Kat Gordon - Kenia Valley / The Hunters

  • Zum Inhalt:


    Theo ist fünfzehn, als er mit seiner Familie in den 1920er Jahren aus England nach Kenia kommt. Dort lernt er den viel älteren Freddie und dessen Geliebte, die wunderschöne Sylvie kennen. Ihre exotische Welt wird auch sein Zuhause – ein Leben voller Glamour, Exzentrik, Affären und Partys, das berühmte Happy Valley Set. Theo verliebt sich in die unerreichbare Sylvie und lässt sich mitreißen von der abenteuerlichen Welt, wo scheinbar alles möglich ist.

    Als Theo nach seinem Studium in England nach Kenia zurückkehrt, ist nichts wie zuvor. Das Land hat sich verändert, und er sich auch. Sein Vertrauen in die Freunde und ihre kleine Welt inmitten des kolonialen Afrika bekommt Risse – und die Lage wird zunehmend bedrohlich.

    (Quelle: Verlagstext auf amazon.de)


    Meine Meinung:


    Vorweg: Ich habe mich bereits ein wenig mit afrikanischer Geschichte, Rassismus, Kolonialismus usw. auseinandergesetzt. Über die Zwanzigerjahre des letzten Jahrhunderts wusste ich allerdings bisher nicht viel – und bin nach der Lektüre dieses Romans auch nicht wirklich schlauer. Von einer Autorin, die sogar in Kenia gelebt hat, hätte ich erwartet, dass sie entsprechend fundiert und tiefgründig die historischen Verwerfungen der Zeit, in der ihr Roman spielt, ins fiktionale Geschehen einflicht, sodass man als Leserin in dieser Hinsicht ein wenig Bildung genießen darf. :wink:


    Diese Erwartung wurde leider weitgehend enttäuscht.


    Mir war aufgrund des Klappentextes und auch aufgrund des ansprechenden Covers schon klar, dass der Roman sich erst einmal für eine Weile im Setting der weißen „Oberschicht“ im Kenia der Zwanzigerjahre bewegen würde – entsprechend gespickt mit Überheblichkeit, Dominanzgebaren, Luxus, im Fall der Clique des „Happy Valley Sets“ sogar Dekadenz, Rausch und moralischen Verwerfungen.
    Die ganze erste Hälfte des Buches kommt über diese große Party, eine endlose Abfolge von Drinks und Cocktails sowie ausführlich geschilderte sexuelle Fantasien (ob nun ausgelebt und erträumt) nicht hinaus, reflektiert weder die Handlungszeit noch den Ort – der Roman könnte überall spielen, wo die SiedlerInnen des British Empire meinen, jetzt die neue Oberschicht darzustellen. Diese Menschen führen ein komplett abgeschottetes Leben in Hotels, weißen Clubs, Farmhäusern, wo Schwarze nur im Hintergrund dienen. Ein bisschen exotische Landschaft zur Staffage wird geboten, man geht mal auf die Jagd, ansonsten nur wechselnde Liebschaften, viel Alkohol und peinliche Selbstdarstellung.


    AfrikanerInnen tauchen in dieser Welt praktisch nicht auf, werden in der ersten Hälfte des Buches nur gelegentlich mal erwähnt, stets in der Rolle der stummen Diener, die bei den Partys die Getränke anreichen und hinterher die Scherben zusammenkehren. Selbst für die koloniale Welt der Zwanziger erscheint es mir völlig unrealistisch, dass die Weißen so wenig Berührung mit dem Leben der Schwarzen gehabt haben sollen, die doch die Bevölkerungsmehrheit darstellten und im Prinzip alles am Laufen hielten. Nach etwa einem Drittel des Romans macht die Hauptfigur Theo sich ganz kurz mal ein paar Gedanken darüber, wie die AfrikanerInnen eigentlich leben und ob sie überhaupt gern für die Weißen arbeiten, verfolgt das aber nicht weiter. Er kennt weder ihre Behausungen noch kommt ihm in den Sinn, dass es für diese Menschen auch mal ein Leben vor den Weißen gab. Auch nach vielen Jahren in Afrika sind die Schwarzen für ihn einfach nur dienende Gestalten, „(…) die ‚Jambo, Bwana‘ riefen, während sie ihrer Arbeit nachgingen“.


