Kenah Cusanit - Babel

  • Kurzmeinung

    Lavendel
    Interessant und voll gepackt mit Wissenswertem. Stellenweise auch etwas langatmig, aber humorvoll.
  • Kurzmeinung

    serjena
    Interessant aufregend und unterhaltsam, mit genau der richtigen Dosis an Wissenswertem, Humor eingeschlossen.
  • Klappentext (Amazon):

    1913, unweit von Bagdad. Der Archäologe Robert Koldewey leidet ohnehin schon genug unter den Ansichten seines Assistenten Buddensieg, nun quält ihn auch noch eine Blinddarmentzündung. Die Probleme sind menschlich, doch seine Aufgabe ist biblisch: die Ausgrabung Babylons. Zwischen Orient und Okzident bahnt sich gerade ein Umbruch an, der die Welt bis in unsere Gegenwart hinein erschüttern wird. Wie ein Getriebener dokumentiert Koldewey deshalb die mesopotamischen Schätze am Euphrat; Stein für Stein legt er die Wiege der Zivilisation frei – und das Fundament des Abendlandes. Kenah Cusanits erster Roman ist Abenteuer- und Zeitgeschichte zugleich – klangvoll, hinreißend, klug.


    Mein Leseeindruck:


    Die äußere Handlung ist schnell wiedergegeben: Schauplatz ist die riesige Ausgrabungsstätte Babylon, kurz vor dem Ausbruch des 1. Weltkrieges. Der Archäologe Robert Koldewey geht, gebeutelt von einer Blinddarmentzündung, zu einem Treffen mit seiner britischen Kollegin Gertrude Bell.

    An diese minimalistische Handlung lagert die Autorin eine Fülle von Beiwerk an. Robert Koldewey (https://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Koldewey) gilt als Begründer der archäologischen Bauforschung, und er war es, der das Fundament des sagenhaften Turmbaus zu Babel fand und das Ischtar-Tor, in Tausende von Ziegeln zerlegt, nach Berlin transportieren ließ.


    Dieser Robert Koldewey begegnet dem Leser jedoch nicht als Ausgräber. Er gräbt nicht aus, sondern lässt seine Gedanken schweifen. Und so erfährt der Leser einiges über die Orientbegeisterung des wilhelminischen Berlin und das persönliche Interesse des Kaisers, den Ruhm des Reiches und auch seiner Person durch die Ausgrabung der alten Metropole Babylon zu vermehren. Hierzu werden Überlegungen angestellt, welche Gemeinsamkeiten Berlin und Babel wohl haben – die bekannten Weltreich- und Großmachtträume am Vorabend des Krieges. Und seine Gedanken schweifen weiter in geschichtsphilosophische Bereiche, in kulturphilosophische Überlegungen z. B. über das Verhältnis von Bild, Schrift und Fotografie, und er äußert (interessante) zivilisationskritische Überlegungen.


    Dazu kommen Ort und Zeit, die den Überlegungen zusätzliche Spannung verleihen.

    Der „kranke Mann am Bosporus“, also das Osmanische Reich zerbröckelt. Die Kommunikation mit den örtlichen Würdenträgern gestaltet sich für unsere Begriffe langatmig, umständlich und nervenaufreibend. Auch die durch den Kolonialismus und Imperialismus bedingten Spannungen, die schließlich zum Ausbruch des Krieges führen (und für diesen Ausbruch wird bereits Vorsorge getroffen) werden im Gedankenfluss Koldeweys gespiegelt, wobei er sie festmacht an der Figur der ausgesprochen skurrilen, aber beeindruckenden Abenteuerin Getrude Bell, eine tatsächlich faszinierende Frau.


    Das Buch besticht in erster Linie durch die Thematik: die Ausgrabung einer mythisch überhöhten antiken Weltstadt. Es besticht aber auch durch die äußerst sorgfältige Recherche und das immense Wissen der Autorin nicht nur über die Ausgrabungen, sondern auch über die zeitgeschichtlichen Bedingungen, unter denen diese gewaltigen Ausgrabungen erfolgen (von kolonialer Raubkunst ist noch keine Rede…). Mit den häufigen Hinweisen auf Gemeinsamkeiten zwischen Antike und Gegenwart rückt sie die babylonischen Herrscher, z. B. Nebukadnezar, in die Nähe des Lesers. Diesem großen Wissen der Autorin zollt man beeindruckt seinen Respekt.


    Aber:

    Wo bleibt das Erzählen? Mir fehlte das Epische. Es kommt zu kurz vor lauter gelehrtem Wissen. Zu oft ist der Text nur belehrend und verteilt das Wissen der Autorin an seine Leser. Ich für mein Teil wollte aber nicht in eine Vorlesung, sondern wollte einen Roman lesen.


    Fazit: ein intelligentes, wissensreiches Werk.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).