Adjektive ja oder nein?

  • Hallo Sushan!

    Ich bin mir völlig sicher, dass du bereits besser im Schreiben bist, als du glaubst (und dass du schon eine Lektorin hast, zeigt, wie motiviert du bei der Sache bist)!


    Na ja, ich bezahle sie auch dafür und nicht zu wenig.

    Ich habe mal einen Schreibkurs bei ihr gebucht und seitdem haben wir einen Vertrag, den wir immer mal wieder erneuern. Aus meiner Sicht lohnt es sich, denn ich sehe durchaus Fortschritte.

    Ich bin bloß zu undiszipliniert und lasse mich von anderen Dingen ablenken.

    Eine Zeit lang habe ich regelmäßig Gedichte verfasst und daran hatte ich immer großen Spaß.

    Leider habe ich auch das sträflich vernachlässigt. Deswegen habe ich mir für das nächste Jahr schon vorgenommen, mich besser zu strukturieren und wieder regelmäßig zu schreiben.

    Es ist bei mir vor allem eine Frage der Einstellung, denn mein Kopf ist voller Wörter und Ideen, die ich unbedingt zu Papier bringen muss - wenn ich einmal in diesem Modus bin.

    Da möchte ich wieder hin und versuche positiv zu bleiben.


    Vielen Dank für Deine Ausführungen!

    "Ich bin eitel, hochmütig, tyrannisch, blasphemisch, stolz, undankbar, herablassend - bewahre aber das Aussehen einer Rose" Pita Amor

  • Vergesst die Regeln genauso wie bei Fontane, Frisch, Hesse, Grass, ... Schreib, wie ihr es für richtig handelt.


    Mir persönlich ist es wichtig, dass die Texte eine "Melodie" haben, einen Rhythmus. Und so versuche ich auch zu schreiben, mit wechselndem Erfolg.

    Ich liebe bspw. die Bücher von Kazuo Ishiguro, weil er einen bestimmten "Sound" hat, den ich schon nach wenigen Absätzen identifizieren kann.

    Ein anderes Beispiel ist Cixin Liu und seine Trisolaris Bücher. Seine Science Fiction wirkt einfach so frisch, einfach weil er nicht die ausgetretenen westlichen Erzählpfade benutzt - sie wohl gar nicht kennt.

    Deshalb bedanke ich mich für Deine/Eure Ausführungen, solche Überlegungen helfen mir enorm weiter. Ich bin nämlich auch schnell dabei Kunst und Spaß zu vergessen und einen Leistungstest daraus zu machen. Nicht nur beim Schreiben, ich kämpfe damit in jeder Lebenslage. Ist wohl meiner Erziehung geschuldet.

    "Ich bin eitel, hochmütig, tyrannisch, blasphemisch, stolz, undankbar, herablassend - bewahre aber das Aussehen einer Rose" Pita Amor

  • Liebe Sushan, aus deinen Zeilen lese ich Unsicherheit. Weshalb? Kunst kommt aus dem Herzen, dem Bauch. Okay, mit Lyrik habe ich es nicht so, aber was mir Selbstbewusstsein verschaffte, war Texte von anderen zu lektorieren – laienhaft, wie ich schreibe - dennoch hilfreich für beide Parteien.

  • Weshalb?


    Ich kann es Dir sogar ziemlich genau sagen.

    Irgendwann habe ich mal angefangen Gedichte zu schreiben, weil ich es zu der Zeit brauchte und sie wie ein Ventil funktionierten. Es war eine Möglichkeit mich auszudrücken, ohne wirklich nach außen gehen zu müssen bzw. in Konflikt mit anderen.

    Das hat mir wirklich Spaß gemacht und im Internet habe ich dann ein Gedichte Forum gefunden. Der Kontakt mit den anderen hat mich enorm weitergebracht, aber auch stark verunsichert.

    Weil es oftmals gar nicht so sehr um die Inhalte ging, sondern um Versmaße, Reimformen etc.

    Also habe ich meine Gedichte in die nötigen Formen gepresst, was sie technisch besser machte - ohne Frage. Ich fand aber, dass dabei einiges von dem verloren ging was ich eigentlich ausdrücken wollte. Ein recht hoher Preis, aber irgendwie hatte ich dann eher den Eindruck "zu genügen".


    Es hat mich wieder in genau den Leistungsschema gezogen, welcher der Sound meines Lebens zu sein scheint.

    Ich merke das auch im Kontakt mit meinen Frauen, die mich in verschiedenen Situationen immer wieder darauf hinweisen, dass ich aus allem einen Wettbewerb mache, bei dem ich möglichst zu glänzen versuche. Ich arbeite zwar auch mit einer Therapeutin daran, kann es aber nur sehr schwer abstellen. Mir fällt es sehr schwer, mich fallen zu lassen und einfach alles fließen zu lassen. Die Lektorin sagt auch oft, dass ich viel besser bin, wenn ich genau das mache. Natürlicher.

    Ich bin leider viel zu analytisch, auch beim Lesen übrigens. Ich habe bei vielen Büchern große Schwierigkeiten, dass Konstrukt auszublenden und nicht Konzept und Meta Ebene zu sehen.

    Mich nervt es selbst.

