Pia Casell - Oliven zum Frühstück

  • Kurzmeinung

    Lavendel
    Solider Liebesroman, wenn auch die Handlung und das Verhalten der ProtagonistInnen nicht immer ganz nachvollziehbar war.
  • Lisa, Tochter eines recht bekannten Archäologen, bekommt die Leitung einer Ausgrabung in Roussolakos auf Kreta übertragen und wähnt am Ziel der Karriereleiter. Man erhofft sich von der Grabung und den dabei zum Vorschein kommenden Ruinen, dass die Ausgrabungsstätte ein ebenso großer Touristenmagnet wird wie der antike Ort Knossos südlich von Heraklion, der mit dem größten minoischen Palast auf Kreta aufwarten kann. Lindas Ehrgeiz, diesen Beweis zu erbringen, wird jäh gedämpft, denn die Mühlen der Behörden mahlen langsam, das Geld wird immer knapper und die Grabausrüstung lässt auch zu wünschen übrig. Aber die meisten Probleme bereitet ihr der ortsansässige Olivenbauer Charis, auf dessen Land sich die archäologischen Funde versteckt halten sollen, denn der will seine Olivenplantagen nicht durch Grabungen kaputt machen lassen, schließlich lebt er von den Früchten seiner Arbeit. Doch Lisa lässt nicht so schnell locker, dabei kommt ihr entgegen, dass sie sich in der Pension von Charis‘ Familie eingemietet hat. Während Charis und Lisa sich immer wieder Schlagabtäusche liefern, springt zwischen ihnen langsam der Funke über…


    Pia Casell hat mit ihrem Buch „Oliven zum Frühstück“ einen unterhaltsamen Roman vorgelegt. Der Erzählstil ist locker-leicht und farbenfroh, er lässt den Leser gedanklich schnell auf die größte griechische Insel Kreta Im Mittelmeer reisen, wo er sich an der Seite von Lisa niederlässt und sie bei ihren Aufgaben begleitet, wobei ihre Gedanken- und Gefühlswelt wie ein offenes Buch vor ihm liegt. Die Autorin versteht es geschickt, das Kopfkino des Lesers anzukurbeln, denn die Beschreibung der Landschaft und Örtlichkeiten sind sehr detailliert und bildhaft, so dass man sich alles wunderbar vorstellen kann und das Fernweh geweckt wird, den wahnsinnig blauen Himmel und die vielen weißen Häuser nebst bunten Dächern zu besuchen, um die berühmte Gastfreundschaft der griechischen Landsleute genießen zu dürfen. Wer schon einmal in Griechenland war, weiß um die Liebe der Griechen zu ihren Oliven, gelten sie doch als Baum des Friedens, das von ihnen produzierte Öl gehört mit zu den besten der Welt und das Holz der Bäume ist eines der teuersten und schönsten überhaupt. Insofern kann man als Leser schnell nachvollziehen, dass kein Bauer begeistert wäre, seine Plantagen umpflügen zu lassen für eine Handvoll alter Steine, denn Ruinen, alte Stadtmauer und Paläste gibt es in Griechenland mehr als sonst irgendwo zu besuchen, man stolpert praktisch an jeder Ecke darüber.


    Die Charaktere sind liebevoll gestaltet und vermitteln sehr schön die extrovertierte und fröhliche Natur der Griechen, die nicht nur als Familienmenschen bekannt sind, sondern sich auch mit ihrer Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft in das Herz eines jeden Besuchers schleichen. Die Protagonisten wirken sehr lebendig und realitätsnah, was beim Lesen zum einen ein Gefühl von Urlaub vermittelt, zum anderen dem Leser die Möglichkeit gibt, sich mit ihnen wohlzufühlen. Lisa ist eine karrierebewusste Frau, die unbedingt aus dem Schatten ihres Vaters treten will. Sie muss lernen, dass in Griechenland die Uhren anders ticken und auch die Menschen Lebensqualität höher schätzen als Gewinn und Ansehen. Charis ist ein Mann, der sein Land verteidigt und dabei recht stur und unnachgiebig auftritt. Er hat einen Sinn für Tradition und die Werte, die seine Vorfahren geschaffen haben, die die Familie bis heute ernähren. Seine Familie ist typisch griechisch: laut und herzlich, immer bereit zu kuppeln, liebenswert. Sie stecken ihre Nase immer in Angelegenheiten, die man lieber für sich behalten würde und geben jederzeit ungefragt Ratschläge, einfach herrlich nervig.


