Marianne Philips - Die Beichte einer Nacht / De biecht

  • Kurzmeinung

    claudi-1963
    Eine recht schwermütige Geschichte, die nur aus einem Monolog besteht. Eine Frau zwischen Liebe, Eifersucht und Manie.
  • Großartiges Werk!

    Marianne Philips war eine Autorin, die ihrer Zeit weit voraus war. Der vorliegende Roman entstand bereits 1930. Doch hat er an Aktualität nichts eingebüßt. Es geht um das Leben einer jungen Frau, Heleen, und wie ihr Leben weitergeht bis sie schließlich in einer Nervenheilanstalt endet. Wie es dazu kam, erzählt uns Heleen selbst, sie berichtet einer Krankenschwester in einer Nacht von ihrem Leben. Als Kind musste sie auf ihre kleine Schwester Lientje aufpassen und sich nachts um sie kümmern, da die Mutter es nicht schaffte. Der Vater war religiös und dann bettlägerig. Heleen arbeitete bei einer Schneiderin und traf dort Groenmans. Als sie älter wurde, begann sie eine Affäre mit ihm und er verschaffte ihr eine Stellung in einer Stadt, so dass sie ihr Zuhause verlassen konnte. Sie machte Karriere, verdiente viel Geld, doch sie war einsam und als sie merkte, dass sie alt wurde, heiratete sie in einer Verzweiflungstat Charles. Als ihre Mutter starb, nahm sie Lientje bei sich auf und baute sich mit ihr ein neues Leben auf, zu dem auch ihre große Liebe Hannes gehörte. Doch das Schicksal meinte es nicht gut mit ihr und es kam zu dramatischen Ereignissen.


    Absolut lesenswert und packend. Der Leser möchte unbedingt wissen, wie es mit ihr weiterging und warum sie in der Anstalt ist. Sehr gut geschrieben!


    Das Cover finde ich auch sehr passend, da Heleen eine Dame mit Stil und von Welt war.

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  • Squirrel

    Hat den Titel des Themas von „Die Beichte einer Nacht“ zu „Marianne Philips - Die Beichte einer Nacht / De biecht“ geändert.
  • Ich finde es immer wieder spannend Bücher zu lesen, die schon vor langer Zeit geschrieben wurden und damit auch den damaligen Zeitgeist quasi schon einatmen. Eine solche Rarität liegt mit diesem Buch von Marianne Philips vor, das erstmals 1930 auf niederländisch veröffentlicht wurde.

    Inhaltlich geht es um Heleen, eine Insassin in einer Nervenheilanstalt, die einer Nachtschwester in zwei Nächten unverblümt von ihren Leben, ihren Erfahrungen, dem Glück und dem Scheitern erzählt. Beim Lesen erfährt mensch als Leser_in viel über die Ich - Erzählerin, die über das gesamte Buch den Stil der Erzählung aufrecht erhält. Es wird aber auch deutlich, unter welchen gesellschaftlichen Bedingungen Menschen damals leben mussten und welche Möglichkeiten und Grenzen damals vorhanden waren.

    Spannend finde ich, das dieses Buch während einer Psychotherapie der Autorin entstand und sie hier viele eigene Lebenserfahrungen verarbeitet. So entsteht mit der Zeit das Bild einer Frau, die für ihren eigenen Lebensweg kämpfte und nicht bereit war, sich mit den Krümeln zufrieden zu geben, wenn es doch die Möglichkeit gibt, die Hälfte des Kuchens zu erhalten.

  • Psychogramm

    Die Lektüre vermittelt einen intimen Einblick in die seelische Verfassung einer Frau in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Ich-Erzählerin gibt vor, gegenüber der Nachtschwester einer psychiatrischen Klinik eine Lebensbeichte abzulegen, aber die Situation legt nahe, dass es sich nur um eine Fiktion handelt. Einerseits lassen die fehlenden Reaktionen der vorgeblichen Zuhörerin vermuten, dass die Kommunikation nur imaginiert ist, andererseits wird sehr deutlich, dass die Gemütslage dieser Frau sie definitiv unfähig macht, sich gegenüber einem anderen Menschen zu öffnen. Die bigotte, frömmelnde Atmosphäre des Elternhauses bildet den Ausgangspunkt zur Ausbildung dieser absoluten Verschlossenheit der Protagonistin. Aufgrund ihrer Position als älteste Tochter wird ihr übermäßig viel Arbeit und Verantwortung für die kontinuierlich wachsende Geschwisterschar aufgebürdet. Glasklar erkennt sie die Lage der vollkommen ausgelaugten Mutter und den schreienden Egoismus des Vaters und seine Verlogenheit. Eine frühe Abtötung aller Regungen ist das Ergebnis ihrer frühen Erfahrungen. Aufschlussreich, dass die klarste und glückhafteste Erinnerung ein vergeblicher Ausbruchsversuch in sehr jungen Jahren darstellt, wenige Stunden eines vorher nie erlebten, aber umso mehr genossenen Alleinseins. Die sich anschließenden Stufen ihrer Entwicklung lassen einen Wesenszug immer deutlicher hervortreten: nie kann sie voller Überzeugung sich ihrer Individualität gewiss sein. In allen Stadien ihrer Berufstätigkeit, in allen Partnerschaften wirkt sie wie ferngesteuert. Im erstgenannten Lebensbereich genügt sie von außen an sie herangetragenen Ansprüchen, in ihren Beziehungen kommt es nie zu einem Miteinander. Gerade in diesem Bereich der Erotik erweist es sich, dass diese Persönlichkeit von Anfang an eingeschränkt, verkümmert, verdorrt ist. Wie pathologisch ihre Charakteranlage ist, erweist sich gerade in der letzten Beziehung, der vollkommen überhöht dargestellten Liebe zu Hannes. Ihm kann sie kein liebendes Gegenüber sein, folgerichtig, dass auch die Bindung an die Schwester sich als Chimäre erweist. Die als Konsequenz sich ergebende Katastrophe sorgt dafür, dass sie zur Insassin einer Heilanstalt wird. Beeindruckend, mit welchem Feingefühl, mit welcher Einsicht bereits im Jahr 1930 ein solches Psychogramm zu zeichnen vermag.

