Wilhelm von Ockham. Gelehrter, Streiter, Bettelmönch

Buch von Volker Leppin

Bewertungen

Wilhelm von Ockham. Gelehrter, Streiter, Bettelmönch wurde bisher einmal bewertet.

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Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Wilhelm von Ockham. Gelehrter, Streiter, Bettelmönch

    Ein Rasiermesser ist nicht wirklich das ideale Instrument, die Arbeit eines Scholastikers zu kennzeichnen. Wenn er Wilhelm (William) von Ockham heißt, aber schon:
    "Suche nicht nach unzähligen Begrifflichkeiten, deinen Gedanken zu erklären. Nutze wenige Variablen mit höchster Sparsamkeit, stelle sie in einen logischen Zusammenhang zueinander und schließe alle übrigen aus. Die einfachste Erklärung ist allen anderen vorzuziehen."
    Diese Form der Heuristik (Methodik der Problemlösung) ist in die Literatur eingegangen als "Ockhamsches Rasiermesser" und sagt schon das Meiste über diesen Rationalisten der Scholastik aus. Sie war die Basis für den Siegeszug, den die Erkenntnistheorie, Logik und Naturphilosophie Ockhams an den Universitäten des Spätmittelalters feierte.
    Voraus ging ein Streit der Franziskaner mit Papst Benedikt XII. um die Armut des Ordens. Wilhelm von Ockham wurde Kraft seiner Überzeugungsfähigkeit schnell zum Vordenker des Ordens. Ockhams strukturelle politische Theorie der Armut bezog sich auf die Urzustände des Eigentums nach der Vertreibung des Menschen aus dem Paradies. Gott räumt dem gefallenen Menschen ein, sich gegenüber seinen Artgenossen durch Ausgrenzung besonderer Gegenstände, Sondernutzungsrechte in Verabredung zu sichern, um sich bessere Lebensumstände zu sichern. Somit ist Eigentum von Gott zwar erlaubt, nicht aber auch von Gott eingesetzt. Der Unterschied ist wichtig. Wäre das Eigentum göttliche Stiftung, könnte nur Gott das Eigentumsrecht ändern. So aber ist das Eigentum durch die Verabredung historisch, könne also der Eigentumsbegriff gewandelt und modifiziert werden. Eigentum ist keine göttliche Schöpfung, gehört nicht zur Grundausstattung des Menschen und darf in Not angeeignet werden. Der Eigentumsbegriff ist wandelbar. Es gibt ein Gebrauchsrecht, dem Eigentumsrecht übergeordnet.( Breveloquium)
    Die Brisanz ist offensichtlich, hier wird ein Grundrecht auf Widerstand formuliert, das die Aneignung von Eigentum einbezieht.
    "Ein Volk, dem sein Herrscher nicht zu helfen vermag, muß sich selbst helfen".
    Ockham entwickelte keine Staatstheorie, sondern eine Sozialtheorie am Modell der Kirche.
    Herrschaft müsse sich nicht nur selber an einer Herrscherethik messen - das war der Versuch des Mittelalters bisher, Willkür zu bändigen - bei Ockham muss der Herrscher sich auch von den Beherrschten an seiner Funktionserfüllung messen lassen.
    " Der König steht im Regelfall über seinem Reich. Dennoch ist er im besonderen Fall seinem Reich unterworfen. Im Notfall ( casus necessitatis) kann das Reich dem König die Macht entziehen."
    Ockham stützt das Recht auf die franziskanische Armutspräambel auf Tradition und Naturrecht. In seiner "Materia cognitandi" vergleicht er wiederstandsloses Fügen in einen als falsch erkannten Weg der Herrschaft mit dem Sündenfall.
    Die Gebrauchsverfügung der Herrschaft unterscheidet sich substanziell von der göttlichen Verfügung. Wie auch Thomas von Aquin bezieht sich Wilhelm dabei auf Aristoteles und dessen "Nezessitarismus", der Notwendigkeitslehre. Der Notwendigkeit der Dinge fügt Wilhelm die Kontingenz der Schöpfung hinzu, der Verhältnismäßigkeit der Dinge. Ockham schätzt das Handeln Gottes als rational ein, aber als nur begrenzt durch die menschliche Vernunft einsehbar.
    So müsse der Sinn des Lebens und der Dinge offen bleiben.
    Wilhelm von Ockham wurde um 1280 im Dorf Ockham in der Nähe Londons geboren und ist am 09.04.1347 in München gestorben. Er trat früh in den Franziskanerorden ein und machte dort Kraft seiner Fähigkeiten schnell Karriere. Seine theoretischen Schriften ragen über die seiner Ordensbrüder hinaus in Klarheit und Geistesschärfe. So wird er zum Studium nach Oxford geschickt, das er mit dem Magister Artium et Theologiae abschließt.
    Seine Parteinahme im theoretischen Armutsstreit mit Papst Johannes XXII. führt zu einer Denunziation gegen Wilhelm, die in eine Häresieprozess mündet. Das war eine Art "Berufsrisiko" damaliger theologischer Autoren. Es traf Viele. Er wurde nach Avignon zitiert, wo die Prüfung zu seinen Ungunsten ausfiel und Wilhelm mit einer kleinen Gruppe Franziskaner sich der Verurteilung durch abenteuerliche Flucht entzog. Durch die Hilfe Michael von Cesenas erhielt Wilhelm die Schutzzusicherung des Kaisers des weströmisch - deutschen Reiches, Ludwigs des Bayern (1282 -1347) ,an dessen Residenz in München er zog und dort auch vom Herrscher zu wichtigen Fragen konsultiert wurde. In diesem Schutz verfasste Wilhelm bis zu seinem Tod sein umfangreiches Schrifttum.
    Wieder ist es ein Buch von Volker Leppin, das ich hier vorstellen möchte. Wie schon bei Franziskus von Assisi, hat sich der Spezialist für mittelalterliche Scholastik dem Phänomen Wilhelm von Ockham von der ideengeschichtlichen Entwicklung her genähert. Was diesen Menschen antrieb, sich gegen Kirche und Papst und alle Autoritäten zu stellen, unter Lebensgefahr, der franziskanischen Sache willen.
    Es muss etwas besonderes gewesen sein, um diesen noch jungen Orden. Leppin arbeitet beharrlich, mit Humor und Ideen, das macht die Lektüre dieses an sich nicht leichten Stoffs so angenehm. Er versucht keinesfalls, aus Wilhelm einen Revolutionär zu machen, auch keinen Robin Hood. Dennoch war es kein Zufall, daß Eco seinem Protagonisten in "Der Name der Rose" den Namen William gab, wenn auch in der leicht ironischen Verbindung zu Conan Doyle.
    Hier galt es, eine der großen scholastischen Denker vorzustellen, der zugleich ein sozial denkender Mensch gewesen ist, mit Blick für die Nöte der Menschen in der Realität um ihn herum, selten genug zu dieser Zeit. Nicht weniger und nicht mehr.
    Leppins Sprache ist von erzählerischer Qualität und allgemein leicht zu verstehen, besonders die didaktische Qualität und die Gliederung sind bei diesem Buch besser gelungen.
    Volker Leppin ist sei 2011 Ordinarius für Kirchengeschichte an der Universität Tübingen.
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Ausgaben von Wilhelm von Ockham. Gelehrter, Streiter, Bettelmönch

Hardcover

Seitenzahl: 309

E-Book

Seitenzahl: 308

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