Helen Bate - Peter in Gefahr: Mut und Hoffnung im Zweiten Weltkrieg / Peter in Peril: Courage and Hope in World War Two

  • Die Autorin (Quelle: Moritz Verlag): Helen Bate, geboren 1955 in Wolverhampton, England, arbeitete lange Jahre als Architektin, bevor sie sich mit über 50 Jahren (wieder) der Kinderbuchillustration zuwandte. 2005 gründete sie mit „Pictures to Share“ einen Verlag, der Bücher für Menschen mit Demenz verlegt. Helen Bate lebt in Shropshire, England.


    Andere Kindercomics von Helen Bate sind u.a. "The Creature" (2017), „Me and Mrs Moon“ (2018) „The Lost Child of Chernobyl“ (2021). In ihrem Verlag „Pictures to Share“ erschienen von ihr u.a. die Bildbände „Pets in Pictures“ (2009), "Travelling in Pictures" (2009), "Family Life in Pictures" (2010), "Childhood Days in Pictures" (2011), „Proverbs and Saying“ (2013), „Too Late to Learn to Drive: Dementia, Visual Perception and the Meaning of Pictures“ (2014) und "Funny Old World in Pictures" (2016).


    Klappentext (Quelle: Moritz Verlag): Peter, ein jüdischer Junge, wächst während des Zweiten Weltkriegs im besetzten Budapest auf. Er erzählt uns seine Geschichte. Sein ganz normales Kinderleben mit Schlittenfahren und Fußballspielen gerät plötzlich aus den Fugen: Erst ist es ein gelber Stern auf der Jacke, dann die Vertreibung aus dem eigenen Haus. Nur knapp entgeht Peter mit seiner Familie der Deportation und muss untertauchen ...


    Englische und deutsche Ausgaben:

    • Die englische Originalausgabe erschien im September 2016 unter dem Titel „Peter in Peril: Courage and Hope in World War Two“ als Hardcover bei Otter-Barry Books in Burley Gate, Herefordshire (48 Seiten), neu aufgelegt mit veränderter Einbandgestaltung im Januar 2019 als Paperback bei Otter-Barry Books in Hereford.
    • Die deutsche Übersetzung aus dem Englischen von Mirjam Pressler erschien im Jahr 2019 unter dem Titel „Peter in Gefahr: Mut und Hoffnung im Zweiten Weltkrieg“ im Moritz Verlag in Frankfurt am Main (48 Seiten).

    Mein Eindruck:
    Der Ansatz, eine Geschichte zu erzählen, die schon Siebenjährigen Einblicke in die Zeit des Holocaust eröffnet, geht auf: Bates Comic erzählt eine wahre Geschichte von ungarischen Juden, die für die Familie glücklich endet, aber dennoch nicht Verfolgung, Rassenhass, Ausgrenzung, Ressentiments, Angst, Flucht, Trennung und Terror ausspart. Der Blick nach Ungarn, in dem die Vernichtung der Juden erst vergleichsweise spät im großen Stil unter deutscher Besatzung ab 1944 begann, begrenzt den Zeitraum, in dem Terror, Angst und Menschenhass wüten können, was den emotionalen Druck für junge Leser etwas mindert. Ausgespart werden auch Denunziation und brutale Gewalt auf den Straßen: Die Übernahme einer kindlichen Perspektive gibt dem Geschehen eine fast spielerische Note.


    Sollte der Comic zu schulischem Einsatz kommen, können Lehrer bei Bedarf auch zu Beginn der Lektüre schon zu den letzten Seiten blättern und auf die Fotos der überlebenden Hauptfigur Peter verweisen, der als Opa in heutiger Kleidung mit seinen Enkeln dem Fotografen entgegen lächelt. Aber an sich hat die Autorin ihrem Buch den glücklichen Ausgang nicht eingeschrieben. Die alltäglichen Erfahrungen von Angst, Hunger, erfrorenen Zehen, Unsicherheit, auch Langeweile und Lebensgefahr vermitteln sich fast ungefiltert auf den Leser, wobei der freundliche, etwas eckige, bunt kolorierte, kinderbuchillustrationsartige Zeichenstil, dem oft die Ausweglosigkeit die Blässe in die Gesichter treibt, den Leser sowohl sicher aufzufangen scheinen, als auch den Staatsterror - wie durch eine Aufprallfläche verstärkend - erst richtig Furcht einflößend zeigen: das Erschrecken platzt in die Normalität!


