Adjektive ja oder nein?

  • Hallo zusammen,


    ich glaube dies ist ein kontrovers diskutiertes Thema und es gibt keine einzige richtige Lösung.

    Aber wie steht ihr zum Thema Adjektive / Adverbien?


    Ich finde, dass es häufig die Welt lebendiger macht. Gerade bei Beschreibungen fühle ich mich selbst beim Lesen eher in die Szene hineinversetzt als ohne Adjektive.

    Bei direkter Rede ist es für mich eher schwieriger, da ich hier häufig die Freiheit genieße mir vorzustellen wie der Charakter reagiert.


    Welche Meinungen habt ihr dazu?


    Liebe Grüße,

    K. F. Maynard

  • Adjektive und Adverbien sind nicht aus Prinzip böse oder schlecht. Sie werden es aber durch eine Verwendung im Übermaß, wenn sie reine Füllwörter sind und wenn sie (unabhängig von ihrer Anzahl) ungezielt verwendet werden. Häufig stellen sie einen Verzicht auf eine Bessere Lösung dar.


    Mögliche Alternativen gibt es fast immer. Meistens sind sie mindestens ebenso gut und nicht weniger lebendig. Hier einige Beispiele aus der Buchvorstellung des Threaderstellers:


    eine lange Reise - eine Odyssee
    neue Welt - ggf. Märchenwelt, Zauberwelt, Welt der Wunder

    jeglichem bekannten Umfeld - Vertrautem

    ursprüngliche Idee - Ursprungsidee

    voll zu entfalten - zu entfalten


    Obwohl ich der Buchvorstellung nicht gleich "Adjektivitis" vorhalten möchte und nicht jede Altertative für sich ein Gewinn ist, meine ich durchaus, dass der Text durch Änderungen in diesem Bereich noch hätte gewinnen können. Ja, man darf in einem Schmöker auch mal schreiben, ein Protagonist laufe schnell. In der Regel ist "rannte" aber vorzuziehen.

    Das gilt mehr oder weniger immer dann, wenn ein Adjektiv und Adverb durch ein präziseres Verb oder Substantiv ersetzt werden kann. Man kann Adjektive und Adverben beispielsweise in Dialogen vermehrt verwenden, um die Sprechweise einer Figur herauszuarbeiten und im Erzähltext an Stellen, an denen Spannung reduziert werden soll oder wo das Paceing etwas mehr Länge verlangt. Die Regel ist also, wie immer, keine absolute, sondern lediglich eine allgemeine Richtlinie, die man kennen muss und deren Ausnahmen man kennen sollte.

  • Meine Faustregel ist da ganz simpel: Wenn sich Adverb und Verb zu einem besseren Verb oder Adjektiv und Nomen zu einem besseren Nomen zusammenfassen lassen, mache ich das. :) Oft findet man aber auch einfach das Adverb oder das Adjektiv für das, was man da beschreiben will, mit Bedeutungsnuancen, die bei einer Zusammenfassung verlorengehen würden.

  • Hallo,

    wie so oft im Leben kann man darauf m.E. keine allgemeingültige Antwort geben im Sinne von "Adjektive und/oder Adverbien sind gut bzw. schlecht". Es ist eine Frage des Ausmaßes. Ich richte mich da ganz nach meinem Bauchgefühl, ergänzt durch Testleser*innen (deren Vorschläge dann aber auch wieder mit meinem Bauchgefühl übereinstimmen sollten ;-) ). Ich habe schon Adjektive gestrichen und dadurch Sätze verbessert, aber mindestens ebenso oft welche eingefügt und dadurch eine Verbesserung erreicht. Im einen Fall wird der Satz kürzer und damit pointierter, schlagfertiger, humorvoller o.ä., im anderen wird die Schilderung lebendiger, das Kopfkino erhält ein weiteres Detail.


    Mit phantastischen Grüßen,

    Lazarus

  • Christian Kracht hat ein Buch geschrieben, das überquillt vor Adjektiven (ich glaube "die Toten") und dafür den deutschen Buchpreis bekommen. Das ist dann wohl schon Kunst ;-)


    Generell bin ich schon der Meinung, dass weniger Adjektive und mehr Verben einen Text lebendig machen. Vielleicht heisst Krachts Buch deshalb "die Toten"...