    „Oliven zum Frühstück“ ist ein unterhaltsamer Roman mit viel griechischem Flair und der Lebensfreude, die für das Land so typisch ist. Ein schöne Auszeit vom Alltag mit dem unterschwelligen Wunsch, baldmöglichst die Koffer zu packen und dorthin zu fliegen. Verdiente Leseempfehlung!


    Unterhaltsame :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    Bücher sind Träume, die in Gedanken wahr werden. (von mir)


    "Wissen ist begrenzt, Fantasie aber umfasst die ganze Welt."
    Albert Einstein


    "Bleibe Du selbst, die anderen sind schon vergeben!"
    _____________________________________________


    gelesene Bücher 2020: 432 / 169960 Seiten

  • Gesamteindruck:

    Das ansprechende Cover hat mich spontan zum Kauf des Romans „Oliven zum Frühstück“ verführt, denn Titelbild und Klappentext versprechen eine Lesereise, die sich wie ein Urlaub auf Kreta anfühlt. Leider stellt sich der Roman als große Enttäuschung heraus, denn der Autorin gelingt es nicht, ein Kreta-Feeling in mir wachzurufen. Dabei ist Vieles abrufbereit in meiner Fantasie: Ich habe zwei längere Urlaube auf Kreta verbracht und dort auf mehreren Ausflügen mit Einheimischen als Tour Guides authentische Einblicke in das Lebensgefühl der Kreter gewonnen und Anekdoten über die Kultur und die alltäglichen Lebensverhältnisse auf der Insel erfahren. NICHTS davon erkenne ich in diesem Roman wieder. Vielmehr lässt die Schweizer Autorin die kretischen Bräuche und Menschen als überzeichnete Stereotypen auftreten wie in einer Folklore-Show: ganz nach Geschmack der Touristen.


    Schauplatz und Sprache:

    Pia Casell zeigt Kreta mit der oberflächlichen Wahrnehmung einer Touristin. Die Beschreibungen der kretischen Örtchen, Landschaften und Spezialitäten wirken idealisiert wie aus den Seiten eines Reisekatalogs, dabei aber sprachlich farblos (einfaches Vokabular) und stilistisch hölzern. Der Roman ist leichtgängig lesbar, aber der Sprache fehlt es an bildhafter Ausdruckskraft und Schönheit, so dass meine Fantasie als Leserin eingeschläfert statt beflügelt wird. Für mich wird die Insel auf den Buchseiten nicht lebendig.


    Handlung und Erzählweise:

    Die Sicht einer deutschen Touristin wird verkörpert durch die Protagonistin Lisa Stadler (personale Erzählerinstimme), einer Archäologin aus Trier, die auf Kreta Ausgrabungen auf dem Grundstück des Olivenbauern Charis machen will, der seine wertvollen alten Olivenbäume vor den Eingriffen beschützen will und sich zunächst weigert. Unverständlicherweise schlägt sich seine restliche Familie jedoch auf die Seite der aggressiven Archäologin, die auch nicht davor zurückschreckt, Charis in der Dorfkneipe vor den Dorfältesten anzuschreien.

    Im gesamten Roman fällt mir negativ auf, dass sich die Archäologin – als Repräsentantin der westlichen „Hochkultur“ – gegenüber dem „naiven Kreter“ ebenso überheblich und mit Herrschaftsanspruch verhält, wie jahrhundertelang die westlichen Kolonialherren über unterjochte „Eingeborene“ (indigene Völker) in den Kolonien. Und tatsächlich geht im Roman Lisa Stadler als Siegerin aus dem Konflikt mit dem Einheimischen hervor und beutet mit ihren Ausgrabungen die Kulturgüter der Insel aus. Wahrscheinlich hat die Autorin diese Aussage nicht beabsichtigt, vielmehr braucht sie diesen konstruierten Konflikt um die Ausgrabungsstätte als Gerüst für die Handlung: als Hindernis zwischen dem Liebespaar. Dieses Hindernis wird langatmig ausgewalzt.