    Gleichzeitig erzählt die Geschichte auch von Menschen, die sich mutig und eigenmächtig dem Terror entgegenstellen: Soldaten, die die Kinder beim Zusammentreiben der Juden willentlich „übersehen“, Mitbürger, die Verfolgte verstecken, Eltern, die im Geheimen gegen die Besatzungsmacht agieren. Und sie erzählt von der Kraft der Geschichten: von Peters buntem Märchenbuch mit Geschichten von Ritter, Dschungeln, Ozeanen, Tieren, Burgen und Entdeckern, das Peter und seine Geschwister, denen er tagtäglich daraus vorliest, immer in eine wahre Zauberwelt entführten, die ihnen das Ausharren in Verstecken und Kellerverschlägen erträglich machte, während auf den Straßen über ihren Köpfen der Krieg wütete. Das stärkste Sinnbild des Buches ist daher gewissermaßen auch die Hoffnung, dass es für den kindlichen Leser des Buches in der Gegenwart ebenfalls jemanden gibt, der ihm in Zeiten der Not ein so besonderes Geschenk macht, wie es Peter in Form des Märchenbuches von seiner Mutter erhielt. :pray:


    Ich bin sehr angetan von diesem behutsamen, nicht verharmlosenden, aber sehr eindrücklichen Buch über den Holocaust. Der Zeichenstil ist sehr stimmungsvoll: gut beleuchtete Panels, bunt, wenn auch mit reduzierter Farbigkeit, schöne Texturen. Es wird kaum mit dem Layout gespielt, wenn auch die Anordnung der Panels nicht starr schematisch erfolgt - aber der Comic will ja auch keine artistische Comickunst sein. Die Geschichte wird über eine große Anzahl an (rückblickenden) Erzählertexten des Jungen Peter vorangetrieben, die regelmäßig auf leere Panels verteilt werden, was die Textmenge zeichnerisch auflockert und den Leser inhaltlich sehr an die Hauptfigur bindet. Die Geschichte wird niemals überdramatisiert, sondern folgt direkt den ungewissen Wegen der Hauptfigur vom "langweiligen" Kinderalltag über Verfolgung und Untertauchen bis zur Befreiung der Stadt durch die Rote Armee und die direkte Nachkriegszeit. Ein informativer Bericht aus Kindersicht über einen Lebensabschnitt mit wenigen fiktionalisierenden Schlaglichtern, der mit einem dreiseitigen Infotext über den Holocaust in Ungarn und das Leben des echten Peters und seiner Familie in der Folgezeit endet.


    Ein sehr empfehlenswertes Buch, das mir auch für den Einsatz an Grundschulen sehr geeignet erscheint: vier :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: Sterne.

    White "Die Erkundung von Selborne" (115/397)

    Kellendonk "Buchstabe und Geist" (59/170)

    Figura/Mizielińscy "Wölfe" (39/262)


    :king: Jahresbeste: Gray (2024), Brookner (2023), Mizielińscy (2022), Lorenzen (2021), Jansson (2020), Lieberman (2019), Ferris (2018), Cather (2017), Tomine (2016), Raymond (2015)

    :study: Gelesen: 59 (2024), 138 (2023), 157 (2022), 185 (2021), 161 (2020), 127 (2019), 145 (2018), 119 (2017), 180 (2016), 156 (2015)70/365)
    O:-) Letzter Kauf: Kuhl "Helenes Familie" (23.04.)

  • Die englische Originalausgabe erschien im September 2016 unter dem Titel „Peter in Peril: Courage and Hope in World War Two“ als Hardcover bei Otter-Barry Books in Burley Gate, Herefordshire (48 Seiten).

    White "Die Erkundung von Selborne" (115/397)

    Kellendonk "Buchstabe und Geist" (59/170)

    Figura/Mizielińscy "Wölfe" (39/262)


    :king: Jahresbeste: Gray (2024), Brookner (2023), Mizielińscy (2022), Lorenzen (2021), Jansson (2020), Lieberman (2019), Ferris (2018), Cather (2017), Tomine (2016), Raymond (2015)

    :study: Gelesen: 59 (2024), 138 (2023), 157 (2022), 185 (2021), 161 (2020), 127 (2019), 145 (2018), 119 (2017), 180 (2016), 156 (2015)70/365)
    O:-) Letzter Kauf: Kuhl "Helenes Familie" (23.04.)

  • Das englische Original erlebte im Januar 2019 eine Neuauflage als Paperback mit veränderter Einbandgestaltung erneut bei Otter-Barry Books in Hereford.

    White "Die Erkundung von Selborne" (115/397)

    Kellendonk "Buchstabe und Geist" (59/170)

    Figura/Mizielińscy "Wölfe" (39/262)


    :king: Jahresbeste: Gray (2024), Brookner (2023), Mizielińscy (2022), Lorenzen (2021), Jansson (2020), Lieberman (2019), Ferris (2018), Cather (2017), Tomine (2016), Raymond (2015)

    :study: Gelesen: 59 (2024), 138 (2023), 157 (2022), 185 (2021), 161 (2020), 127 (2019), 145 (2018), 119 (2017), 180 (2016), 156 (2015)70/365)
    O:-) Letzter Kauf: Kuhl "Helenes Familie" (23.04.)

  • Ich bin sehr angetan von diesem behutsamen, nicht verharmlosenden, aber sehr eindrücklichen Buch über den Holocaust.

    Ich auch. Und drum bekam es das älteste Enkelliebchen vor 2 Jahren - und dem hat es auch gefallen.

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).