  • Ich bekam vom Lektorat eine Rückmeldung, dass ich sehr wenige Adjektive benütze und das eher selten der Fall ist. Da aber ein großer Anteil der Zielgruppe männliche Jugendliche sind, sollte das laut der Lektorin kein großes Problem darstellen und könnte diesen Personen beim Einstieg in die Bücherwelt helfen.


    Beim Manuskript an dem ich gerade arbeite, verwende ich mehr Adjektive als zuvor da es sich um einen normalen Roman handelt. Eine Regel habe ich dafür aber keine.

    "We can't help everyone, but everyone can help someone."


    "You cannot break this love with hate." :musik:

  • Michael Maar hat sich dieser Frage im Einleitungsteil seines Buches gewidmet. Es ist eigentlich ein Buch eines Lesers für Leser, aber auch wenn es kein "Leitfaden für Autoren" ist, fand ich, dass man es auch aus der Warte heraus mit Gewinn lesen kann.

  • Ich selbst habe die Tendenz, Adjektive zu reichlich zu verwenden, und muss mich da immer wieder bremsen;-) Es ist einfach so, dass ein Adjektiv immer einen Schlenker im Lesefluss erzeugt, aber eine gewisse Menge davon sollte drin sein. Mit zu wenigen oder gar keinen Adjektiven wirkt die Erzählweise hektisch und atemlos; das muss nicht immer falsch sein, aber es kommt auf das Genre und die Zielgruppe an. Für Cyberpunk etwa ist das genau richtig, eine atmosphärische Gruselgeschichte dagegen würde es töten.

  • Ich nutze selbst eigentlich wenig Adjektive und Adverbien, ich bin aber auch sehr schlecht darin, Beschreibungen zu verfassen. Trotzdem verdamme ich sie nicht. "Langsam gehen" und "schlendern" sind für mich z.B. minimal unterschiedliche Fortbewegungsarten. Und manchmal geht man eben langsam, ohne zu schlendern. Da wäre das sprechende Verb falsch.


    Was man bedenken muss: Das Adjektiv bzw. Adverb lenkt die Aufmerksamkeit des Lesers auf sich. Je ausgefallener das Adjektiv, desto stärker der Effekt. Das kann man sich zunutze machen, wenn man es bewusst einsetzt. Der Tipp - wie so viele andere - will eigentlich nur davor warnen, die Wörter unbewusst zu schreiben, weil man so an Effekt verliert/ verlieren kann.

  • Die Menge macht es und die Ausdrucksstärke der Adjektive. Wenn im ersten Absatz schon "der alte, weißhaarige Mann die steile hölzerne Stiege emporsteigt", bleibt meistens der Rest des Buches auf diesem Niveau. Man kann sicher das Alter und die Stiege ZEIGEN, das setzt jedoch mehr Phantasie voraus. Die Regel dazu: keine weißen Schimmel.


    Wenn ich bei Autoren auf die Wortwahl achte, deren Bücher ich schätze und die auch von anderen Lesern gelobt werden, zeigt sich stets Sparsamkeit als Qualitätsmerkmal. Nur ein krachlederner Witz im gesamten Buch, nur wenig (unbekannte Ausdrücke), Redensarten und treffende Adjektive.

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Weber - Bannmeilen (Paris)

    :musik: -- Catton - Gestirne; Rehear


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Ich denke, dass man bei der Frage der Adjektive immer im Blick behalten sollte, dass jedes in einem Text verwendete Adjektiv den Wahrnehmungsfokus des Lesers auf eine bestimmte Weise verändert. Wenn ich z.B. schreibe: "Der alte, weißhaarige, mit einem rot karierten und an den Ärmeln ausgefransten Holzfällerhemd bekleidete Mann rammte Klaus das stählerne, im Sonnenlicht schimmernde, beinahe unterarmlange und mörderisch scharfe Messer in die Brust" würde die überbordende Anzahl an Adjektiven den Fokus der Leser zum einen auf das Aussehen des Messermörders und zum anderen auf das Aussehen des Messers richten.


