Claire Vaye Watkins - Geister, Cowboys: Stories / Battleborn

  • Übersetzer: Dirk van Gunsteren


    Verlagstext

    Ein alter Mann findet in der Wüste ein junges Mädchen und rettet sie vor dem sicheren Tod, ihre Anwesenheit verändert für eine kurze Zeit sein Einsiedlerleben. Ein Fremder betritt den Mikrokosmos eines Bordells und bringt die fragile Ordnung aus Emotion und Kalkül durch einander. Ein Haus in Nevada wird über Jahrzehnte hinweg Zeuge, wie seine Bewohner lieben und leiden, hoffen und scheitern, sich neu erfinden und gefunden werden. In dieser Erzählung greift die Autorin, Tochter von Charles Mansons rechter Hand Paul Watkins, auch ihre eigene Familiengeschichte auf. In zehn beeindruckenden Stories erzählt Claire Vaye Watkins den Mythos des Wilden Westens neu. Sie handeln von Verlassenden und Zurückgelassenen, Suchenden und Verfolgten, sie spielen vor der gewaltigen Landschaft des Westens, unter dem weiten amerikanischen Himmel, in der Glitzerhölle von Las Vegas und in entlegenen Geisterstädten.


    Die Autorin

    Claire Vaye Watkins wurde 1984 in Bishop, Kalifornien (südlich der Grenze zu Nevada) geboren und wuchs u. a. in der Mojave Wüste in Nevada auf. Ihre Erzählungen erschienen bisher in Zeitschriften wie Granta, The Hopkins Review oder The Las Vegas Weekly. Geister, Cowboys ist ihr Debüt. Sie unterrichtet an der Bucknell University in Lewisburg, Pennsylvania. Claire V. Watkins Vater Paul war ein Anhänger von Charles Manson, lebte mit der Manson-Familie auf der aus der Filmbranche bekannten Spahn Movie Ranch; er starb bereits 1990.


    Inhalt

    Claire Vaye Watkins stammt aus der unmittelbaren Umgebung des Death Valley und der Stadt Las Vegas. Die Wüste Nevadas und die Schicksale von Glückssuchern der Vergangenheit und Gegenwart sind Themen ihrer Erzählungen. Im Mittelpunkt des Bandes steht mit einem Umfang von 60 Seiten das Schicksal der Brüder Erol und Joshua, die vom Goldrausch angesteckt, aus Ohio nach Kalifornien kommen (Die Gräber). Erol will reich werden, um Marjorie heiraten zu können. Der Ich-Erzähler Joshua rettet durch seine Vorahnungen sich und seinen Bruder vor dem Tod in einem Schneesturm. Wenn Joshua übersinnliche Fähigkeiten hat, sollte er doch wohl eine Goldader finden können und damit den Brüdern die endlose Qual schmerzender Knochen, von Läusebissen und Angst vor Grizzly-Bären ersparen? Um sich selbst zu retten, müsste Joshua den vor Gier wahnsinnigen Erol alleinlassen. Aber wie könnte er mit dieser Nachricht seiner Mutter entgegentreten?


    Eine enge Verknüpfung zur Biografie von Watkins Vater hat die titelgebende Geschichte "Geister, Cowboys", die von der Gründung der Stadt Reno berichtet und über Spahns Ranch, seit den 40er Jahren Kulisse bekannter Western-Filme. Welch beklemmende Vorstellung, dass zu Watkins Familiengeschichte auch die Atomversuche in der Wüste Nevadas zählen, die ihre Mutter im Alter von drei Jahren miterlebte.


    In "Man-O-War" zeichnet Watkins meisterhaft die Atmosphäre der Wüste. Bud Harris, der mit seinem Hund am Rande einer Salzwüste lebt, rettet nach einer Fete der bewusstlosen Magda das Leben. Der alte Mann genießt es, nach langer Zeit allein nun einen Gast im Haus zu haben. Bud hat sich hier in der Hoffnung auf eine mikroskopisch dünne Goldader angesiedelt. Die Minderjährige ist schwanger und wird gleich am nächsten Morgen von ihrem religiösen und zugleich unberechenbar gewalttätigen Vater abgeholt. Bud kennt Castaneda, Magdas Vater, von der gemeinsamen Arbeit in der Mine. So wird Bud aus Gutmütigkeit Opfer der sonderbaren Familienverhältnisse des Mädchens. In "Virginia City" streift Watkins am Rande ebenfalls extreme religiöse Ansichten ihrer Protagonisten. Danny, Julie und die Erzählerin Iris führen in wechselnder Besetzung eine Beziehung zu dritt. Von Danny wird erzählt, dass seine Eltern heimlich heirateten, um dem Einfluss der Zeugen Jehovas zu entkommen. Moderne Abenteurer sind in der Region um Las Vegas ihrem privaten Glück auf der Spur (Wish you where here, Die Archivarin), setzen als Touristen leichtfertig in der Wüste ihr Leben aufs Spiel (Imperfekt) oder suchen ihr Auskommen als Prostituierte.


    Fazit

    Watkins Erzählungen von der Suche nach individuellem Glück fügen sich zu einem vielseitigen, leicht melancholisch hinterlegten Bild ihrer unmittelbaren Heimat.


    Textauszug

    "Harris bückte sich und hob den Hund auf die Ladefläche. Die Fahrt ging acht, zehn Kilometer weit über die weiße Salzkruste des ehemaligen Sees. Harris hielt ganz automatisch Ausschau nach dunklen Stellen, wo die Erde nass war. Wenn sich eine Möglichkeit bot, hielt das Black Rock Basin die Feuchtigkeit fest, als erinnerte es sich an die Zeit, als Nevada größtenteils von einem Ozean bedeckt gewesen war, und täte sein Bestes, diesen Zustand wiederherzustellen. Selbst mit den Teppichresten, die er immer dabeihatte, damit er sie unter die Räder legen konnte, wäre es so gut wie unmöglich, den Wagen allein wieder flottzukriegen. Auf jeden Fall würde es zu lange dauern. Die Reifen des Ford knirschten auf der Erde und zogen zwei kaum sichtbare Linien. Harris bog auf eine achsbreite Spur aus geknickten Beifußbüschen ein. [...] Zweimal musste er noch abbiegen: auf die State Route 40, diesen heißen Gürtel aus unbefestigtem Asphalt, und dann auf Red's Road, die fünfzehn Kilometer lange Schottterpiste, die zu Harris' zusammengesacktem Backsteinhaus hoch über den Schwemmkegel führte." (S. 134)

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