Serhij Zhadan - Internat

  • Autor: Serhij Zhadan

    Titel: Internat

    Seiten: 301

    ISBN: 978-3-518-42805-4

    Verlag: Suhrkamp

    Übersetzer: Juri Durkot, Sabine Stöhr


    Autor:

    Serhij Zhadan wurde 1974 geboren und ist ein ukrainischer Schriftsteller, Dichter und Übersetzer. Nach der Schule studierte er zunächst Literaturwissenschaften, Ukrainistik und Germanistik. Er organisiert Literatur- und Musikfestivals und verfasst Rocksong-Texte. 2007 erschien sein erster Roman. 2006 wurde er mit dem Hubert Burda Preis für junge Lyrik ausgezeichnet, Zhadan war zudem Aktivist der Orangenen Revolution. 2014 schilderte er in der FASZ seine Erfahrungen der Erstürmung der Gebietsverwaltung von Charkiw, wurde dafür von prorussischen Kräften krankenhausreif geschlagen. Seine Romane wurden mehrfach ins Deutsche übersetzt, und zahlreich ausgezeichnet. Der Autor beschäftigt sich vornehmlich mit dem Zeitgeschehen seines Heimatlandes.

    Inhalt:

    Mit Politik hatte hier keiner was im Sinn. Doch als plötzlich geschossen wird, kann sich niemand mehr raushalten. Auch Pascha nicht, der Lehrer, der sein ganzes leben in einer Bergarbeitersiedlung im Donboss verbracht hat. Er bricht auf, quer durch die Stadt, zum Internat, um seinen Neffen in Sicherheit zu bringen. Nach einer odyssee durch die einst vertraute, jetzt zerstörte Gegend ist für Pascha nichts mehr wie zuvor. Ein Roman über den unerklärten Krieg und den Versuch, dem sinnlosen Sterben zu trotzen. (Klappentext)


    Rezension:

    Es herrscht Krieg und irgendwer muss ja das Kind aus dem Frontbereich herausholen. Dort ist es in einem Internat untergebracht, abgeschoben von der Mutter, die den an Epilepsie leidenden Sohn an sich froh war, los geworden zu sein. Ein Problem weniger. Doch, das Land ist im Ausnahmezustand. Kämpfe nähern sich der Stadt. Und so beschließt Pascha seinen Neffen aus dem brodelnden Krisenherd herauszuholen, nur ist er selbst der feigste Mensch, den man sich vorstellen kann. Serhij Zhadan erzählt in seinem neuen Roman die Geschichte eines Menschen, der langsam merkt, wie es ist, es sich zu leisten, keine Nachrichten zu sehen, sich nicht zu positionieren in einer Zeit, die gerade nach Einordnung verlangt, und warum selbst der größte Feigling in besonderen Zeiten über sich hinauswachsen muss.


    In dieser Geschichte stinkt es nach nassen Hund, es regnet permanent und der Begriff Ukraine wird nicht erwähnt. Tatsächlich erzählt der Autor eine Geschichte, wie sie sich tatsächlich in seinem Heimatland hätte abspielen können, doch könnte man die Erzählung an jeden Krisenherd der Welt spielen lassen. und obwohl das alles so grausam, so schrecklich ist, man muss sich an einigen Stellen wirklich zwingen zu lesen, kann man sich nicht dem Sog entziehen. Zumal der Hauptprotagonist trotz aller Schwächen irgendwie sympathisch ist, nicht zuletzt später im Zusammenspiel mit dem dreizehnjährigen Rotzlöffel Sascha, der den invaliden Lehrer nur langsam als eine Art Ersatzvater anerkennt.


    Serhij Zhadan zwingt den Leser sich zu beschäftigen, mit einem hierzulande fast verdrängten Konflikt, der doch dennoch nah ist. Er zwingt, Stellung zu beziehen, zu einem menschlichen Drama, welches durchzogen ist von Leid, Elend und Hoffnungslosigkeit und macht dies, hervorragend übersetzt durch Juri Dukot und Sabine Stöhr, auf eine so eindrückliche Art und Weise, dass man dem Autoren nur Beifall zollen kann. Es ist mit so wenigen Seiten zwar äußerlich ein eher unscheinbarer Roman, dessen Inhalt man jedoch nicht so schnell vergessen kann, vergessen will. Zu tief wachsen einem Pascha und Sascha ans Herz. Fast würde man gerne in die Zukunft schauen, um zu erleben, was aus den beiden Protagonisten werden wird. Alleine, den Blick in die Kristallkugel wagt selbst der Autor nicht. Zu tief sind die Wunden, zu unbeständig die Risse, die der Krieg in die Heimat Zhadans vollzogen hat.


    Am Ende bleibt man ratlos zurück, ernüchtert. Hoffen wir nur das Beste für die Zukunft der Saschas auf dieser Welt und auf viele, über sich hinauswachsende Menschen wie Pascha. "Rettest du ein Leben, so rettest du die ganze Welt.", so steht es im Talmud, dieser Ausspruch gilt jedoch überall. Mit der Aufmerksamkeit, die dieses Buch wieder auf den immer noch schwelenden Konflikt in der Ukraine lenkt, ist schon mal ein erster Schritt dafür getan. In sehr drängender Sprache erzählt der Hauptprotagonist von seinem beschwerlichen Weg, nicht nur zur Rettung des Neffen, sondern auch zur Selbsterkenntnis. Ihm wird dann nochmal von Sascha der Spiegel vorgehalten. Nein, der Hauptprotagonist wird in ein ganzes Spiegelkabinett gesteckt. Wer dies und anderes lesen, wer etwas erfahren möchte, über Ausnahmesituationen, und was diese mit uns Menschen machen können, für den ist dieser Roman. Ansonsten ein hervorragend erschreckend erzähltes Stück Zeitgeschichte.

  • Squirrel

    Hat den Titel des Themas von „Serhij Zhadan - Internat / Internat“ zu „Serhij Zhadan - Internat“ geändert.
  • Nachdem ich das Buch von Tanguy Viel gelesen hatte griff ich nun zu dem Roman von Serhij Zhadan. Leider musste ich ihn wieder beiseite legen, obwohl er sehr aufwühlend schreibt, apokalyptische Szenario entstehen lässt. Jedoch habe ich zu meinem Ärgernis die Rezension von findo gelesen wo er schreibt.

    ...nur ist er selbst der feigste Mensch, den man sich vorstellen kann.


    Da ich den Protagonisten anders wahrnehme -er ist pessimistisch - verzagt (wer wäre das nicht wenn er in einem Lande leben würde welches erschüttert wird von ständigen Kriegen, wobei man nicht weiss wer Feind, wer Freund) - er ist ängstlich - mutlos - innerlich zerrissen was man tun sollte was nicht - allerdings auch unzufrieden - energielos- jedoch meiner Meinung nach, ist Feigheit das falsche Wort für Pascha.

    Denn trotz aller seiner Schwächen, er entwickelt sich, schüttelt sein Unvermögen tatkräftig zu sein von sich und beginnt mutig zu werden.


    Unnötigerweise drängt sich das lästige Wort bei gewissen Szenarien trotzdem in den Vordergrund, es gelingt mir im Moment nicht, diese Aussage zu vergessen. Deshalb habe ich das Buch weg gelegt und werde es zu einem besseren Zeitpunkt lesen, denn es interessiert mich sehr.

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter