Fabio Volo - Noch ein Tag und eine Nacht / Il giorno in più

  • Inhalt:

    Giacomo hält sich selbst eigentlich für beziehungsunfähig - kaum hat er eine Frau kennen gelernt, verliert er schon wieder das Interesse und sucht nach der Nächsten. Mit einer Ausnahme: Da ist diese Frau, die er jeden Morgen nur für ein paar Minuten in der Straßenbahn sieht. Er weiß nichts über sie, aber sie fasziniert ihn. Eines Morgens spricht sie ihn plötzlich an - um sich zu verabschieden! Sie verlässt das Land und zieht nach New York. Damit scheint die Romanze, die Giacomo sich im Geiste tausendmal ausgemalt hat, zu enden, bevor sie überhaupt begonnen hat. Aber Michela will ihm einfach nicht aus dem Kopf gehen und so reist er ihr schließlich hinterher, um festzustellen, dass sie sich ihre ganz eigene Geschichte für sie beide ausgedacht hat. Sie macht Giacomo einen recht ungewöhnlichen Vorschlag...


    Aufbau:

    Die Geschichte wird (nach einem kurzen Prolog) chronologisch aus Giacomos Sicht erzählt. Das hat mir gut gefallen, denn 90% der Geschichte sind nur Giacomo und Miachela anwesend, da hätte eine Außenperspektive voyeuristisch gewirkt, als würde man ihnen nachspionieren. So aber ist man mittendrin im Gefühlswirrwarr und bekommt die Sorgen und Nöte des Protagonisten hautnah mit. Die ganze Geschichte umspannt etwa ein Dreivierteljahr, der größte Teil der Handlung spielt sich aber innerhalb von knapp zwei Wochen ab, sodass sich das Geschehen schnell entwickelt und man keine langen "Durststrecken" überwinden muss. Zwar werden immer wieder Geschichten und Begebenheiten aus der Vergangenheit eingestreut, aber insgesamt verläuft die Handlung sehr stringent und zügig.


    Meine Meinung:

    Den Aufhänger der Geschichte, Michelas Idee, fand ich witzig und ich kann mich auch nicht an allzu viele andere Liebesgeschichten mit einem ähnlichen Plot erinnern. Also zumindest für mich war es erfrischend anders (ich bemühe mich, nicht zu sehr um den heißen Brei herumzureden, aber es ist echt schwierig, ohne den Witz an der Handlung zu verraten:-k).

    Leider scheint die Kreativität des Autors an diesem Punkt schon fast erschöpft gewesen zu sein, denn was er dann als diese "ganz spezielle und ausgefallene Beziehung" zwischen Giacomo und Michela beschreibt, klingt für mich ziemlich normal (oder ich hatte bisher auch nur extrem exotische Beziehungen:loool::loool:): die beiden kochen gemeinsam, gehen spazieren, besuchen Restauraunts, hören Musik... das klingt für mich einfach nach zwei Menschen, zwischen denen die Chemie stimmt. Versteht mich nicht falsch, die Botschaft, dass mit der richtigen Person auch kleine Alltagsdinge besonders werden, weiß ich durchaus zu schätzen, aber es passt nicht ganz zu dem großen Tamtam, das um diese Zweisamkeit gemacht wird und ich hatte nach dem vielversprechenden Beginn auf etwas Ausgefalleneres gehofft.

    Dazu, dass die Handlung nicht ganz rund erscheint, tragen auch die Gespräche der beiden Protagonisten bei. Da schaltet Volo nämlich zeitweise von romantisch-verliebt zu sehr sachlich rationalen Argumentationsketten um. Wenn Michela sehr durchdacht Giacomo ihre Ansichten über Eigenständigkeit, Beziehungen und Familienplanung darlegt, befindet man sich plötzlich in einem Dialog über Gesellschaftskritik und überholte Rollenmuster. Dass Volo versucht, seinem Roman so viel "Tiefe" zu geben, ehrt ihn, aber er schafft es leider nicht, die verschiedenen Ebenen sauber zu verbinden. Ich mag es sehr, dass Volo seine Protagonistin nicht kopflos verknallt mit Herzchenaugen rumrennen lässt, aber wenn ihr emanzipatorisches Manifest aus heiterem Himmel ins romantische Schaumbad platscht, reißt mich das ohne Vorwarnung aus der eigentlichen Handlung.

    Fazit:

    Ich habe mich gut unterhalten gefühlt und mir sogar ein paar Sätze markiert. An einigen Stellen hat mich der Autor mit seinen sehr ernsthaften Analysen von Beziehungs- und Familienstrukturen positiv überrascht, dann wiederum glitt die Geschichte für mich zu sehr in Banalitäten, Kitsch und Klischee ab. Der Autor bemüht sich, seine Figuren zu unverwechselbaren Charakteren zu formen und eine wirklich tiefgehende Beziehung zwischen den Protagonisten aufzubauen, aber leider hält er das nicht konsequent durch.

    Solide :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:  

    "We're all stories in the end. Just make it a good one." - The Doctor


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