    In einer hochdramatischen Szene, in der die Hauptfigur des Romans vom Bösewicht überfallen und mit besagtem Messer attackiert wird, ist für den Leser (und sicher auch für den Protagonisten) der Angriff selbst das mit Abstand wichtigste Szenenelement, und wie nun das Hemd des Angreifers oder sein Messer aussieht, ist in diesem Augenblick vollkommen bedeutungslos. Hier stattdessen einfach zu schreiben: "Der alte Mann rammte Klaus das Messer in die Brust" würde in meinen Augen wesentlich stärker wirken, weil es die Wahrnehmung des Lesers auf das lenkt, was in der Szene gerade am relevantesten ist. An einer solchen Stelle noch zusätzliche Adjektive ins Spiel zu bringen, würde m.E. die Wirkung der Szene und deren Dramatik schwächen. Gerade bei dem Einsatz von Adjektiven ist für einen Autor in meinen Augen daher die Frage: "Welches Element ist in einer bestimmten Szene am wichtigsten, und worauf will ich durch meine Beschreibung die Wahrnehmung des Lesers lenken" von großer Bedeutung.

  • Ich bin's nochmal. Ich denke, die häufigsten Situationen, in denen Leser das Gefühl haben, dass in einem Text zu viele Adjektive enthalten sind, entstehen, wenn Autoren zu viel an Beschreibung bzw. Information auf zu wenig Raum unterzubringen versuchen, sei es, weil es ihnen (noch) an Erfahrung fehlt, um eine Figur oder eine Umgebung differenziert und anschaulich darstellen zu können, oder weil sie für ihren Text schlicht nicht genug Platz zur Verfügung haben.


    In diesem Zusammenhang erinnere ich mich gerne an die "Geisterjäger John Sinclair"-Lektüre aus meinen seligen Jugendtagen, wo ein Dämon gerne mal dämonisch grinst oder der Teufel teuflisch oder diabolisch lacht und die Beschreibung des jeweiligen Dämons mit diesem einen (starken) Adjektiv fast schon wieder zuende war, bevor sie überhaupt richtig begonnen hatte. In diesem Fall (wie auch bei allen anderen Heftromanen) ist klar, dass die Verwendung eines kraftvollen und möglichst aussagekräftigen Adjektivs der geringen Seitenzahl des Heftes geschuldet war, die eine längere und detailliertere Beschreibung im Sinne des Show, don't tell nicht zugelassen hat.


    Das Problem ist, dass ein einzelnes Adjektiv, und sei es noch so stark, niemals eine so große Nähe zu einer Figur herstellen kann wie eine differenziertere Darstellung, bei der neben anderem auch Metaphern und Sprachbilder zum Einsatz kommen, und die im Ganzen gesehen beim Leser den Eindruck erzeugen, eine bestimmte Figur sei "dämonisch" oder "teuflisch". Wenn man bei seiner Figurenbeschreibung mehr oder weniger bei einem einzigen Adjektiv stehen bleibt, ist ja letztlich die eigentliche Frage, was es denn nun genau ist, das die Figur so dämonisch oder teuflisch wirken lässt, noch gar nicht wirklich beantwortet.


    Außerhalb eines Heftromans wie dem guten alten John Sinclair habe ich es, glaube ich, noch nie erlebt, dass lediglich ein einzelnes Adjektiv zur Charakterisierung oder Beschreibung einer Figur oder Situation herhalten musste. Selbst wenn es in einem Roman beispielsweise hieß: "Der Anblick, der sich ihm bot, war atemberaubend" (was ja ebenfalls ein sehr stark wertendes Adjektiv ist), so wurde mit absoluter Sicherheit danach noch eine ausführliche Beschreibung etwa des saftigen Grases der weiten Ebene, der im Sonnenlicht in allen Regenbogenfarben schimmernden Blumen, des munter sprudelnden Bächleins usw. nachgeschoben, die das Adjektiv "atemberaubend" noch zusätzlich mit plastischem erzählerischem Fleisch unterfüttert hat.