    Mein Urteil: 4 Sterne

  • Seit sieben Monaten befindet sich Heleen nun schon in einer Nervenklinik. Mit dem Arzt möchte die Frau nicht reden. Doch eines Nachts beginnt sie, sich einer Schwester anzuvertrauen. Sie legt die Beichte ihres dramatischen Lebens ab und offenbart, womit sie sich Schuld aufgeladen hat.


    „Die Beichte einer Nacht“ ist ein Roman der verstorbenen Autorin Marianne Philips, der bereits 1930 entstanden ist.


    Meine Meinung:

    Der Roman besteht aus zwei Teilen. Diese wiederum sind in Absätze, jedoch nicht in Kapitel untergliedert. Beide Teile sind als lange Monologe angelegt. Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht der Protagonistin. Diese Idee gefällt mir, wobei die Umsetzung manchmal ein wenig bemüht wirkt.


    Die Sprache ist unauffällig und recht simpel. Der Stil ist geprägt von nüchternen Beschreibungen und einigen kurzen Wortwechseln. Negativ sticht der geringe sprachliche Variantenreichtum hervor.


    Ein großes Manko des Romans ist die charakterliche Ausgestaltung der Protagonistin, die zwar authentisch wirkt und über psychologische Tiefe verfügt, aber auch wenig Mitgefühl bei mir hervorgerufen hat. Heleen ist zwar ehrlich und stark, zugleich jedoch auch eine äußerst oberflächliche, eitle, egoistische und berechnende Persönlichkeit.


    An der Lektüre hat mich das Setting sehr gereizt. Was mag eine psychisch kranke Frau zu beichten haben? Worin besteht ihr Leiden? Wie ist sie in der Anstalt gelandet? Leider ist die Geschichte allerdings schon früh recht durchsichtig. Die eigentliche Beichte habe ich bereits im ersten Viertel geahnt. Dadurch hat der Spannungsbogen für mich nicht funktioniert. Zudem enthält das letzte Viertel ein unglaubwürdiges esoterisches Element, das nicht zum Rest der Geschichte und dem Charakter der Protagonistin passen will.


    Ganz interessant ist das von Judith Belinfante, der Enkelin der Autorin, im Jahr 2019 verfasste Nachwort. Es zeigt Parallelen zum Leben von Marianne Philips auf und erläutert die Entstehung des Romans. Dabei wird deutlich, wie ungewöhnlich das Schreiben für eine Frau ihrer Zeit war, noch dazu so offen und konkret über psychische Leiden. Der Roman ist für die damalige Verhältnisse also sehr modern und progressiv, was man der Autorin positiv anrechnen muss.


    Das auf dem Cover abgebildete Gemälde passt sehr gut zur Protagonistin. Der deutsche Titel ist etwas irreführend, weil sich die Beichte über zwei Nächte erstreckt. Der prägnante Originaltitel („De biecht“) ist daher treffender.


    Mein Fazit:

    „Die Beichte einer Nacht“ von Marianne Philips ist ein für seine Entstehungszeit bemerkenswerter Roman, der mich in Gänze aber nicht überzeugen konnte. Eine nur bedingt zu empfehlende Lektüre.


