Die Muschelsammlerin (Deine Bestimmung wartet) - Charlotte Richter
Arena Verlag
432 Seiten
Fantasy/Jugendbuch
Band 1
04. Februar 2019
Inhalt:
Mariel hat immer darauf vertraut, dass sie in Amlon glücklich wird. Inmitten der perlweißen Strände und des türkisblauen Meeres sollte es ihr an nichts fehlen. Aber tief im Herzen spürt Mariel, dass sie nicht dazugehört.
Als der Tag der Verbindung bevorsteht, an dem jeder Jugendliche seinem perfekten Partner begegnet, wird Mariels größte Angst wahr: Sie ist eine Sonderbare, eine von denen, für die es keine Liebesgeschichte gibt.
Zusammen mit Sander, Tora und Tammo muss Mariel Amlon verlassen.
Nur in Nurnen, dem Reich der Träume, können sie ihren Seelenpartner noch finden.
Doch auf der Reise flammen in Mariel plötzlich Gefühle für einen anderen auf. Und diese Gefühle bedeuten in Nurnen den sicheren Tod …
Meinung:
Puhhh, was für eine Geschichte.
Ich bin mir gar nicht sicher, in welche Sparte ich das einordnen soll.
Fantasy? - Definitiv. Dystopie? - auch davon ein bisschen.
Spirituelle Reise? - Ja, irgendwie schon. Jugendbuch? - auch das.
Beziehungsstatus: Es ist kompliziert, würde ich mal sagen.
Nach der Lektüre des Klappentextes war ich mir sicher, dass ich vorbereitet bin auf das, was mich erwartet.
Tja und irgendwie kam dann alles anders als gedacht. Aber von vorne und das Wichtigste zuerst: Mariel ist anders.
Das Volk von Amlon lebt in vollkommener Harmonie.
Es ist eine Gesellschaftsform, die man sich in der heutigen Zeit nur sehr schwer vorstellen kann. Sie glauben an ein Götterpaar, das alles lenkt und ihnen alles gibt, was sie für ein friedvolles Zusammenleben brauchen: Liebe ohne Grenzen, die einen bis tief in die Seele erschüttern. Jeder, der diese Liebe nicht an seinem Verbindungstag erfährt, darf sich nicht mehr zum Volk der Insel Amlon zählen, denn dann gilt man als unrein und sonderbar. Als Zweifler.
Mariel, die Protagonistin, war mir zu Beginn nicht ganz geheuer, irgendwie.
Es war mehr ein Gefühl, denn eine konkrete Vorstellung, das sich im Laufe der Geschichte dann aber gewandelt hat.
Mariel lebt auf Amlon und anders als die meisten hat sie nicht die geringste Lust auf einen Seelenpartner, was hauptsächlich an dem ganzen Prozedere liegt, das um die Zeremonie gemacht wird. Tief im Inneren wünscht sie sich natürlich dazuzugehören, aber als eine der wenigen, die keine Erfahrung in Sachen Liebe und Sexualität gesammelt haben, fühlt sie sich ausgegrenzt.
Nicht perfekt. Was auch der Kern der Dinge ist, denn Mariel malt, träumt und sammelt Dinge mit Makeln.
Sachen, die die in ihrer Welt als hässlich gelten, faszinieren sie.
Und genau zu dem Zeitpunkt begann ich, sie und die Welt um sie herum zu verstehen. Habe ich vorher vielleicht ein paar Seiten pro Tag gelesen, weil es sich zog, flog ich danach förmlich durch die Story, auch wenn ich nicht alles verstanden habe.
Denn mit der Geschichte verhielt es sich ein bisschen wie mit Alice im Wunderland. Nur vom Gefühl her.
Es gibt drei Welten, drei Bezirke oder bzw Abschnitte, die beschrieben werden.
Nurnen - das Reich der Träume.
Amlon, Xerax und Co - „die Realität“
Und die Außenwelt - also alles, was abseits liegt.
Ich begab mich also mit Mariel und ihren Freunden auf Reisen und hatte irgendwann keine Ahnung mehr, was mich erwartet und wo es mich hinführt. Ihr könnt euch das als Strudel vorstellen, die Geschichte wie ein Sog, der mich nicht mehr losgelassen hat - obwohl ich es stellenweise echt abgedreht und für meine Fantasie zu hoch fand.
Alleine Nurnen war für mich ein gruseliges Spiegelkabinett und dennoch wollte ich wissen, wie es ausgeht.
Mehr noch, ich wollte die Seelenpartner finden. Wollte den Nebel durchbrechen, den Glauben überwinden, wollte mit Tora, Mariel, Sander und Tammo Ängste überstehen. Ich kann das echt schwer in Worte fassen, was dieses Buch mit mir gemacht hat, obwohl es nichtmal ansatzweise die Gefühle in mir ausgelöst hat, die es sollte.
Die Verbindung zur Protagonistin Mariel hat sich immer weiter verstärkt, ich habe Ihre negativen Gefühle verstanden, aber ihre positiven haben mich nicht erreicht. Rückblickend kann ich sagen, dass mich diese Reise trotzdem irgendwie aufgewühlt hat.
Einen Vergleich möchte ich vor dem Fazit noch ziehen:
Mit der Muschelsammlerin verhält es sich wie mit den Pfützen, durch die man als Kind gesprungen ist.
Es gab große Pfützen, flach wie ein Brett und kleine Pfützen, tief wie ein See. Man wusste nicht, was einen erwartet und ist dennoch gesprungen - einfach, weil es Spaß gemacht hat.
Fazit:
„Die Muschelsammlerin“ ist ein schwer einzuschätzendes Abenteuer.
Für viele könnte das Chaos zu Langeweile führen, weil es undurchsichtig wird und man keinem Faden mehr folgen kann.
Für mich ist diese Reise allerdings magisch gewesen. Sie erzählt von Ängsten, Träumen, Seelenabgründen, den Grenzen der Fantasie und einer Rebellion. Und von Liebe natürlich.
Davon, dass sie nicht vorherbestimmt ist.
Davon, dass man auch Ecken und Kanten lieben kann.
Mit Protagonisten, die unterschiedlicher nicht sein könnten und doch irgendwie gleich sind. Die Muschelsammlerin ist, für mich, eine krude Mischung aus dem Wahnsinn von Alice und dem Selbstfindungsweg aus Oz, gepaart mit einer begrenzten Gefühlspalette und einigen langwierigen Hängern.
Für alle, die ihrer Fantasie freien Lauf lassen wollen.
Bewertung:
⭐️⭐️⭐️⭐️ (4/5)