    Zugegebenermaßen gibt die Autorin sich auch alle Mühe, ihre Hauptfiguren unsympathisch darzustellen: Theo bleibt langweilig, immer von anderen abhängig, er entwickelt sich über lange Zeit kaum weiter; nicht einmal während der (in einem winzigen Kapitelchen abgehandelten) Studienjahre in England kommt er auf die Idee, seine dekadente Clique in Kenia mal kritisch von außen zu betrachten, gar zu hinterfragen. Alles, woran er zu denken vermag, ist die Frage, ob er irgendwann seine Erfüllung mit Sylvie finden wird (die ihrerseits eine Beziehung nach der anderen führt, nicht einmal ein Foto ihrer in Frankreich lebenden Kinder besitzt und vor lauter Sause nicht bemerkt, dass sie ihre Bediensteten jahrelang nicht bezahlt hat); Theo bleibt unreif und nur auf seine Bedürfnisse fixiert. Die Mutter steckt in seltsamen Denk- und Erziehungsmustern fest, der Vater lebt in seiner eigenen Seifenblase namens Arbeit. Theos Freundinnen und Freunde, das Happy Valley Set, sind an Oberflächlichkeit und Arroganz kaum zu überbieten. Insofern sind das Geschehen und die daran beteiligten Figuren durchaus in sich stimmig. Theos Schwester Maud ist der einzige Lichtblick in einem Gefüge aus ansonsten seltsamen und unsympathischen Gestalten.


    Diese langweiligen Exzesse eines Pubertierenden, später jungen Mannes, und seines nicht erwachsen gewordenen Freundeskreises ziehen sich schier endlos dahin; es geschieht sehr lange nichts von Substanz – und wenn ich das Buch nicht als Rezensionsexemplar bekommen hätte, hätte ich es noch vor der Hälfte angeödet abgebrochen. So habe ich mich mit zunehmender Langeweile gefragt, ob es auch mal noch etwas Anderes gibt als Sex, Drugs and Rock ’n‘ Roll (bzw. hier: Swing).


    Und ja, das gibt es, aber erst sehr, sehr spät.


    In der Mitte des Buches lässt die Autorin erstmals die englische Gesellschaft ihre Einstellung den AfrikanerInnen gegenüber reflektieren, es gibt mal erhitzte, mal eher gelangweilte, jedoch stets ergebnislose Debatten über Intelligenz, kulturelle Überlegenheit der Weißen usw.; für die AfrikanerInnen ändert sich nichts. (In welcher Form ihre Unterdrückung allerdings bis dahin geschieht, legt die Autorin nicht dar, das muss man sich in eigenen Recherchen zum historischen Hintergrund erarbeiten.)
    Theos jüngere Schwester Maud ist die erste Figur, die in aller Klarheit aussprechen darf, dass Theos Freunde "unhöflich und oberflächlich sind und dass alles, wofür sie mit ihrem Lebensstil stehen, altmodischer, engstirniger Schwachsinn" ist.


    Ich habe ja die ganze erste Hälfte des Buches über darauf gewartet, dass da irgendwann noch ein bisschen mehr kommt, eine tiefere Ebene, spannende Wendungen und Entwicklungen, vielleicht ganz neue Erzählstränge. Auch das Politische wird nur sehr zögerlich entfaltet, eher nur angedeutet, wo ich mir viel mehr Zeitkolorit bezüglich der politischen Entwicklungen in Ostafrika erhofft hatte.


    Erst ab der Mitte nimmt das Buch endlich Fahrt auf, löst sich vom dekadenten Happy-Valley-Set, ich durfte mich über erste selbstkritische Reflexionen der Protas freuen…


    Mehr möchte ich an dieser Stelle nicht verraten. Es gibt durchaus noch einige interessante, dramatische, auch schöne Wendungen, die mich wieder ein wenig mit dem bis dahin so langweiligen Buch versöhnt haben, sodass das Buch es in meiner Bewertung noch auf sehr schwache drei Sterne schafft. Aber diese Wendungen kommen für mein Empfinden viel zu spät. Die Autorin hätte gerne Maud (oder eine andere Figur) als Gegengewicht bereits viel früher aufbauen oder über andere Figuren und Ereignisse mehr Informationen über die Lebensbedingungen der AfrikanerInnen einflechten können, damit schneller deutlich wird, dass irgendwann in diesem Buch noch etwas Anderes kommt als die für mich völlig langweilige, dekadente Welt des Happy Valley Sets. Ich hätte gern viel, viel mehr über Maud, Abdullah und Bulawayo erfahren. Spätestens das Lektorat hätte also meiner Meinung nach in der ersten Hälfte des Romans großzügig kürzen können, um Raum für die wirklich interessanten Figuren zu schaffen; für den Handlungsbogen und die Spannung wäre das ebenfalls ein Gewinn gewesen.


