José Saramago - Das steinerne Floß / A Jangada de Pedra

  • Autor: José Saramago
    Titel: Das steinerne Floß, übersetzt von Andreas Klotsch
    Originaltitel: A Jangada de Pedra, erschien erstmals 1986
    Seiten: 400 Seiten
    Verlag: Atlantik
    ISBN: 9783455650761


    Der Autor: (gemäss Wikipedia)
    José de Sousa Saramago (1922 – 2010) war ein portugiesischer Schriftsteller, dem 1998 der Nobelpreis für Literatur verliehen wurde.
    Ursprünglich aus ärmlichen Verhältnissen stammend, ist es hauptsächlich seinen autodidaktischen Bemühungen zu verdanken, dass er neben seiner Tätigkeit als KFZ-Mechaniker auch Interesse für Literatur und Schriftstellerei entwickelte. Mit 25 Jahren begann Saramago Romane zu schreiben, hatte aber mangels Erfolgs den Eindruck, dass er nichts Lohnendes zu sagen habe. In den 1950/60er Jahren arbeitet Saramago dann für verschiedene Verlage, lernte Schriftsteller kennen, arbeitet als Übersetzer und Literaturkritiker, und veröffentlichte auch wieder eigene Gedichtbände. Während der Salazar-Diktatur gehörte er zur Opposition und nach dem friedlichen Militärputsch 1974 arbeitete Saramago kurzzeitig für das Bildungsministerium.
    1977, im Alter von 55 Jahren, erschien dann sein zweiter Roman „Das Handbuch der Malerei und der Kalligraphie", welches sich mit der Diktatur Salazars und dem Drang zu schreiben beschäftigt. Es folgen Tagebücher, Lyrik, Reisbeschreibungen, Romane und Novellen. Sein kommerziell erfolgreichstes Werk ist wohl „Die Stadt der Blinden". Er provozierte mit seinen Büchern auch gerne, wie seine Auseinandersetzung mit der Botschaft des Neuen Testaments in seinem Roman „Das Evangelium nach Jesus Christus" (und den darauffolgenden Diskussionen) zeigt. Am 18. Juni 2010 starb Saramago nach langer Krankheit 87-jährig auf Lanzarote.


    Inhalt:
    Joaquim Sassa hebt während seines Strandspaziergangs einen kiloschweren Stein auf und wirft ihn Richtung Meer. Überrascht stellt er fest, dass der Brocken auf der Wasseroberfläche entlangspringt, so wie er als Kind mit flachen Steinen am Wasser gespielt hat.
    José Anaiço wird plötzlich von einem immer grösser werdenden Schwarm Stare begleitet.
    Pedro Orce spürt als Einziger die Erde unter sich beben, und in Cerbère fangen die seit Jahrhunderten stummen Hunde (Nachfahren des Höllenhundes) an zu bellen. Merkwürdige Dinge geschehen auf der Iberischen Halbinsel, am deutlichsten jedoch ist ein Riss, der sich entlang der Pyrenäen auftut. Die Kluft wird täglich grösser, und ein Abdriften der Halbinsel kann auch durch das Auffüllen der Kluft mit Beton nicht verhindert werden.
    Haben die einzelnen, wundersamen Erlebnisse von Joaquim, José und einigen anderen etwas mit der bevorstehenden Abspaltung Spaniens (und Portugals) vom europäischen Festland zu tun? Während Touristen überstürzt abreissen, Wissenschaftler rätseln, weshalb die Insel abdriftet, Grossbritannien die Ansprüche auf Gibraltar bekräftigt, die Versorgung von Erdöl kompliziert wird – kurz, während die Weltpolitik diskutiert und in Spanien und Portugal die Ordnung allmählich wie auf einem herrenlosen Floss auseinanderbricht, inmitten dieser Szenerie reist die kleine Gruppe im alten 2CV durch die Lande und versucht das Rätsel auf eigene Weise zu lösen. Joaquim und seine Begleiter möchten für sich herausfinden, inwiefern ihre übernatürlichen Ereignisse mit den übrigen Entwicklungen zusammenhängen. Eine kleine Odyssee beginnt, bis zu fünft fliehen sie auch ein wenig vor Medien, Ermittlern und Neugierigen und lernen sich untereinander auch besser kennen.


    Meinung:
    Dies war mein zweiter Roman von José Saramago, nachdem ich kürzlich mit grosser Begeisterung „Die Stadt der Blinden" gelesen hatte. Dort hatte mir neben der eigentlichen Handlung vor allem der Schreibstil sehr gefallen, denn ausgefallen und bemerkenswert ist er auf jeden Fall. Auch hier verständigt sich der Erzähler mit dem Leser, spricht ihn direkt an, weist auf Details und Besonderheiten hin, schweift ab und spekuliert. Saramago verwendet nicht einfach nur Metaphern, seine Formulierungen „tänzeln" umher, Situationen werden gedeutet, verworfen, bilderreich betrachtet, Personen ironisch kritisiert aber doch menschlich mitfühlend dargestellt. Sätze erstrecken sich leicht über eine komplette Seite, schweifen ab – es ist schwer zu erklären, es ist träumerisch wie Musik, verspielt, wenn man aber gerne eine lineare Handlung bevorzugt, in der deutlich erzählt wird, was gerade passiert, dann wird man mit dieser Erzählkunst nicht glücklich.
    Ich mag diesen Erzählstil nicht nur, er ist zum Niederknien. :pray: Und das war es auch, was mir an dem Roman so gut gefallen hat. Denn so interessant, wie die Handlung klingen mag, so offen ist der Ausgang, das kann ich ohne Spoiler getrost verraten. Ebenso wie bei der „Stadt der Blinden" unklar bleibt, weshalb die Blindheit ausbricht und weshalb eine Person verschont bleibt, so ungeklärt bleiben auch die Vorgänge in diesem Buch. Und während „Die Stadt der Blinden" noch eine „actionreiche, filmreife" Handlung bietet, ist dieser Roadtrip mit viel Magischem Realismus ganz unterhaltsam, aber auf den 400 Seiten gibt es auch etliche Längen. Irgendwie bewegt sich die Geschichte nicht vorwärts und hat ein für mich unbefriedigendes Ende.
    Scheinbar kann man das Buch als Anspielung auf die europäische Integration sehen, wobei sich der Kommunist Saramago stets gegen einen Beitritt Spaniens und Portugals zu EU aussprach. Hier verarbeitet er also das Thema und lässt beide Länder losgelöst von Resteuropa seinem eigenen Schicksal entgegentreiben. Der Bezug kam mir beim Lesen gar nicht in den Sinn, erst als ich später nach weiteren Informationen im Internet recherchierte wurde mir diese Deutung klar :-,

  • Denn so interessant, wie die Handlung klingen mag, so offen ist der Ausgang, das kann ich ohne Spoiler getrost verraten. Ebenso wie bei der „Stadt der Blinden" unklar bleibt, weshalb die Blindheit ausbricht und weshalb eine Person verschont bleibt, so ungeklärt bleiben auch die Vorgänge in diesem Buch.

    Ohne jetzt alle seine Bücher spoilern zu wollen :wink: : Eindeutige Antworten und Erklärungen wirst du bei Saramago kaum finden. Diese Offenheit, das Uneindeutige, ist, ebenso wie die Sprache, ein Markenzeichen vieler seiner Bücher.

    "Selber lesen macht kluch."


    If you're going to say what you want to say, you're going to hear what you don't want to hear.
    Roberto Bolaño