Der König der letzten Tage

Buch von Pierre Barret, Jean-Noel Gurgand

Bewertungen

Der König der letzten Tage wurde bisher einmal bewertet.

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Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Der König der letzten Tage

    […]
    Die Geschichte:
    Die religiöse Bewegung der "Wiedertäufer" war ein Phänomen, das in mehreren Ländern Europas im Übergang vom spätem Mittelalter zur frühen Neuzeit auftrat, in Frankreich und vor allem im flämischen Teil der Niederlande. Die in diesem Buch beschriebenen Neobaptisten von Münster herrschten in dieser Stadt von 1534 - 1535.
    Die Wiedertäufer waren eine evangelische Religionsgemeinschaft, die die Taufe kleiner Kinder für sinnlos hielt; denn in der Schrift hieße es: wer da glaubet und getauft wird, wird selig werden, neugeborene Kinder aber nicht glauben könnten. Außerdem seien in der Bibel nur Erwachsene getauft worden.
    Die Bischofsstadt Münster, nahe der niederländischen Grenze, war seit 1530 dem evangelischen Glauben zugeführt worden, ebenso wie der Bischhof von Münster Franz von Waldeck dem Protestantismus anhing.
    Die politische Situation in Münster war 1534 instabil, es gab schwere Differenzen zwischen den Handwerkergilden, dem städtischen Patriziat und dem Rat, vertreten durch die sog. Drosten, Ratsmännern die dem patrizischen Adel entstammten.
    Diese Wirren machten sich die aus Holland stammenden Wiedertäufer Jan van Leyden und Jan Mathys zunutze, in dem sie mit den Ratsmitgliedern Bernd Rothmann und Heinrich Knipperdollinck, die Abschaffung der Kindertaufe und die Errichtung einer apokalyptischen, endzeitlich orientierten religiösen Bewegung in der Stadt durchsetzten.
    ( Eschatologische Bewegung: die Zeit geht dem Weltenende zu, daher "König der letzten Tage" )
    In der durch die Streitigkeiten radikalisierten Bürgerschaft konnte dieses Vorhaben in die Tat umgesetzt werden und endete unter Entmachtung der Stadtpfarrer und oppositionellen Stadträte in einer erfolgreichen Revolte.
    Unter Jan van Leyden radikalisierte sich die Bewegung zunehmend, es wurden Todesurteile und Folterungen gegen die Gegner des Täufertums in grosser Zahl vollstreckt und das Leben der Gemeinschaft nahm alle Strukturen eines totalitären Regimes an.
    Die Reformatoren genannte Troika, Jan Mathys, Jan van Leyden und Knipperdollinck, ein einheimischer Kaufherr, übernahm die völlige Kontrolle über die Stadt und die Bevölkerung. Da es in Münster dreimal mehr Frauen als Männer gab, wurde zudem die Poligynie eingeführt, jeder Einwohner konnte sich mit mehreren Frauen zur Lebensgemeinschaft verbinden.
    Das wollte weder der Bischof, noch der Kaiser und andere Kirchenhäupter dulden.
    1535 schließlich hatte der Bischof Franz von Waldeck eine Streitmacht aufgestellt, die die Rückeroberung Münsters in die bischöfliche Gewalt erzwingen sollte.
    Mehrere Sturmversuche scheiterten an der gut organisierten Stadtwehr und erst nach langer Belagerung und Aushungerung gelang Ende 1534 die Einnahme der Stadt durch bischöfliche Truppen.
    Fazit:
    Die Wiedertäufer waren eine temporäre Erscheinung in der Folge der Reformation, die Rückbesinnung auf das reine Bibelwort durch die Lutheraner ging ihnen nicht weit genug. Sie waren Puristen und in ihrem Erscheinungsbild eine fundamentalistische Bewegung. Dabei waren fruchtbare politische Ansätze durchaus gegeben, z.B. eine gerechtere Verteilung der Güter als Gemeinschaftsbesitz und eine Aufhebung der Ständeordnung zur Gleichstellzng aller Gläubigen.
    Aber wie alle totalitären Systeme scheiterte auch dieses System zuletzt an den eigenen Ansprüchen und an den Unzulänglichkeiten der Anthropologie. Die menschliche Gier nach Macht und Besitz, die Eifersucht und der Fanatismus, der Hass und die Ausgrenzung Andersdenkender höhlten auch diese Bewegung aus und ließ sie gründlich scheitern.
    Nach der Rückeroberung Münsters wurden alle Gefangenen Führer der Wiedertäufer hingerichtet, einige in Käfigen zur Schau gestellt, bis zum Hungertod.
    Trotz ihrer zum Teil berechtigten Kritik am Kirchen und Regierungssystem war die Gruppe der Wiedertäufer nicht auf die erfolgreiche Übernahme der Macht vorbereitet und versagte letztlich in der Errichtung eines gangbaren Weges für ein neues christliches Zusammenleben. Was bleibt ist ein hochinteressante Phänomen
    Pierre Barret und Jean - Noel Gurgand sind beide französische Journalisten, die sich sehr gründlich mit dem Thema der Neobaptisten vertraut gemacht haben. Das im Stil einer Reportage geschriebene Buch kann absolut als Sachbuch zum Thema gelten, denn alle Angaben und Aussagen sind anhand eines sehr genauen Anhangs unter Angabe der einschlägigen Literatur belegt. Die Recherche war gründlich und hinterlässt keine losen Fäden, die das Verständnis erschweren. Eine durchaus solide Arbeit, die sich zudem spannend wie ein Roman lesen läßt.
    Somit gute 4 1/2 und eine Leseempfehlung.
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Ausgaben von Der König der letzten Tage

Taschenbuch

 

Hardcover

Seitenzahl: 336

Besitzer des Buches 2

  • Mitglied seit 8. Dezember 2020
  • Mitglied seit 31. Oktober 2006
Update: