Sibel Daniel - Bündnis der Herzen

  • Allenfalls Mittelmaß

    1945 Süddeutschland. Der Krieg treibt viele Menschen zum Äußersten, so auch Helene mitsamt ihren Töchtern Gertrude und Klara. Helene betreibt mit ihren Töchtern den familieneigenen Hof und kümmert sich um die Landwirtschaft, solange ihr Mann im Krieg an der Front kämpft. Die drei Frauen werden nur von dem französischen Zwangsarbeiter Gilbert unterstützt. Als ein Polizist sich Helene gegenüber Frechheiten herausnimmt und sie missbrauchen will, greift die jüngere Tochter Gertrud zum Gewehr und erschießt ihn. Gilbert, der verdeckt für die Resistance arbeitet und schon eine Weile in Klara verliebt ist, unterstützt die Frauen dabei, sich der Leiche zu entledigen. Dann kommt die SS ins Dorf…


    Sibel Daniel hat mit „Bündnis der Herzen“ einen unterhaltsamen historischen Roman vorgelegt, der nicht nur eine Gemeinschaft von Dorfbewohnern und Zwangsarbeitern im letzten Kriegsjahr beleuchtet, sondern sich vornehmlich mit der Geschichte über Helene und ihre Töchter beschäftigt, die ungewollt in eine sehr prekäre Situation geraten, die sie alle in Gefahr bringt. Der flüssige und bildhafte Schreibstil gibt dem Leser die Möglichkeit, nicht nur in der Zeit zurückzureisen, sondern auch Teil der Dorfgemeinschaft zu werden, um die dortige Lage und die zwischenmenschlichen Beziehungen untereinander zu beobachten. Die Autorin beschreibt anhand der kleinen Dorfgemeinschaft, wie bedrohlich und gefährlich das gegenseitige Misstrauen ist, dass das Zusammenleben nicht nur schwierig macht, sondern alle regelrecht an die Grenzen der Belastbarkeit bringt. Hier geht es nicht nur um Gewissensfragen, Neid und Missgunst, auch die Frage, wem man noch vertrauen kann und welche Entscheidungen man in der jeweiligen Situation selbst treffen würde, stehen im Raum. Dass die Geschichte sich auf zwei Bände erstrecken würde, ist nirgendwo erwähnt und umso mehr ärgerlich, da das Ende eher unbefriedigend ist und man sich eigentlich genötigt sieht, noch den zweiten Teil zu lesen, um die Handlung bis zum Ende zu verfolgen. Der Spannungsbogen liegt eher im Mittelfeld und steigert sich auch nicht wesentlich bis zum Schluss.


    Die Charaktere sind mit menschlichen Ecken und Kanten ausstaffiert, die sie glaubwürdig wirken lassen. Trotzdem fehlt das gewisse Etwas, das den Leser an sie bindet und die Nähe erzeugt, um mit ihnen gemeinsam zu fiebern und zu fühlen. Helene ist eine hart arbeitende Frau, die sich und ihre Kinder unversehrt durch den Krieg bringen will. Doch ein Erlebnis zerstört ihre Welt von heute auf morgen, so dass sie in Angst um sich und ihre Lieben leben muss. Klara und die jüngere Gertrud unterstützen ihre Mutter, so gut es geht, die drei halten fest zusammen. Gilbert ist ein sympathischer Kerl mit einigen Geheimnissen, der das Herz am rechten Fleck hat. Aber auch die weiteren Protagonisten sind relevant für den Handlungsverlauf.


    „Bündnis der Herzen“ ist ein durchaus lesbarer historischer Roman, dem es etwas an Spannung mangelt. Gegenüber anderen Büchern dieses Genres ist diese Handlung allerdings nur durchschnittlich zu nennen. Eingeschränkte Leseempfehlung.


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    Bücher sind Träume, die in Gedanken wahr werden. (von mir)


    "Wissen ist begrenzt, Fantasie aber umfasst die ganze Welt."
    Albert Einstein


    "Bleibe Du selbst, die anderen sind schon vergeben!"
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    gelesene Bücher 2020: 432 / 169960 Seiten

  • Bündnis der Herzen ist kein herkömmlicher Kriegsroman. Es wird an keiner Front gekämpft, selten geschossen. Es gibt keine Helden. Es geht vielmehr um Kriegsbewältigung. Wie gehen Menschen damit um, wenn ihre bekannte Welt zerbricht? Und wie weit gehen sie, um sich zu retten?


    Dabei fühlt der Leser sich niemals einfach nur als Beobachter, sondern durch die fein gezeichneten Charaktere immer als Beteiligter. Er ist mitten drin. Und nicht nur einmal habe ich das Buch zur Seite gelegt, um darüber nachzudenken, was ich persönlich in der jeweiligen Situation gemacht hätte.


    Der Roman beginnt damit, dass die kleine Gertrude nach Hause kommt und einen Nazipolizisten dabei erwischt, wie er ihre Mutter vergewaltigen will. In ihrer Not erschiesst sie ihn mit der Wehrmachtspistole ihres Vaters. Mit Hilfe von Gilbert, einem französischen Zwangsarbeiter, der sich später als Spion entpuppt, beseitigen sie die Leiche. Die Geschichte nimmt rasant an Fahrt auf.


    Der Spannungsaufbau ist gekonnt komponiert, so dass man das Buch in einem Rutsch durchlesen will. Das Ende ist offen gehalten. Was mir persönlich sehr gut gefällt. Denn auch darüber gibt es viel nachzudenken. Doch freu ich mich natürlich über den Folgeroman, der in den 50er Jahren spielen wird.


