensseliger Tölpel - Mitte der 1980er (Erscheinung des Buches) bei all den TV- und Kino-Filmen über Watergate, illegalen CIA-Einsätzen etc. doch wenig glaubhaft.


    Zum andern verzichtet der Autor schlicht, überhaupt irgendeinen Spannungsbogen aufzubauen, sondern spielt von Anfang an „mit offenen Karten". Rätsel werden nicht sorgfältig aufgebaut, um kunstvoll lange offen gehalten zu werden und so Spannung zu erzeugen, sondern sofort aufgelöst: Der Leser weiß ab den ersten Seiten, dass es in Kriegszeiten eine Geheimaktion „Evangelium“ gab, der Vater des Protagonisten gezielt umgebracht wurde und dass dies Lord Porterfield veranlasste. Derselbe war bei der Geheimaktion Evangelium als „Johannes“ dabei und will alle direkten und indirekten, auch nur potentiellen Mitwisser der Geheimaktion liquidieren lassen. Über die Operation Boadicea, die Stationierung von Cruise Missiles in GB in stillgelegten Eisenbahntunnels, ist der Leser ebenfalls von Anfang an voll informiert, auch dass die angebliche US-Touristin Toni Johnson ein CIA-Auftragskiller ist und der täppische Hallam ihre offizielle „Zielperson". Damit fehlt alles, was einen Roman spannend macht: Doppelspiele, Spekulationen über den weiteren Verlauf, doppeldeutige Situationen, rätselhafte Äußerungen. Im Resultat ist die Geschichte für den Leser stets vorhersehbar und überraschungsarm, auch ein Erstleser hat das Gefühl, das Buch bereits schon einmal gelesen zu haben.


    Allerdings wären aus historisch-politischer Sicht zwei Gesichtspunkte positiv zu nennen: Zum einen den Einblick in die systematisch brutale Ausbildung in der Sowjetarmee, die gezielt zur Brechung nichtrussischer, vor allem islamischer Rekruten eingesetzt wurde und die Beleuchtung des aufkommenden Islamismus anhand der Turkvölker und der Afghanistan-Invasion 1979. Das entstehende pan-islamische Bewußtsein war beim Erscheinen des Romans Mitte der 1980er beileibe noch keine Selbstverständlichkeit, daher zeigt der Autor hier Weitblick. Da beide Themenkomplexe für die kommenden vier Jahrzehnte für die internationale und russische Politik bestimmend sein werden, kann man durchaus von einer prophetischen Sicht Keenes sprechen. Der Konflikt der russischen Führungsschicht gegenüber den nichtrussischen Minderheiten war und ist auch innerhalb der Russischen Föderation vorherrschend, über die islamischen Netzwerke muß man nach „nine/eleven“ sowieso nichts mehr ausführen.


    Fazit: Der Autor hat das mögliche Potential des Stoffs bei weitem nicht ausgeschöpft, sondern hat quasi eine Rohfassung veröffentlicht.

  • K.-G. Beck-Ewe

    Hat den Titel des Themas von „Das Dschingis Khan Komplott“ zu „Tom Keene - Das Dschingis Khan Komplott / The Fuse“ geändert.