    Das Schicksal der AfrikanerInnen unter der dann allmählich bröckelnden Kolonialherrschaft wird auch in der zweiten Hälfte des Buches und besonders am Schluss wiederum nur gelegentlich angedeutet, niemals umfassend ausgestaltet – insofern bleibt der Roman von Anfang bis Ende weitgehend in seiner weißen Denkblase gefangen. Das ist einerseits konsequent, aber andererseits in meinen Augen dann doch von der Wahrnehmung her ziemlich eingeschränkt bzw. einfach... öde.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb: / :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:



    (Ich glaube, das war jetzt meine längste Rezi ever. :lol: )

    :study: I. L. Callis - Doch das Messer sieht man nicht

    :study: Nadia Murad - Ich bin eure Stimme

    :musik: Asako Yuzuki - Butter (Re-???)

    :montag: Deb Olin Unferth - Happy Green Family (Reread)





  • Schade, schade.

    Ich finde es schwer vorstellbar, dass sich in den 20ern niemand Gedanken gemacht haben soll, wem er seine Kinder zur Betreuung anvertraut und wie das Hauspersonal lebt. Zuverlässiges Personal ist ja auch ein Vermögenswert, ohne den man ständig immer neue Mitarbeiter anlernen und kontrollieren müsste.

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Naylor - Die Stimme der Kraken

    :musik: --


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Maud, die Schwester, macht sich alle diese Gedanken - und noch viel mehr. Sie kommt im Roman aber kaum zum Zuge. Da hat die Autorin meiner Ansicht nach so viel Potenzial verschossen... :| Es ist wirklich schade.

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  • Da kann man lieber eine selbst verlegte Biografie von jemand lesen, der seine Kindheit in Kenia verbracht hat.

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  • Kannst du etwas in der Art empfehlen? :lol: Also außer "Speak Swahili, dammit?" :lol:

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  • Kenia ist nicht so mein Revier, aber im Bereich Südafrika, Botswana, Zimbabwe fand ich mich da nicht schlecht bedient. Leider sind die Bücher bei KDP nicht mehr alle erhältlich.

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  • Ich finde es schwer vorstellbar, dass sich in den 20ern niemand Gedanken gemacht haben soll, wem er seine Kinder zur Betreuung anvertraut und wie das Hauspersonal lebt.

    Nein, die meisten der geradezu öbszön dekadenten Happy-Valley-Clique interessierte das kein Jota. Sehr erhellenden sind da die Memoiren von Juanita Carberry "Letzte Tage in Kenia"

    :study: Georg Schmidt: Die Reiter der Apokalypse

    :montag: Wolfgang Will: Der Zug der 10 000

    :montag: Jürgen Paul: Zentralasien



    Geburtstage sind gut für die Gesundheit! Man hat herausgefunden, dass Menschen, die öfter Geburtstag haben, länger leben! (Uli Stein) :lol:

    Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht (Afrikanisches Sprichwort)

    Mögen hätt' ich schon wollen, aber dürfen hab ich mich nicht getraut! (Karl Valentin)

  • Nein, die meisten der geradezu öbszön dekadenten Happy-Valley-Clique interessierte das kein Jota. Sehr erhellenden sind da die Memoiren von Juanita Carberry "Letzte Tage in Kenia"

    Gehörte sie auch zu dieser Clique?

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  • Sarange Sie war eines der vernachläßigten Kinder. In ihrem Fall kamen noch schwere Mißhandlungen durch die Stiefmutter dazu und das tolle Vorbild ihrer Umwelt führte dazu, daß sie mit einigen Dingen viel zu früh in Kontakt kam.

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  • Du liebe Zeit.. :|

    Trifft den Nagel auf den Kopf. Es ist lange her, daß ich das Buch gelesen habe, aber ich habe noch eine dunkle Erinnerung an ziemlich heftige Sachen.

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  • Ich hätte jetzt gern einen "Dislike"-Button, denn da müssen echt schlimme Sachen gelaufen sein. :| Es taucht übrigens auch ein Carberry im Roman oben auf. Furchtbarer Kotzbrocken.

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  • Sarange Das dürfte Juanitas Vater sein. Ein wirklich übler Typ.

