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528 Seiten
Berlin Verlag
1. März 2018
Zum Autor (Quelle: lovelybooks)
Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens: Der 1976 geborene Autor hat Philosophie, Germanistik und Romanistik in seiner Heimat Köln studiert. Seitdem arbeitet er als Lehrer für Deutsch und Philosophie in Bonn und in Köln. Der Schriftsteller, Lyriker und Philosoph ist gleichzeitig der Gründer des Kultur-Blogs KaiserTV und des philosophischen Blogs philosophisch-leben.de. In renommierten Literaturzeitschriften und Anthologien veröffentlichte er Kurzgeschichten und Gedichte. Sein Debütroman „Unter der Haut“ erschien 2018 und erzählt die Geschichte eines Studenten, der auszog, die Kunst der Verführung zu lernen. Gunnar Kaiser wuchs als Einzelkind einer alleinerziehenden Mutter auf, holt sich seine Inspiration im Fitnessstudio oder auf Wanderschaft und lebt immer noch in Köln.
Klappentext (amazon):
New York während des letzten Sommers der 1960-er Jahre: Der Literaturstudent Jonathan Rosen macht die Bekanntschaft des bibliophilen Dandys Josef Eisenstein. Durch den geheimnisvollen älteren Mann lernt der unerfahrene Junge nicht nur die Welt der Kunst und des Geistes, sondern auch die Macht der Verführung kennen und erlebt in diesen hellen Tagen sein Coming of age. Zu einem ersten sexuellen Erlebnis kommt es in Eisensteins Atelier, wo Jonathan mit einer jungen Frau schläft, die beide Männer in einem Diner angesprochen haben. In den folgenden Wochen machen sie sich in den brütend heißen Straßen New Yorks auf die Suche nach neuen »Opfern«. Ihr Muster: Eisenstein, der selber niemals eine Frau berührt, lehrt Jonathan die Kunst der Verführung; sie bringen die Frauen in sein Apartment, wo Jonathan mit ihnen schläft, während Eisenstein sie beobachtet. Mit der Zeit wächst in Jonathan ein Verdacht, dass über seinem Mentor ein dunkles Geheimnis liegt. Doch diese Ahnung wird erst Jahrzehnte später zur Gewissheit, als er in Israel von der ehemaligen FBI-Agentin Sally Goldman aufgesucht wird – denn sie jagt seit langem schon den »Skinner«, einen legendären Serienmörder.
Mein Leseeindruck:
Der Roman beginnt nach dem Muster eines coming of age-Romans im New York der späten 60er Jahre. Hier verbinden sich die Lebensläufe des jungen Jonathan mit dem des alternden Lebemanns Josef, zweier eigenwilliger und unterschiedlicher Männer, die jedoch zwei Dinge gemeinsam haben: zum einen die obsessive Liebe zur Literatur und zum Buch, und zum anderen die Suche nach dem „definitiven Mädchen“ (S. 10), auch wenn ihre Gründe recht unterschiedlich sind.
Süskinds „Das Parfum“ lässt grüßen…
In mehreren Erzählsträngen, zeitlich versetzt, nimmt der Leser teil an diesen Obsessionen, die der jeweilige Erzähler – mal der Ich-Erzähler in der Rückschau, dann ein allwissender Erzähler – episch breit vorstellt. Es fällt leicht, den verschiedenen Erzählsträngen zu folgen: sie sind zeitlich und räumlich präzise verortet, und sie setzen sich durch andere Schrifttypen und, sehr originell, auch durch die jeweilige Orthografie der Zeit voneinander ab.
Dem Roman hätte vor allem zu Beginn eine Straffung gutgetan; die langen Beschreibungen des New Yorker Lebens, der Berliner Szene, des Handwerks der Buchbinderei etc. ermüden und haben mir eine gewisse Durchhaltungskraft abgefordert. Natürlich muss man die großen literarischen, philosophischen und musikalischen Kenntnisse des Autors bewundern, aber sie machen den Roman nicht spannender. Die sprachliche Schönheit dieser Beschreibungen – die mich immer wieder an Thomas Mann erinnert hat - entschädigt ein wenig. Trotz dieser Langatmigkeit gelingt es dem Autor, zunehmend Spannung aufzubauen, die er ab der Mitte weiter dynamisiert und dem Roman tatsächlich zu einem Thriller werden lässt.
Die fanatische Bibliophilie kommt fast einer Vergöttlichung des Mediums Buch gleich, mit der ich mich nicht identifizieren kann. Vor allem deshalb, weil ich in diesem Jahr das Abbrechen von Büchern üben will, die mich nicht packen. Solche Dialoge sind da kontraproduktiv:
„Ich denke, ich lese es nicht weiter.“
„Was? Du kannst doch ein Buch
nicht einfach in der Mitte aufgeben,“
„Warum nicht?“
„Es braucht uns. Ein Buch ist auf
seine Leser angewiesen, um am Leben zu bleiben. Wenn du es nicht ausliest,
tötest du es in der Mitte seines Lebenswegs.“ (Seite 436)
Sehr gekonnt finde ich die Gestaltung des Schlusses. Was ist Wahrheit? Ist der Fall des Skinners von Williamsburg tatsächlich aufgeklärt? Kleine Hinweise wie Namen (Hannah – Ana) lassen den Leser zweifeln. Was sind Fakten, was ist Fiktion an der Autobiografie des Josef Eisenstein? Nichts scheint so zu sein, wie es scheint.
Ein Wort zum Cover: beeindruckend, perfekt zum Inhalt passend!
Menschliche Haut, und durch die cut outs schaut man auf Muskelgewebe.
Fazit:
ein beeindruckender Debut-Roman, über dessen Längen man einfach hinweglesen muss.