    Bei einer solchen weiterführenden Beschreibung sind zwar in der Regel ebenfalls wieder Adjektive verwendet worden, aber im Gegensatz zu dem einen, kraftvollen, das ALLES umfasst und es dabei bewenden lässt, sind diese anderen Adjektive lediglich nähere Konkretisierungen eines bestimmten Szenendetails (wie etwa das saftige Gras). Das führt, wie ich finde, sofort dazu, dass eine solche Beschreibung (und zwar letztlich nicht trotz, sondern gerade wegen ihrer Adjektive) plastisch und farbig wirkt und eben nicht beim Leser das Gefühl erzeugt: "Das hat der Autor ja nur behauptet, wo ist denn der Beweis?"


    Ich denke mit anderen Worten, dass es beim Gebrauch von Adjektiven sehr stark davon abhängt, wie umfassend bzw. global die Beschreibung sein soll, die ich mit Hilfe dieses Adjektivs herstellen will. Spare ich mir die Beschreibung von Einzeldetails, indem ich sie sozusagen in einem einzigen Adjektiv zusammendampfe (wie dem dämonischen Lachen, der atemberaubenden Landschaft, der traurigen Sabine oder dem wütenden Klaus), ist die Gefahr groß, dass die Leser der Figur oder der beschriebenen Situation emotional fern bleiben, weil sie zu wenige Angriffspunkte finden, die die Figur oder die Situation in ihrer Fantasie lebendig werden lassen.

  • "Der alte Mann rammte Klaus das Messer in die Brust" würde in meinen Augen wesentlich stärker wirken, weil es die Wahrnehmung des Lesers auf das lenkt, was in der Szene gerade am relevantesten ist.


    Mir fällt das gerade bei Stephen King immer wieder auf, der ein wahrer Meister solch trockener Sätze ist. Er hat diese Gabe schreckliche Dinge, wie Stolperfallen, in seinen Texten zu platzieren.

    Erst versetzt er mich in diesen "200 Seiten pro Stunde" Modus, in dem ich alles um mich herum vergesse. Urplötzlich lässt er dann mittendrin einen Satz wie "Zwei Stunden später war sie tot" fallen und zerstört diesen Lesefluss komplett.

    Meistens bin ich schon drei Sätze weiter und denke dann "Moment mal, was?"


    Ich schreibe ja auch ein bisschen und versuche schon seit Jahren herauszufinden, wie ich meine Texte derart wirken lasse.

    Einmal ist mir tatsächlich ein solcher Schockmoment gelungen, für den ich sogar von meiner Lektorin gelobt wurde, die seit Jahren versucht, mir einen anständigen Text zu entlocken.

    Darauf bin ich heute noch stolz, normalerweise kommen meine Texte zurück und sind voll von roten Akzenten und anderen Elementen, mit unguten Bedeutungen.

    Ich bin aber guter Dinge, dass ich so in drei bis fünf Jahren etwas Verwertbares produzieren werde, was sich sogar drucken lässt. Mal schauen. :D

    "Ich bin eitel, hochmütig, tyrannisch, blasphemisch, stolz, undankbar, herablassend - bewahre aber das Aussehen einer Rose" Pita Amor

  • Hallo Sushan!

    Ich bin mir völlig sicher, dass du bereits besser im Schreiben bist, als du glaubst (und dass du schon eine Lektorin hast, zeigt, wie motiviert du bei der Sache bist)!


    Was ich über die Texte von Stephen King sagen kann, ist, dass er beim Schreiben zum einen sehr stark auf Kontraste setzt (sowohl bei seiner Figurencharakterisierung als auch bei der Konzeption seiner Szenen) und zum anderen - damit verbunden - seine Figuren und Szenen in ihrer Darstellung sehr konflikthaft angelegt sind. Diese beiden Methoden für sich genommen würden, denke ich, bereits ausreichen, um auf den Leser eine starke Wirkung zu erzielen. Dein Stephen King-Beispiel würde m.E. ebenfalls in die Richtung kontrastreiches Schreiben gehen - eine entspannte Szenenbeschreibung, in die plötzlich und für den Leser unerwartet eine neue Information einbricht (wie "Zwei Stunden später war sie tot"). Wenn man es mit solchen plötzlichen Schockmomenten nicht übertreibt (was King m.E. nicht tut) und sie mit Bedacht in seinen Texten einbaut, ist die Kontrastierung als Schreibtechnik in meinen Augen eine wirklich feine Sache.


