Erzählende Affen: Mythen, Lügen, Utopien: Narrative vom Patriarchat oder der Klimakrise

Buch von Samira El Ouassil, Friedemann Karig

  • Kurzmeinung

    Abroxas
    Informativ, unterhaltsam und cool
  • Kurzmeinung

    FrankWe
    Ein extrem informatives und anregendes Buch über die Bedeutung von Narrativen

Zusammenfassung

Inhaltsangabe zu Erzählende Affen: Mythen, Lügen, Utopien: Narrative vom Patriarchat oder der Klimakrise

Eine starke Geschichte kann die Welt retten – oder sie zerstören. Sie kann Wahlen entscheiden, Menschenleben retten, aber auch Kriege auslösen und Ungerechtigkeit zementieren. Samira El Ouassil und Friedemann Karig verfolgen diese ambivalente Wirkungsmacht anhand wichtiger Narrative von der Antike bis zur Gegenwart. Und sie zeigen, welche Erzählungen uns heute gefährden und warum wir neue benötigen. Wie gelingt es, den Klimawandel so zu erzählen, dass er zum Handeln drängt? Aus welchen Überlegenheitsmythen entstehen Rassismus und Antisemitismus? Mit welchen Storys manipulierte Trump seine Anhänger, und weshalb verfangen die Lügen der Querdenker und Verschwörungsideologen? Was erzählen wir seit jeher über uns selbst ‒ als Deutsche, als Europäer, als Humanist*innen, über unsere Republik? Gibt es Alternativen dazu? Wie könnte eine wirkungsmächtige neuen Erzählung der Aufklärung aussehen?Geschichten sind ein maßgeblicher Teil unserer Sozialisation. Sie durchdringen Politik, Medien und Kultur, lehren uns, unterhalten uns, verführen uns, beeinflussen unsere Wirklichkeitswahrnehmung - vom griechischen Drama bis zur Netflix-Serie.
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Bewertungen

Erzählende Affen: Mythen, Lügen, Utopien: Narrative vom Patriarchat oder der Klimakrise wurde insgesamt 4 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 4,8 Sternen.

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Meinungen

  • Informativ, unterhaltsam und cool

    Abroxas

  • Ein extrem informatives und anregendes Buch über die Bedeutung von Narrativen

    FrankWe

Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Erzählende Affen: Mythen, Lügen, Utopien: Narrative vom Patriarchat oder der Klimakrise

