Anne Jacobs - Rückkehr in die Tuchvilla

  • Augsburg 1930:
    Die Bewohner der Tuchvilla sind gut durch die schwierigen Jahre nach dem Krieg gekommen. Marie und Paul Melzer freuen sich über ihren jetzt vierjährigen Nachzügler Kurt. Lisa hat mit dem politisch engagierten Sebastian Winkler ihr Glück als Ehefrau und Mutter gefunden. Und auch die quirlige Kitty ist endlich an der Seite des ihr seit Ewigkeiten ergebenen ehemaligen Hausdieners Robert zur Ruhe gekommen.
    Die Weltwirtschaftskrise hingegen legt ihre dunklen Schatten auch über die Melzer‘sche Fabrik. Paul kann längst keine lukrativen Aufträge mehr an Land ziehen. Er bangt um Mitarbeiter und Bedienstete, deren Gehälter er kaum noch auszahlen kann. Die Sorgen schlagen sich sogar auf seine Gesundheit, doch Paul will die Familie mit seinen finanziellen Problemen nicht belasten.
    Erst als der Verkauf der Tuchvilla zur Debatte steht, muss er die Karten offen auf den Tisch legen.


    Auch im vierten Band der Tuchvilla-Saga hat Anne Jacobs alle Register ihres Könnens gezogen. Mit nicht versiegender Begeisterung begleitet sie die Bewohner der Tuchvilla durch unruhige Zeiten, lässt ihre Hörer gleichermaßen am Leben von Herrschaft und Bediensteten teilhaben. Bedingt durch die schwierige wirtschaftliche Lage zeigt sich die Solidarität der Angestellten mit ihren Arbeitgebern, und sorgt für sehr berührende Momente.
    Besonders liebenswert hat die Autorin den 14jährigen Leo dargestellt, der seiner großen musikalischen Begabung abschwören will, um eines Tages die Fabrik weiterführen zu können. Und doch will es ihm nicht gelingen, die Melodien und Töne aus seinem Kopf zu vertreiben. Der Zwiespalt, in dem sich der Knabe befindet, seine Bemühungen, sich für die Fabrik zu interessieren und dem Vater zu gefallen, werden sehr einfühlsam beschrieben.
    Nicht weniger sympathisch tritt uns Leos Zwillingsschwester Dodo entgegen, die wiederum das große technische Talent ihres Großvaters Jakob Burkard geerbt hat. Mit ihrem Interesse für derart „unweibliche“ Beschäftigungen entspricht sie ebenfalls nicht den Erwartungen, die damals an Töchter aus gutem Hause gestellt wurden.
    Sehr interessant ist auch der Handlungsstrang, der die Hörer auf das Gut nach Pommern entführt. Das Küchenmädchen Liesl, ein „Fehltritt“ des Gutsverwalters und potentiellen Erben Klaus von Hagemann, bringt den Stein ins Rollen und ruft die Gutsbesitzerin Elvira von Maydorn auf den Plan, die noch für manche Überraschung sorgen wird.
    Wie auch in den Vorgängerbänden gelingt es Anne Jacobs vortrefflich, ihren Protagonisten Authentizität zu verleihen. Mit individuellen Eigenschaften ausgestattet, haben sie einfach Wiedererkennungswert und sind mir mit jedem neuen Buch mehr und mehr ans Herz gewachsen.
    Die Handlung verläuft dynamisch und rasant, die Autorin zeigt auch im vierten Band der Serie keine Ermüdungserscheinungen und sprudelt geradezu vor Ideen und überschäumender Fantasie.
    Besonders hervorzuheben ist die Leistung der Sprecherin Anna Thalbach. Ihre Stimme verleiht den Figuren erst Leben, sodass der Hörer meint, mitten im Geschehen dabei zu sein. Unvergessen wird mir ihre Interpretation von Kinderstimmen und der weinender Frauen bleiben.
    Total begeistert vom vorliegenden Band, hoffe ich, dass wir noch viel von der Tuchvilla und ihren Bewohnern hören (bzw. lesen) werden.