Bettina Belitz – Aqua Mystica. Ruf des Meeres

  • Klappentext/Verlagstext
    Für Vicky geht ein lang gehegter Traum in Erfüllung, als ihr Onkel Till sie zum Tauchen in einer Unterwasserhöhle, eine sogenannten Cenote, mit nach Mexiko nimmt. Zwar weiß sie, dass in der Tiefe auch unbekannte Gefahren lauern können, doch schon beim Schnorcheln verfällt sie dem Zauber der Unterwasserwelt. Als Till bei einem Tauchgang von einem mysteriösen Wasserwesen verletzt wird, kann Vicky es zunächst nicht glauben: Wer oder was verteidigt hier sein Reich gegen die menschlichen Eindringlinge?


    Die Autorin
    Bettina Belitz (*1973) wusste schon früh, wo die berufliche Reise hingehen würde: Weil sie, wie sie sagt, „in die Magie der Buchstaben“ verliebt war, kam nur ein Studium der Literatur- und Medienwissenschaft in Frage. Anschließend schlug sie die Journalistenlaufbahn ein, wurde Redakteurin bei „Die Rheinpfalz“. Nebenbei arbeitete sie frei für verschiedene Medien und schrieb – zur Entspannung – Fantasygeschichten, die sie auszugsweise in ihrem Blog veröffentlichte. Dort blieben sie nicht lange unentdeckt: Eine Literaturagentin wurde auf die Texte aufmerksam, und im Handumdrehen entstand das erste Buch („Splitterherz“), dem schnell weitere folgen sollten. Die gebürtige Heidelbergerin lebt mit ihrem Sohn in einem Dorf im Westerwald.


    Inhalt
    Vickys Onkel Till wird als Berufstaucher auf der Halbinsel Yucatan den unterirdischen See eines Höhlensystems erkunden – und die 14-Jährige will ihn unbedingt begleiten. Vicky ist eine hochsensible Einzelgängerin, die mit Gleichaltrigen wenig anfangen kann und aufgrund ihrer Schuppenflechte vermutlich stärker behütet wird, als gut für ihr Heranwachsen ist. Zufällig hört das Mädchen mit, wie ihre Adoptivmutter Sandra sich dafür einsetzt, dass sie und Vicky in Mexiko wenigstens kurz zu Tills Tauchgruppe stoßen dürfen. Schließlich ist eine Cenote, eine Karsthöhle in einem Höhlensystem, gerade für Vicky hochinteressant; denn sie ist leidenschaftliche Schwimmerin und pflegt selbstständig ein Aquarium. Für Frau und Tochter eines Berufstauchers erstaunlich unvorbereitet und unbedarft, reisen Sandra und Vicky mit nach Mexiko und kommen im Camp der Tauchergruppe im Zelt unter. Sandra hat bereits vor der Abreise das sichere Gefühl, dass die Mexiko-Reise ihr Leben grundlegend ändern wird. Im Camp setzt sich die Unbedarftheit der Frauen fort. Eine Jugendliche mit Hauterkrankung unvorbereitet in tropischem Klima, barfuß Herumtappen in einem unbekannten Ökosystem – und dort wartet die Cenote, die von Anfang an auf Vicky eine starke Anziehung ausübt. Als Tills internationales Tauchteam in der Tiefe ein Wesen mit extrem spitzen Zähnen aufstöbert und Till sogar verletzt wird, gibt es für Vicky kein Halten mehr. Sie muss das Wesen vor den Männern retten – und trifft auf einen Meermann, der sie persönlich weit stärker anzuziehen scheint als sein Lebensraum.


    Die 14-Jährige Vicky erzählt von ihrer besonderen Beziehung zum Wasser aus der Ichperspektive und setzt damit Bettina Belitz‘ Lesern den Tücken der Perspektivwahl aus. Vicky kann nur erzählen, was sie wahrnimmt. Bei einer einzelgängerischen Pubertierenden wie ihr wirkt diese Sicht bereits sprachlich zu egozentrisch und im Kreisen um sich selbst für Leser ermüdend. Vickys endlose Beschäftigung mit ihren Haaren z. B. halte ich für perspektivisch falsch, da sie als Erzählerin sich nicht selbst betrachtet, sondern damit beschreibt, was andere wahrnehmen und ansprechen müssten.


    Fazit
    Als Angehörige eines Berufstauchers fand ich weder Sandra noch Vicky glaubwürdig. Vicky schwärmt in pubertärer Widersprüchlichkeit zwar für ihren sehr jungen Adoptivvater, hat aber offenbar noch nicht entdeckt, dass Wissen über das Meer und das Tauchen sexy ist und sie zu einer Gesprächspartnerin auf Augenhöhe machen würde. Sandra wird anfangs als oberflächliches, tussihaftes Wesen mit platter Ausdrucksweise gezeigt, das ich völlig unglaubwürdig finde und das die Geschichte nicht braucht. Till und Nox konnten mich mit ihrem aufgesetzten Jargon auch nicht überzeugen. Zu den Fallstricken der Erzählperspektive kommen die Tücken der All-Age-Literatur, die von Erwachsenen gelesen wird und nicht konsequent für jugendliche Leser formuliert ist.


    Großdruck?
    Edel Kids Books vermarktet das Buch für Leser ab 11 und signalisiert - widersprüchlich - mit extremem Großdruck, dass es sich um ein Buch für ungeübte Leser ab 9 handeln könnte. Für diese Zielgruppe müsste der Text allerdings von Satzungetümen und unnötigen Füllwörtern befreit werden. Für wirklich sehbehinderte Leser wäre das Schriftbild hilfreich – aber warum wird das Buch dann nicht deutlich als Großdruck beworben?


    Altersempfehlung
    Empfehlen kann ich „Aqua Mystica. Ruf des Meeres“ für Jugendliche ab 11 nicht, weil es m. A. nach ein rückständiges Frauenbild vermittelt, das Verlage bitte endlich in der Mottenkiste ruhen lassen sollten. „… dass ich derlei übergriffige Aktionen eigentlich nicht mochte.“ (S. 167) Neben der klischeehaft gezeichneten Figur Sandra und „bösen“ Eindringlingen, die sich wie die Axt im Walde aufführen, möchte ich in Büchern für Jugendliche keine Verharmlosung von Unterwerfung junger Mädchen unter einen körperlich überlegenen Mann lesen, auch nicht, wenn sie auf die sanfte Tour im esoterisch-phantastischen Kostüm auftritt.


    Sprache
    Hinter einem ansprechenden Cover mit Metallic-Effekt verbirgt sich hier ein stilistisch aufgeblähter Text, der mit engagiertem Lektorat erheblich gekürzt und von Wiederholungen, überflüssigen Adjektiven und Logiklöchern befreit werden sollte.


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