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    Geburtstage sind gut für die Gesundheit! Man hat herausgefunden, dass Menschen, die öfter Geburtstag haben, länger leben! (Uli Stein) :lol:

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  • Ich habe mich jetzt noch ein bisschen schlauer gemacht: https://en.wikipedia.org/wiki/Happy_Valley_set

    Echt eine erlesene Gesellschaft... Gruselig! 8-[

    Im Roman von Kat Gordon schließt sich allerdings nur die Hauptfigur Theo dieser Gruppe an. Seine Eltern beäugen das mit großem Misstrauen - zu Recht, wie sich dann ja zeigt; seine Schwester durchschaut das ganze hedonistische Gebaren sofort. Wenn also die üblen Gestalten vom Happy Valley Set sich nicht um ihre afrikanischen Bediensteten geschert haben, mag das hinhauen, schlimm genug. Aber die "normalen" britischen SiedlerInnen hätten doch bestimmt mal einen Blick in ihre eigene Küche oder in die Hütten ihrer Angestellten geworfen? An diesen Blicken hätte die Autorin mich gern teilhaben lassen dürfen; das geschieht leider nur ganz sporadisch und bleibt oberflächlich und knapp.


    Auch die politischen Entwicklungen kommen mir, wie oben bereits erwähnt, zu kurz. Die Zwanzigerjahre gehören bereits in die Wirkenszeit des späteren ersten Staatspräsidenten des unabhängigen Kenia, Jomo Kenyatta, und man spürt diese Bewegungen im Hintergrund des Romans durchaus. Aber sie werden kaum thematisiert, laufen nur irgendwie versteckt am Rande, werden mal angetippt, aber nicht weiter verfolgt. Das finde ich einfach schade. Es hätte mich mehr interessiert als der hundertfünfzigste Whisky Sour, den irgendjemand in sich hineinkippt.


    Ich will das Buch wirklich nicht nur schlechtreden. Die zweite Hälfte ist deutlich spannender... wenn man sich bis dahin mal durchgearbeitet hat. :lol:

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  • 1925: Die Familie des (fast) 15jährigen Theo Miller lässt sich in Kenia nieder, der Vater ist der neue Direktor der Eisenbahn. Bald lernt Theo Sylvie und Freddie kennen, beide bereits erwachsen, beide verheiratet, aber nicht miteinander. Theo ist - auch noch Jahre später - geradezu besessen von den beiden, vor allem von Sylvie.


    Ich mag gute erste Sätze, dieser Roman hat so einen: „Ihr Herz hörte genau um 20.57 auf zu schlagen“. So beginnt er auch direkt mit einem Rätsel: Wer stirbt hier, und warum? Die Lösung erfährt der Leser erst viel später, der Prolog ist aber immer im Hintergrund präsent.


    Wir begleiten Theo über mehr als 10 Jahre, allerdings gibt es zwischendurch einen Zeitsprung, denn die Jahre, während denen er in Schottland studiert, werden ausgelassen, erst als sein Studium beendet ist und er wieder nach Kenia reist, wird die Erzählung wieder aufgenommen. Die Autorin lässt Theo selbst in Ich-Form erzählen, der Leser erfährt also seine subjektiv gefärbte Sicht, kann sich aber dennoch seine eigenen Gedanken machen. Wirklich sympathisch ist der Protagonist nicht, er hat aber am Ende eine Entwicklung durchgemacht, die seinem Wesen guttut.


    Andere Charaktere kommen da (noch) weniger gut weg, manche widern den Leser schnell an, andere erst später. Das Kenia, über das Kat Gordon erzählt, ist das der weißen Kolonialherren, für die die Afrikaner nur billige und intellektuell unterlegene Arbeitskräfte sind, die froh sein müssen, dass sich jemand um sie kümmert. Einziger Kontrapunkt ist Maud, Theos jüngere Schwester, die sich dann auch nicht nur für die Menschen Kenias sondern auch für seine Tierwelt einsetzt und eine besondere Beziehung zu den Afrikanern entwickelt. Der Roman ist dadurch sehr gesellschaftskritisch und stellt die in Kenia lebenden Briten, die sich als Herren Kenias sehen, bloß. Denn sie sind keine edlen Menschen, sondern vertreiben die Langeweile, die sie ausfüllt mit Sex, Alkohol und Drogen.


    Lesen lässt sich die Geschichte sehr gut, die Autorin erzählt bildhaft, auch Gerüche und Geräusche werden erlebbar. Der gesellschaftliche und historische Hintergrund ist interessant und lädt zum Googeln ein. Schön wäre allerdings ein Nachwort der Autorin gewesen.


    Der Roman lief wie ein Film vor meinem geistigen Auge ab, hat mir eine interessante Geschichte erzählt und wird wahrscheinlich noch eine Zeit nachhallen. Wer sich für die Kolonialzeit Afrikas interessiert, kann zugreifen.