    "Ich bin eitel, hochmütig, tyrannisch, blasphemisch, stolz, undankbar, herablassend - bewahre aber das Aussehen einer Rose" Pita Amor

  • Sushan: Ich kann dich gut verstehen. Unabhängig von deiner persönlichen Biografie kann ich aus meiner eigenen Erfahrung sagen, dass es auch bei mir - und, würde ich jetzt mal mutig unterstellen, auch bei vielen anderen Autoren - ganz bestimmte Entwicklungsphasen gab und gibt, in denen es um sehr ähnliche Themen geht. Als ich z.B. anfing, Romane zu schreiben, habe ich das nur für mich selbst getan, und ob die Geschichten nun anderen gefallen haben oder nicht, war mir völlig egal. Dann kamen Familie, Freunde und Bekannte und meinten: "Mensch, Susanne, du schreibst SOOOOO tolle Geschichten (Familie und Freunde halt), veröffentliche die doch mal, da hast du bestimmt SOOOOO tollen Erfolg mit!"


    Irgendwann habe ich mich breitschlagen lassen, weil ich angefangen hatte, mir diesen tollen Erfolg in meiner Fantasie auch schon auszumalen. Just mit meinem ersten veröffentlichten Buch habe ich gemerkt, wie - erst langsam, dann immer deutlicher - das Vergleichsdenken bei mir Einzug gehalten hat, das mir bis dahin nie wichtig war: Warum mag der eine Leser mein Buch nicht, das eines anderen Autors bekommt aber ständig 5-Sterne-Wertungen auf Amazon, warum verkaufen andere Autoren mehr Bücher als ich (obwohl ich doch SOOOOO tolle Geschichten schreibe!) und was kann ich tun, um das zu ändern? Sollte ich mich vielleicht mit meinen Geschichten mehr dem Leser-Massengeschmack anpassen und nicht immer mein eigenes Ding machen wollen? Bin ich selbst schuld, wenn andere Autoren viel mehr Bücher verkaufen als ich?


    Hinzu kam, dass ich zu jener Zeit gleich mehrere sehr ähnlich klingende Absageschreiben von Verlagen bekommen habe, denen ich meine Romanmanuskripte geschickt hatte ("Ihre Geschichte gefällt uns gut, und wir würden sie gerne veröffentlichen, sie ist aber zu dick. Wenn Sie es schaffen, Ihren Roman um 300 Seiten zu kürzen, kämen wir ins Geschäft!"). Also habe ich angefangen, wie bekloppt zu kürzen und insgesamt deutlich kürzere Romane zu schreiben, die mir selbst gar nicht mehr gefallen haben, von denen ich aber dachte, dass sie eine größere Chance auf eine Veröffentlichung hätten.


    Lange Rede, kurzer Sinn: Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich überhaupt keine Lust mehr aufs Schreiben hatte und mich tatsächlich auch nicht mehr kreativ gefühlt habe. Dann habe ich einen radikalen Schnitt gemacht und mich wieder auf das besonnen, was mir ganz am Anfang, letztlich schon als Zwölfjährige, wichtig war: Ich kümmere mich nicht mehr darum, ob irgendjemandem meine Geschichten gefallen oder nicht, und veröffentliche nur noch als Selfpublisher auf Amazon. Rezensionen lese ich nicht mehr (und wenn, dann eher durch Zufall), und ich schaue erst recht nicht, ob andere Autoren mehr verkaufen oder bessere Wertungen haben als ich (nach dem alten Motto: "Wer sich vergleicht, hat schon verloren."). Natürlich weiß ich jetzt viel mehr darüber, wie Geschichten konzipiert und geschrieben werden, als damals, und das setze ich auch beim Schreiben um. Der Punkt ist, dass ich das nicht (mehr) tue, um damit anderen zu gefallen, sondern um dadurch bessere Geschichten zu schreiben, mit denen ich selbst zufrieden bin. Ich denke, dass viele Autoren in der einen oder anderen Form irgendwann an eine solche Wegscheide kommen, wo sie eine Entscheidung darüber treffen müssen, was ihnen tatsächlich am Schreiben wichtig ist - der kreative (auch durch Schreibratgeber und -seminare sowie das eigene reflektierte Lernen unterstützte) Selbstausdruck oder das Geiern nach Erfolg und Beliebtheit bei den Lesern.


    Übrigens schaffe ich es beim Lesen schon lange nicht mehr, "das Konstrukt auszublenden" und nicht Konzept und Meta-Ebene zu sehen. Ich fürchte, je mehr man selbst über das Schreiben weiß und gelernt hat, desto schwieriger wird es, einfach in eine Geschichte einzutauchen (statt plötzlich zu denken: "Die Motivation von Figur XY ist aber echt dünn" oder "Der Konflikt in Szene ZF hätte aber wirklich noch intensiver ausgearbeitet werden können"). Aber ein derartiges bewusstes und reflektiertes Lesen hat ja auch seine guten Seiten. Die Kunst (bzw. die Schwierigkeit) besteht dann darin, beim Schreiben selbst quasi zu "vergessen", was man alles gelernt hat, und es praktisch unbewusst in den Schreibflow einfließen zu lassen.