    Fazit: Sibel Daniel ist ein außergewöhnlicher Roman gelungen, ein spannungsgeladener, berührender Roman, der Drama, Krimi, Liebes- und Familiengeschichte in einem ist.


    Lesenswert!:bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Mein Romandebüt "Bündnis der Herzen" ist ein Familiendrama das in die Endphase des zweiten Weltkriegs gelegt ist. Es ist ein Roman zur neueren Deutschen Geschichte, kein „typischer“ Historien Roman. Um der mit dieser Definition verbundenen Erwartungshaltung etwas entgegenzusetzen bat ich den BücherTreff den Roman in die neutrale Kategorie Roman/Erzählungen zu setzen. Sehr würde mich dazu die Meinung der Leserschaft interessieren.


    Ich vermute es ist in diesem Forum nicht üblich, dass an dieser Stelle der Autor spricht, doch aus gegebenem Anlass habe ich mich dazu entschlossen es zu tun und über meinen Roman zu sprechen.


    In einem Leser-Interview eines anderen Literatur-Forums wurde ich gefragt, wie ich dazu kam eine Geschichte zu schreiben, die in dieser Zeit spielt. Ich möchte meine Antwort hier wiedergeben:


    „Diese Zeit prägte eine ganze Generation – hat sie traumatisiert. Alles was sie nachfolgend taten, dachten, fühlten, wie sie agierten, war davon beeinflusst. Sie legte die Weichen für uns, die nachfolgenden Generationen. Ich wollte die Zusammenhänge besser verstehen. Nicht aus der wissenschaftlichen Sicht, sondern aus der Emotionalen. Vor allem wollte ich nachspüren wie es möglich war, dass ein menschenverachtendes Regime, solange, beinahe unbehelligt schalten und walten konnte. Und wie es dazu kam, dass ein Großteil der Bevölkerung einfach nur zusah und damit die Taten legitimierte.“


    Das Thema beschäftigte mich das erste Mal, da ging ich in die fünfte oder sechste Klasse und wir nahmen das Thema im Geschichtsunterricht durch. Ich kann mich immer noch an mein Entsetzen erinnern und ich fühlte mich diffus schuldig. Obwohl ich zu dieser Zeit ja noch nicht einmal geboren war. Und ich fragte mich, was ich damals gemacht hätte. Hätte ich weggeguckt, wäre ich ein Mitläufer gewesen? Oder hätte ich mich aufgelehnt?


    Also dachte ich mich in diese Zeit hinein, erfand Personen, einfache Leute, die in dieser Zeit, unter diesen Umständen, agierten, dachten, liebten, hassten. Denn das war es, was mich interessierte. Nicht die große Weltpolitik, sondern wie gingen ganz normale Leute mit der Situation und den Begebenheiten damals um.


    Nun muss man wissen, dass Süddeutschland, zumindest im ländlichen Gebiet, vergleichsweise milde durch das Kriegsgeschehen kam. Auf dem Land wurde nicht wirklich gehungert, sie mussten nicht flüchten. Den Bauernfamilien wurden Zwangsarbeiter zur Seite gestellt, die die Arbeitskraft der in den Krieg gezogene Männer ersetzen sollte. Doch die Gemeinschaft aus Einheimischen und Zwangsarbeitern führte unweigerlich in einen Interessenkonflikt.


    Hauptprotagonisten sind Helene und ihre beiden Töchter Klara und Gertrude, deren Vater als vermisst gilt. Sie freunden sich mit dem französischen Zwangsarbeiter Gilbert an. Gilbert ist hin und her gerissen, zwischen seinem Hass auf Nazi-Deutschland und seiner Zuneigung zu der kleinen Familie.


    Als Helene von einem Nazi-Polizisten beinahe vergewaltigt wird und die kleine Gertrude ihn in Notwehr erschießt, begraben sie ihn mit Gilberts Hilfe unter einem Pflaumenbaum im Garten. Doch nun ist das Leben der Familie bedroht. Denn nicht nur die Polizei ermittelt, sondern auch die SS kommt ins Dorf.


    Ich habe den Roman in Personenkapitel geteilt. Es war mir wichtig die Geschichte aus verschiedenen Perspektiven ganz individuell zu erzählen, um die Beweggründe der verschiedenen Protagonisten (auch für mich) besser nachvollziehen zu können, und so eine Antwort auf meine zuvor gestellten Fragen zu bekommen.


    Der Spannungsbogen ist so aufgebaut, dass alle Handlungsstränge in den finalen Moment münden, in dem Süddeutschland von der Französischen Armee erobert wird. Das Ende ist offen gehalten. Stirbt Gilbert zum Schluss oder kann ihn die kleine Gertrude retten? Erst im Epilog löst sich das andeutungsweise auf. Was mir von vielen Lesern übel genommen wird. Das tut mir natürlich leid. Denn ich selbst liebe es, wenn das Ende eines Romans viel Interpretationsspielraum lässt. Doch ich kann verstehen, dass „man“ wissen will, wie es weiter geht. Deshalb habe ich einen Folgeroman geschrieben, der in den 50er Jahren spielt. Sechs Jahre nach dem Ende von Bündnis der Herzen. Nächstes Jahr wird er veröffentlicht.


    Und ja, ich kam der Antwort meiner zuvor gestellten Fragen ein kleines Stück näher. Gerne würde ich mich darüber mit Interessierten austauschen und diskutieren.