    Die Arbeit der Archäologen wird recht interessant beschrieben, wenn auch der Verlauf des Ausgrabungsprojekts weit entfernt ist von der Realität (wie die Autorin im Nachwort schreibt). Dass am Ende noch ein Kriminalfall gelöst wird, überfrachtet die Handlung.


    Figuren:

    Die Protagonistin Lisa Stadler wird mir beim Lesen stetig unsympathischer. Ihr ehrgeiziges und verbohrtes Verhalten nervt mich, sie hat (in meinen Augen) den Charme eines Elefanten im Porzellanladen. In ihren Selbstgesprächen spricht sie sich selbst mit ihrem Nachnamen an („Reiß dich zusammen, Stadler!“), was ich im echten Leben nur von Männern kennen. Überhaupt wirkt sie nicht wie eine echte Frau, sondern wie schlecht ausgedacht.

    Der Kreter Charis ist das wandelnde Klischee des „heißblütigen Südländers“, verhält sich dabei aber stellenweise unverständlich. Völlig unrealistisch ist, wie er Lisa aus ihren Geldnöten rettet.

    Beiden Hauptfiguren fehlt ein glaubwürdiges psychologisches Profil (der Aspekt, dass Lisa im Schatten ihres entfremdeten Vaters steht, wirkt platt auf mich; die Vater-Tochter-Beziehung hätte mehr Raum gebraucht), keine von beiden durchläuft eine schlüssige emotionale Weiterentwicklung. Ebenso flach ist die Beziehung zwischen ihnen.

    Die Nebenfiguren sind Frauen aus der Familie von Charis: Diese sind als schöne, lebenslustige, und gut kochende Südländerinnen überzeichnet. Eine ähnelt der anderen.


    Romantik:

    In der Beziehung zwischen Lisa und Charis konnte ich kein romantisches Knistern entdecken. Er sieht wie ein griechischer Adonis aus, weshalb sie auf ihn steht. Was er an dieser verbissenen Deutschen mit der motzigen Art und den vielen Mückenstichen anziehend findet, bleibt das Geheimnis der Autorin. Ach ja, an einer Stelle tanzt sie enthemmt in angetrunkenem Zustand und sie sieht heiß im Bikini aus.


    Hintergrundinfo:

    Der Roman „Oliven zum Frühstück“ unter dem Pseudonym Pia Casell ist der erste Gehversuch im Marktsegment des „Wohlfühlromans für den Sommer-Urlaub“ einer schweizerischen Autorin, die zuvor unter dem Namen Priska lo Cascio (z. B. „Die Stunde zwischen Nacht und Morgen“) mit historischen Romanen Verkaufserfolge verbuchen konnte. So kam im Juni 2019 ihr erster Kreta-Roman bei Knaur heraus (wenig später folgte die Fortsetzung „Ein Sommer voller Salbeiduft“), der m.E. nur aufgrund von Vorschusslorbeeren für die etablierte Autorin ohne Qualitätskontrolle durchgewunken wurde, denn dem Roman fehlt ein eingehendes Lektorat. Für einen guten Roman reicht es offensichtlich nicht, dass die Autorin früher mal Reiseleiterin war und selbst öfter auf Urlaub auf Kreta macht.


    Fazit:

    Der Roman wirkt so, als hätte die Autorin einige erfolgversprechende Zutaten in den Topf geworfen und kräftig umgerührt – aber dem Gericht fehlt die Würze und das feine Abschmecken. Es schmeckt nach künstlichen Aromen, nicht nach echten Kräutern. Es ist ein Pottpurri von Postkartenmotiven, Folkloretanz, kretischen Mahlzeiten und Herstellen von Olivenseife.

    Ich kann für den Roman leider keine Empfehlung aussprechen.