    Klappentext/Verlagstext
    Eine starke Geschichte kann die Welt retten – oder sie zerstören. Sie kann Wahlen entscheiden, Menschenleben retten, aber auch Kriege auslösen und Ungerechtigkeit zementieren. Samira El Ouassil und Friedemann Karig verfolgen diese ambivalente Wirkungsmacht anhand wichtiger Narrative von der Antike bis zur Gegenwart. Und sie zeigen, welche Erzählungen uns heute gefährden und warum wir neue benötigen. Wie gelingt es, den Klimawandel so zu erzählen, dass er zum Handeln drängt? Aus welchen Überlegenheitsmythen entstehen Rassismus und Antisemitismus? Mit welchen Storys manipulierte Trump seine Anhänger, und weshalb verfangen die Lügen der Querdenker und Verschwörungsideologen? Was erzählen wir seit jeher über uns selbst ‒ als Deutsche, als Europäer, als Humanist*innen, über unsere Republik? Gibt es Alternativen dazu? Wie könnte eine wirkungsmächtige neuen Erzählung der Aufklärung aussehen? Geschichten sind ein maßgeblicher Teil unserer Sozialisation. Sie durchdringen Politik, Medien und Kultur, lehren uns, unterhalten uns, verführen uns, beeinflussen unsere Wirklichkeitswahrnehmung - vom griechischen Drama bis zur Netflix-Serie.
    Die Autoren
    Samira El Ouassil, geboren 1984 in München, ist eine deutsche Autorin, Schauspielerin, Musikerin und Politikerin. Seit September 2018 schreibt sie für das Onlineportal "Übermedien" die Kolumne "Wochenschau". Seit 2019 moderiert sie zusammen mit Christiane Stenger den philosophischen Audible-Podcast "Sag niemals Nietzsche". Seit 2020 schreibt sie eine Online-Kolumne beim "Spiegel". Zusammen mit Friedemann Karig moderiert sie seit 2020 den Podcast "Piratensender Powerplay". El Ouassil ist Sängerin der Band Kummer und Mitglied im Verein Mensa.
    Friedemann Karig, geboren 1982, studierte Medienwissenschaften, Politik, Soziologie und VWL und schreibt unter anderem für die "Süddeutsche Zeitung", das "SZ-Magazin", "Die Zeit" und "jetzt". Er moderierte das für den Grimme-Preis nominierte Format „Jäger&Sammler“ von „funk“, dem jungen Online-Angebot von ARD und ZDF. "Dschungel" war sein literarisches Debüt, zuvor erschien 2017 sein Buch „Wie wir lieben. Vom Ende der Monogamie“. Karig lebt in Berlin und München.
    Inhalt
    Fabio Genovesi hat (unter vielen anderen Autoren) in „Die Botschaft der Riesenkalmare“ zuletzt anschaulich gezeigt, dass es ohne Geschichten keine Utopien, keine Entdeckungen und auch keine Problemlösungen geben kann.
    Samira El Ouassil und Friedemann Karig zeigen, angelehnt an klassische Heldenreisen (stets von Männern), mit welchen Narrativen die Menschheit aktuell ihre drängendsten Problem zu erklären versucht. Wir erfahren vom Schema aller Legenden aus Reise, Suche, Reifung und Wandlung, über Mentoren, Verbündete und Feinde, von Schätzen, Bewährungsproben und der glücklichen Rückkehr in die vertraute Umgebung. Archetypen von Heldengeschichten kennen wir aus Sagen, Märchen, Filmen, Comics und PC-Spielen, ob ihre historischen Vorbilder in den Masterplots von heute uns bewusst sind oder nicht. Legenden dienten ursprünglich zur niederschwelligen Erziehung für ein Leben im Kollektiv und Vorbereitung auf das Erwachsenenleben; denn nur ein Held, der überlebt, kann uns heute seine Geschichte erzählen. Wer Geschichten liest, hält sich nicht nur geistig beweglich, sondern schafft damit ständig neue Verknüpfungen im Gehirn, die im EEG und MRT sichtbar werden.
    Narrative zeigen uns, wer wir sind und wer wir sein sollen, bisher demonstrierten sie jedoch oft nur die WASP-Schablone als Normalität, die das Leben von weißen, christlichen, heterosexuellen Männern als Norm vorgibt und alle anderen Lebensformen als unnormal definiert. Narrative als Darstellungsweise werden in „Erzählende Affen“ mit hochinteressanten Themen verknüpft. Welche Stereotypen durch Bilder zu erzeugen sind, wie Soziale Medien und Online-Spiele das Erzählen verändert haben, wie mächtige Einzelpersonen sich „alternative Fakten“ schaffen konnten und welchen Einfluss Werbung und Influencer auf uns haben. Besonders interessant fand ich, wie Moderne Medien das Stammesdenken/den Tribalismus stützen können, indem sie ihre Nutzer durch Fan-Kultur und Belohnungssysteme dressieren, „uns“ und „die Anderen“ streng zu trennen.
    Wichtige Themen sind die derzeit abnehmende Ambiguitätstoleranz, ebenso wie die aktuell verstörend schwindende Fähigkeit, zwischen Identität und Narrativ zu unterschieden, vereinfacht: Ertragen, dass Personen unterschiedliche Meinungen haben und Diversität menschliche Beziehungen nicht ausschließen muss. Weiter geht es mit „Märchen für Erwachsene“, d. h. Lügen durch Lobbyismus, Profitstreben, korrupte Staatsführer, der Konstruktion von Rasse in der Epoche des Kolonialismus und Verschwörungsmythen. Ähnlich dauerhaft wie der Tellerwäscher-Mythos (Jeder kann durch Leistung Erfolg haben) haben sich zwar die Mythen über das Verhältnis von Mann und Frau halten können, sie scheinen jedoch wenig tauglich zur Lösung aktueller Probleme zu sein.
    Spätestens zur Erklärung von Klimakrise, Pandemien, dem Incel-/Lone-Wolf-Phänomen als Teil des Terrorismus und dem rasanten Zuwachs ultrarechter Positionen scheinen mir klassische Narrative nicht mehr geeignet, weil all diesen Phänomenen ein Ursachenbündel zugrundeliegt, das für meinen Geschmack auch hier nicht befriedigend aufgedröselt wird.
    Fazit
    „Erzählende Affen“ liest sich - in kleinen Portionen - angenehm, erweitert den eigenen Blickwinkel und bietet eine umfangreiche Literaturliste. Zufrieden bin ich am Ende nicht, weil Narrative zwar für die Zuhörer/Leser bequeme Transportmittel sind, die drängenden Probleme der Gegenwart jedoch Empirie und kausales Denken erfordern.
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  • Rezension zu Erzählende Affen: Mythen, Lügen, Utopien: Narrative vom Patriarchat oder der Klimakrise

