Odafe Atogun - Tadunos Lied / Taduno's Song

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    256 Seiten

    Arche Literatur Verlag AG

    Erstausgabe 10. Februar 2017

    Übersetzung aus dem Englischen von Miriam Mandelkow


    Klappentext (Quelle amazon)

    Der berühmte und in seiner Heimat verehrte Musiker Taduno lebt seit drei Monaten im politischen Exil, weil er sich weigert, Loblieder auf das Regime zu singen. Eines Tages erreicht ihn ein Brief von seiner großen Liebe Lela, und was er liest, klingt nicht gut. Voller Sorge kehrt Taduno in sein von Diktatur und Bürgerkrieg gezeichnetes Land zurück. Erstaunt stellt er fest, dass niemand mehr weiß, wer er ist, dass selbst Nachbarn und Freunde ihn nicht mehr erkennen. Es ist, als hätte er nie existiert. Zudem wurde Lela verschleppt, und als er erfährt, wo sie ist, steht er vor einer schweren Gewissensentscheidung.


    Mein Leseeindruck


    Da kehrt ein gefeierter Sänger in seine Heimat zurück – und niemand erkennt ihn. Wie soll das gehen?

    Diese und andere surreale Erzählmomente lassen den Leser schon nach einigen Seiten zur Erkenntnis kommen, dass dieser Roman nicht, wie üblich, eine Geschichte erzählt, die zwar fiktiv ist, aber doch so hätte passieren können. Die Geschichte, die der Autor dem Leser vorlegt, ist eine Parabel, deren Auflösung dem Leser überlassen bleibt.


    Der äußere Ort der Handlung ist das zeitgenössische Nigeria, das Heimatland des Autors. „Unity and Faith, Peace and Progress“ ist der Wahlspruch dieses Landes, aber davon ist Nigeria noch weit entfernt. Das Land wird zerrissen durch Armut, wirtschaftliche Not, ethnische Auseinandersetzungen, Drogenhandel, Korruption, grobe Verletzungen der Menschenrechte etc. – und zusammengehalten wird es durch eine Militärdiktatur, die für die rigorose Ausrottung Andersdenkender sorgt.

    Und das ist das Thema dieses Debutromans.


    Der Sänger Taduno wird durch den Diktator erpresst: singt Taduno ein Preislied auf die Regierung, wird seine entführte Freundin Lela wieder freigelassen und sein finanzieller Wohlstand wird gesichert. Damit gerät Taduno in einen geradezu klassischen, ausweglosen Konflikt und muss sich zwischen Allgemeinwohl und privatem Glück entscheiden. Wie soll er sich entscheiden? Wen bzw. was soll er verraten: seine Überzeugung oder seine Geliebte?


    Er sah die höllischen Mühen ihrer Bewohner. Er sah ihre Angst, den Schmerz und die Hoffnungslosigkeit, die sie rund um die Uhr trieben. Und dieser Anblick bestätigte ihm, dass er sie nicht noch weiter ins Verderben stürzen durfte, indem er ein Loblied auf die Tyrannei sang."

    Der Diktator (General Abacha?) setzt alle Mittel ein, die ihm zur Verfügung stehen: Lockungen und Drohungen, Folter und Festessen. Aber bis zum Schluss bleibt die Spannung erhalten, wie sich Taduno leztlich entscheidet.


    Die Stärke dieses Romans liegt meiner Meinung nach sowohl in den surrealen oder mysteriösen Handlungselementen, die streckenweise an Kafka erinnern, als auch in seiner nüchternen Sprache. Immer ruhig, ohne Aufgeregtheit und Larmoyanz, werden die Geschehnisse kurz und knapp, fast distanziert wiedergegeben. Immer wieder fällt der Märchenton auf, der durch die reduzierten, aufs Wesentliche beschränkten Dialoge verstärkt wird, und hierzu passt auch die Art und Weise, wie der Diktator agiert.


    Besonders gut hat mir – abgesehen vom politischen Thema – das Motiv des Sängers gefallen, das mich an Orpheus erinnert. So wie Orpheus nur mit seiner Lyra denkbar ist, so wird Taduno (auch im Gefängnis) von seiner Gitarre begleitet; und so wie Orpheus mit der Schönheit seines Gesangs Unbelebtes und Belebtes, sogar die Götter verzauberte, so betört Taduno die Menschen seiner Stadt.


    Fazit:

    Ein lesenswerter kleiner Roman um Menschlichkeit und Verantwortung, um Identität, um Moral, um Freiheit und Gewissen, um Zivilcourage, gegen die Tyrannei, aber auch eine Parabel über die Macht der Musik.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:







    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • K.-G. Beck-Ewe

    Hat den Titel des Themas von „Odafe Atogun - Tadunos Lied“ zu „Odafe Atogun - Tadunos Lied / Taduno's Song“ geändert.
  • und zusammengehalten wird es durch eine Militärdiktatur, die für die rigorose Ausrottung Andersdenkender sorgt.

    Korrektur: Das bezieht sich auf die Zeit, in der der Roman handelt.

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).