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  • "Nein, ich bin nicht verrückt - mir ist jetzt klar, dass dies hier nicht die Hölle ist - bis auf die wenigen Male, die ich wieder vergesse, dass ich in einer Nervenklinik in der normalen Welt bin." (Buchauszug)

    Während zwei Nächten in einer Nervenklinik vertraut Heleen der Nachtschwester vom Dienst ihre Lebensgeschichte an. Dabei erzählt sie von ihrer Kindheit in einer protestantischen Großfamilie. Als Älteste der Kinder muss sie schon früh im Haushalt mithelfen und ihre anderen acht Geschwister versorgen. Als dann der Vater einen Unfall erleidet und fortan bettlägerig ist, erhält sie noch mehr Verantwortung. Unverhofft kommt dann noch ihre jüngste Schwester Lientje zur Welt, für die Heleen fast wie eine Art Mutterersatz wird. Eine viel zu frühe Anstellung lässt sie dann aus ihrem Elternhaus entfliehen. Durch ihre Schönheit findet sie später einen reichen Mann, den sie heiratet und mit dem sie nie glücklich wird. Erst nach der Trennung von ihm lernt sie ihre wahre Liebe kennen, die sie durch ihre Eifersucht und Zweifel selbst zerstört.


    Meine Meinung:

    Die Geschichte "Die Beichte einer Nacht", entstanden im Jahr 1930, ist in vielen Dingen eine Geschichte, die noch immer modern ist. Selbst heute noch können Ängste, Zweifel, Depression und Eifersucht oft zu Katastrophen führen. Aufgebaut ist sie einzig und allein auf Heleens Monolog in diesen beiden Nächten.Trotz allem ist dies kein einfacher Roman, den man mal so nebenbei liest, da er doch recht anspruchsvoll und deprimierend ist. Schon alleine die Kindheit von Heleen, die im Grunde gar keine hatte, da sie viel zu früh Erwachsen sein musste. Zudem heute völlig unverständlich, dass ein Ehepaar zehn Kinder in die Welt setzt, obwohl sie körperlich und von ihren Verhältnissen aus sich diese gar nicht leisten können. Doch sicher waren Kinder zur damaligen Zeit die Altersversorgung der Eltern. Sie mussten sich um die Eltern kümmern, ob materiell oder fürsorglich sie später oft noch pflegen. Von daher hatten gerade ärmliche Familien viele Kinder, um im Alter gut versorgt zu sein. Außerdem war zu dieser Zeit das Thema Verhütung natürlich nicht so weit wie heute und bei einer gläubigen Familie schon gar nicht. Waren doch für sie Kinder ein Geschenk Gottes. Doch zurück zu Heleen, die in zwei Nächten einer Krankenschwester ihr ganzes unglückliches Leben beichtet. Wenn man es liest, kann einem diese Frau wirklich leidtun. Hat sie doch in ihrem Leben nie richtig das Glück gefunden und als sie es hatte es sich selbst kaputtgemacht. Die Niederländerin Marianne Philips schildert hier ein Frauenbild, das zu jener Zeit, als das Buch entstand, sicherlich prägnant war. Kein Wunder, das ihr Buch zur damaligen Zeit viele Skeptiker hatte. Man muss sich vorstellen, dass zu jener Zeit Frauen oft noch gar nicht oder erst seit Kurzem wählen durften. Man musste die Ehemänner um Erlaubnis fragen, wenn man einen Beruf ausüben oder zur Schule gehen wollte und der Haushalt lag einzig und alleine in den Händen der Frau. Genauso erging es meist den Töchtern, die oft nie eine andere Wahl haben, sich ihr Leben selbst auszusuchen und stattdessen in eine Arbeitsstelle oder Heirat gedrängt wurden, wo sie vielleicht nie glücklich wurden. Kein Wunder, das diese Frauen oft mit Ängsten, Zweifel, Sehnsüchten und Depressionen behaftet waren wie Heleen. Jedoch sie versucht aus diesem Teufelskreis auszubrechen und heiratet einen reichen Mann. Leider entdeckt sie erst viel zu spät, dass sie ihn gar nicht liebt, sondern sogar abstoßend findet. Dass sie sich von ihm scheiden lässt, war damals sicherlich genauso selten gewesen. Die Autorin selbst, ebenfalls geprägt durch ihre schwere Kindheit und den viel zu frühen Tod ihrer Eltern, musste sich wie Heleen um ihre Geschwister kümmern, statt die Schule abzuschließen. Kein Wunder also, das sie versucht von der Familie weg zukommen, ihre Schule nachholt und eine leidenschaftliche Aktivistin wird, um für Verbesserungen und die Rechte von Frauen zu kämpfen. Diese Leidenschaft spiegelt sich selbst in diesem Buch wider. Zudem ist viel Biografisches enthalten, dass die Autorin eigens erlebt hat. Sie war sicherlich ihrer Zeit voraus, als sie hier diese Gedanken zu Papier brachte und sie wäre garantiert glücklich über das heutige Frauenbild. Selbst das ich mit Heleens persönlicher Sichtweise nicht immer klargekommen bin, was wahrscheinlich an ihrer psychischen Erkrankung lag, gebe ich dem Buch 4 von 5 Sterne.
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