    Der Begriff „Narrativ“ hat in den letzten Jahren eine steile Karriere hingelegt. Nicht zuletzt die Bücher von HARARI haben auf die kaum zu überschätzende Bedeutung hingewiesen, die alle Arten von Erzählungen für die Entstehung und Weiterentwicklung menschlicher Kulturen hatten und haben.
    Das vorliegende Buch ist nicht weniger als der (gelungene) Versuch, einen kulturhistorischen Gesamt-Bogen der menschlichen Erzählungen zu schlagen – vom Frühmenschen (der sinniger Weise hier „Homo narrans“ genannt wird), bis zum Lügenbaron Trump (und darüber hinaus).
    Das beeindruckende Buch (520 Seiten, toll gestaltetes Cover) hat ein eindeutiges Ziel: Es will belegen, dass wir die brennenden Zukunftsthemen nur mithilfe von starken Geschichten lösen können, die bestehende (eindeutig dysfunktionale, aber wirkmächtige) Narrative ersetzen können. Insofern liegt hier keine streng wissenschaftliche Publikation vor; die Autoren sind nicht neutral, vertreten offen ihre Werte (die einem humanistischen, fortschrittlichen und säkularen Weltbild entsprechen).
    Doch es wird schnell deutlich: Diese beiden Autoren sind auch verliebt in Geschichten! Das, was sie uns über Erzählungen erzählen, geht weit über das hinaus, was für ihre Argumentationslinie notwendig gewesen wäre. In diesem Buch wird nicht nur informiert und aufgeklärt – hier wird das Erzählen begeistert zelebriert. Man kann sich bei Lesen kaum vorstellen, dass die Autoren zu den unzähligen Beispielen nicht (auch) irgendeine persönliche Beziehung haben.
    So lebt das Buch davon, dass die aufgespannte Erzählwelt eben nicht nur funktionalen Charakter hat, sondern einen eigenen Wert. So geht lebendige Informations-Vermittlung!
    Den Startpunkt setzen die Autoren mit der Analyse der Erzählstrukturen von Heldengeschichten. Sie nehmen sich viel Zeit für die 12 typischen Stufen und unterfüttern sie mit Beispielen aus dem gesamten historischen Fundus. Dabei legen sie Wert darauf, dass nicht nur klassisch gebildete Altphilologen, sondern auch moderne Mediennutzer voll auf ihre Kosten kommen (Film-Freaks und Fantasy-Leser sind eindeutig im Vorteil). Genannt werden auch typische inhaltliche Plots (von Rivalität, Aufstieg und Absturz).
    Weiter geht es mit der evolutionären Bedeutung des Erzählens – vom ersten Lagerfeuer bis zum Tanz um die Selbstdarstellung und –verwirklichung in der Moderne. Der Zusammenhang zwischen Sprache und Denken wird genauso thematisiert wie die Verbindung zwischen Wort und Bild und die digitale Medien-Revolution, mit deren Tsunami-Wellen wir immer noch zu kämpfen haben.
    Dann wird das Buch eher gesellschaftspolitisch und wendet sich ausführlich den großen Narrativen zu, mit denen die Rahmenbedingungen gesetzt und begründet wurden, die seit einigen Jahrhunderten unseren Alltag bestimmen: Es geht um Militär, um die Wirtschaftsordnung, die Monarchie, um die Leistungsgesellschaft, die Erfindung der Rassen, den Antisemitismus und letztlich die Ideologie der „Rechten“ Verführer (vom Faschismus bis zu aktuellen Verschwörungstheorien).
    Noch tiefer analysiert werden die fest verankerten nationalen Selbsterzählungen der USA und Deutschlands; gefolgt von einer gründlichen Entlarvung all der Narrative, mit denen eine Unterdrückung und Benachteiligung des weiblichen Geschlechts gerechtfertigt wurde.
    Mit dem Themenschwerpunkt „Klima-Krise“ (mit einem Corona-Exkurs) lenken die Autoren ihren Plot auf die Zielgerade. Auf den verbleibenden ca. 100 Seiten werden folgende Fragen behandelt: Warum ist es so schwer, eine wirkmächtige Klima-Erzählung zu ersinnen? Warum sind Geschichten so attraktiv, die uns einen individualistischen Selbstbezug schmackhaft machen wollen (von Astrologie bis Achtsamkeit)? Wie könnte ein zukünftiges Narrativ überhaupt aussehen – bei einer Ausgangslage, die so gar nicht zu den Regeln der klassischen Heldensage passen?
    Kritisch könnte angemerkt werden, dass die letztlich entscheidende Antwort der Autoren ein wenig kurz ausfällt – angesichts der bis zu dieser Stelle aufgetürmten Analysen und Erkenntnissen. Sie wollen die gewaltbestimmten Megathemen hinter sich lassen, wollen Raum für positive Utopien schaffen, wollen deutlich machen, dass es die Gegenwart ist, die durch eine dystrophe Erzählung bestimmt wird (die nur deshalb akzeptiert wird, weil sie fälschlicherweise für „normal“ gehalten wird.)
    Dieses Buch stellt eine wahrhaft beeindruckende Gesamtleistung dar, vor der man als Leser den Hut ziehen möchte. Wer schon mal selbst geschrieben hat, hat vielleicht eine Ahnung davon, was ein Projekt dieser Größenordnung beinhaltet.
    Das Ergebnis ist ein Lesevergnügen, von dem ganz sicher auch Leser/innen profitieren, die nicht jeder Schlussfolgerung oder Wertung zustimmen. Man kann dieses Buch nicht lesen, ohne danach klüger zu sein, sich angeregt zu fühlen, weiterzudenken.
    Es lohnt, sich für dieses Buch etwas Zeit freizuschaufeln, denn es hat mit Sicherheit Langzeitwirkungen in Bezug auf das eigenen Weltverständnis.
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Ausgaben von Erzählende Affen: Mythen, Lügen, Utopien: Narrative vom Patriarchat oder der Klimakrise

Hardcover

Seitenzahl: 528

Besitzer des Buches 6

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