    In einer Geschichte, die ich vor einiger Zeit mal gelesen habe, hat der Autor (nicht Stephen King, ein anderer) eine derartige Kontrastierung auf eine originelle und für mich überraschende Weise eingesetzt. Der Held hatte sich gerade auf dem Friedhof mit dem örtlichen Pfarrer unterhalten, als irgendwo ein Schrei ertönt. Alarmiert rennt der Protagonist in Richtung des Schreies, um zu schauen, was passiert ist, und als er nur wenige Minuten später zum Friedhof zurückkehrt, heißt es sinngemäß: "Noch immer fiel der Schnee lautlos vom grauen Himmel herab. Noch immer ragten die Grabsteine stumm aus dem gefrorenen Boden empor. Ach ja, und der Pfarrer war tot."


    Dieses "Ach ja, und der Pfarrer war tot" kam so überraschend und gleichzeitig entspannt daher, dass ich beim Lesen zuerst gestutzt habe und dann unwillkürlich grinsen musste, gerade weil es in einem derart lässigen Plauderton erzählt wurde. Hier hat der Autor auf eine für mich neue Weise einen unerwarteten Schockmoment mit einer Prise Ironie und Humor gewürzt. In meinen Augen ebenfalls ein effektiv eingesetzter Kontrast, allerdings einer, der einem vor jähem Schreck nicht gleich das Herz stehen bleiben lässt (muss ja auch nicht immer sein).

  • Moin


    Oh ja! Wie Weihnachten, Ostern und neuerdings Halloween alljährlich wiederkehren, so kehren gleichfalls die Diskussion pro und kontra Adjektive wieder. Generell ist das Adjektiv ein fester, gar wichtiger Bestandteil der deutschen Sprache. Zwar nicht mit der Bedeutung, die dem Verb zuteilwird, jedoch nahe dran: Der Test ist Dogma. Gewiss, die zehn Regeln der Schreibkunst sind hilfreich, allerdings nicht in Stein gemeißelt. Eher im Gegenteil, weil immer mehr Autoren sowie deren Lektoren darauf pochen, wird die moderne Lektüre zu einem Einheitsbrei, der sich einzig vom Inhalt unterscheidet – und dieser wiederholt sich ebenfalls. Es ist teilweise kaum möglich, einzelne Autoren auseinanderzuhalten. Ich weiche einmal kurz ab.

    Sagt man doch gerne: Wiederholung am Satzanfang vermeiden, Sätze nicht zu lang und mehr als zwei Komma in einem Satz sind fast des Teufels, so zeigen uns doch namhafte Autoren mit Kante, es geht. Vor Kurzen entdeckte ich Dürrenmatt. Falsch kennen, kannte ich ihn, und ‚die Physiker‘ sowie ‚der Besuch der alten Dame‘ stehen seit Langem auf meiner ‚Will-ich-noch-lesen‘-Liste. Nein, ich schnappte mir ‚Das Verbrechen‘: kurz, knackig. Was bemerkte ich erneut? Vergesst die Regeln genauso wie bei Fontane, Frisch, Hesse, Grass, ... Schreib, wie ihr es für richtig handelt. Mal ehrlich! Eine Liebesszene ohne Adjektive ist genauso behämmert wie eine Verfolgungsjagd mit. Gut, okay! Wenn ich lektoriere, kreide ich das ‚langsame gehen‘ genauso rot an wie das ‚große Haus‘. Es gibt nun einmal Adjektive, die wahrlich in erster Linie für den Vergleich benötigt werden und ohne Richtmaß leere Hüllen sind. ‚Karl ging langsamer als Elfriede‘ oder ‚Sie bauten zwei Häuser, das große Haus gefiel mir am besten‘ macht schon eher Sinn.

    Fazit: Bewusst gesetzte Adjektiv können nie zu viel oder zu wenig in einem Text sein, welche ohne Sinn kann man – nein –, sollte man ersetzen oder gar streichen.


    Gruß

    Ahorn

  • Ich stimme dir zu. Wobei der Hauptgrund dafür, dass die Diskussion über das Für und Wider von Adjektiven unter Autoren ein niemals endender Dauerbrenner ist, m.E. darin liegt, genau diese Unterscheidung treffen zu lernen, unter welchen Bedingungen und aus welchen Gründen ein Adjektiv meinem Text nützt und wann es ihm schadet, wann es also einen Sinn hat und wann nicht. Und es gibt ja tatsächlich genau identifizierbare Gründe, warum die Verwendung eines bestimmten Adjektivs an einer bestimmten Stelle eines Romantextes gut oder eher schlecht ist und dessen Wirkung auf den Leser beeinträchtigt.


    Ich würde daher die Aussage "Vergesst alle Regeln, sondern schreibt, wie ihr es für richtig haltet" nur bedingt unterschreiben wollen (trotz der unbestreitbaren Wahrheit, die m.E. auch darin steckt). Was passiert, wenn jeder tatsächlich komplett nur so schreibt, wie ihm oder ihr der Schnabel gewachsen ist, habe ich oft genug bei Schreibworkshops für Jugendliche erlebt, die ich geleitet habe. Ohne die Vermittlung von klaren Prinzipien (ich möchte sie nicht Regeln nennen, weil das schnell zu dogmatisch klingt), welche Dinge einen Text gut oder schlecht machen, wird es niemals einen Lernerfolg geben, und auch die Texte werden genau so bleiben, wie sie ganz am Anfang waren - nämlich im Genuss für mögliche Leser zumeist deutlich eingeschränkt und hinter ihren Möglichkeiten bleibend, die eigentlich in ihnen enthalten wären. Und gerade was Adjektive angeht, kann man in diesem Punkt ja tatsächlich eine Menge falsch machen (wobei es natürlich auch nicht nötig ist, sich von jedem Adjektiv, das man in seinen Text einbauen will, in eine Panikattacke treiben zu lassen. In meinen Augen liegt es niemals NUR an einem schlechten Gebrauch von Adjektiven, ob ein Text qualitativ gut ist oder nicht. Es ist ein wichtiger Faktor, das ist, denke ich, keine Frage. Aber es ist ganz sicher nicht der EINZIGE Faktor).


    Ich denke, dass vor allem Schreibanfänger sehr von solchen Diskussionen über das Für und Wider von bestimmten Regeln und Schreibtechniken profitieren können, auch wenn ein erfahrener Autor natürlich irgendwann seine Antworten auf die drängendsten Fragen des Schreibhandwerks gefunden hat und es (verständlicherweise) ermüdend findet, ständig wieder dieselben alten Kamellen durchzukauen, die für ihn schon lange kein Thema mehr sind. Für mich selbst käme es hierbei vor allem darauf an, ob ich den Eindruck habe, dass es bei einer solchen Diskussion irgendjemandem helfen würde, wenn ich meine Gedanken zu einem bestimmten Thema ausführlich erörtere oder nicht. Bei einer Gruppe von alten Hasen, die schon ins Gähnen kommen und gelangweilt abwinken, wenn sie das Wort "Adjektiv" aus zehn Kilometern Entfernung hören, wäre es sicherlich vergeudete Lebenszeit, lang und breit über etwas zu schwadronieren, was ohnehin jeder weiß und worüber sich alle einig sind. Da man es als Autor aber immer wieder auch mit unerfahreneren Autoren zu tun bekommt, die eben noch nicht ihre eigene klare Linie gefunden haben, werden solche Diskussionen wie die um die Adjektive sicherlich niemals aussterben und, denke ich, immer auch von dem einen oder anderen mit Interesse verfolgt werden.

  • Susanne G,

    ich stimme dir fast einhundert Prozent zu. Ja, jeder fängt an. Deshalb sage ich: Leute schreibt, findet jemanden, der lesen kann, liest und lektoriert: in eurem Umfeld oder im Netz. Ich für mein Teil habe das, was ich kann, in der Leselupe gelernt. :wink:


    Sushan,

    orientiere dich nicht an Steven King. Nicht, weil er schreiben kann - dieses wohl wahr -, sondern aus dem Grund, dass er nicht in Deutsch schreibt. Es sei denn, du bist Muttersprachlerin. In welcher Sprache - abgesehen von der Übersetzung - jemand schreibt, ist ausschlaggebend. Die Liste von Autoren, die in der Sprache sich ausdrücken, in der du denkst, träumst, ist lang, deren Texte vielfältig.


    Gruß

    Ahorn