Heidi Rehn - Tanz des Vergessens

  • Klappentext:
    Frühling 1919: Die junge Lou will nach dem tragischen Tod ihres Verlobten in den Wirren der Münchner Räterepublik nur noch eines: vergessen! Um ihren Schmerz zu betäuben, stürzt sie sich in das Bohème-Leben der frühen Zwanzigerjahre. Doch wie ein schwarzer Schatten hängt die Vorstellung über ihr, allen Menschen, die ihr nahestehen, Unglück zu bringen. Als sich dieser Glaube ein weiteres Mal zu bewahrheiten scheint, bleibt ihr nur noch ein letzter Ausweg ...


    Autorin:
    Heidi Rehn wurde 1966 in Koblenz/ Rhein geboren und wuchs in einer Kleinstadt am Mittelrhein auf. Zum Studium der Germanistik, Geschichte, BWL und Kommunikationswissenschaften kam sie nach München. Nach dem Magisterexamen war sie zunächst als Dozentin an der Ludwig-Maximilians-Universität München tätig, anschließend war sie PR-Beraterin in einer Agentur. Seit mehr als zehn Jahren arbeitet sie als freie Journalistin und Autorin. Zusammen mit ihrer Familie lebt sie mitten in München.2014 erhielt sie den "Goldenen Homer" für den besten historischen Beziehungs- und Gesellschaftsroman.Nach ihren erfolgreichen historischen Romanen betrat sie mit ihrem letzten Roman DER SOMMER DER FREIHEIT inhaltliches Neuland. Die Zeit Anfang des 20. Jahrhunderts in Deutschland ist ihr ein besonderes Anliegen.


    Allgemeines:
    Erscheinungsdatum: 1. Juli 2015
    Verlag: Knaur TB
    Seitenanzahl: 560
    Prolog, 38 Kapitel, Epilog; Glossar


    Eigene Meinung:
    Die Geschichte beginnt an dem Tag, an dem Lou ihren Verlobten gerade an dem Tag durch einen Querschläger verliert, an dem man dachte, dass der Krieg endlich vorüber sei. Daraufhin versucht Lou immer wieder nach dem Glück zu greifen und erlebt das Auf und Ab des Lebens.
    Sie verliebt sich später in einen reichen Mann, was in der Inflation nicht das Schlechteste ist und wird daraufhin von ihm und seiner Frau adoptiert. So gewinnen die beiden Zeit miteinander. Doch dann greifen Schicksalsschläge und kleinere Erfolge immer wieder in ihr Leben ein. Es zieht sie nach Berlin und auch dort hofft sie das große Glück zu finden.
    Die Geschichte selbst konzentriert sich ganz auf Lou, auch wenn es zwischenzeitlich einige wenige Kapitel gibt, die sich mit ihren Freunden befassen.Lous Verzweiflung wird durch den Sprachstilder Autorin sehr lebendig und fühlbar. So fügt sie ebenfalls Worte wie „blümerant“ und „enerviert“ ins Geschehen ein und sorgt dafür, dass man sich in jene Zeit versetzt fühlt.
    Auch die Akzente der Münchner und später der Berliner macht sie fassbar, wobei ich da zu Beginn eher drüber gestolpert bin.
    Für meinen Geschmack etwas zu ausufernd sind die Beschreibungen des Nachtlebens, an dem Lou gerne teilnimmt und in dem sich ein Großteil der Ereignisse, die Lous Leben beeinflussen, stattfinden.
    Für mich hatte das Buch daher einige Längen, die mich im Lesefluss doch eher gestört haben.
    Andere mag das aber nicht stören, da so auch ein großer Rundumblick auf die Zeit erlebbar wird.
    Die Charaktere sind vielschichtig und man kann größtenteils deren Verhalten nachvollziehen. Lou war mir teilweise doch etwas zu naiv, wohingegen Max mir etwas inkonsequent erschien.
    Politische Themen werden allerdings nur kurz angeschnitten, als Schläger der NSDAP einen Boxclub überfallen oder sie eine Rede des Österreichers Adolf Hitler hören. Das fand ich leider etwas schade, da man das schon hätte weiter mit aufgreifen können. Das zumindest hätte mich interessiert. Aber leider wird nur kurz am Rande erwähnt, wie man zu den politischen Zielen Hitlers denkt.
    Vielleicht hebt sich das die Autorin aber auch für das nächste Buch auf, was diese Zeitepoche mit neuen Charakteren weiterspinnen wird.
    „Sommer der Freiheit“ hatte ich nicht gelesen, es bildet den Anfang dieser Epoche und der „Trilogie“ der Autorin. Beim Lesen hatte ich aber nie das Gefühl dadurch einen Nachteil zu haben. Die Charaktere sind eigenständig und in der Nachbemerkung erklärt Heide Rehn lediglich Gastauftritte seien den vorigen Charakteren zugekommen.


    Fazit:
    Wen das Schicksal einer jungen Frau auf der Suche nach dem Glück interessiert und sich ein Bild des Lebens damals machen möchte, wird dieses Buch genießen. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Eigenzitat aus amazon.de:


    Es ist das Jahr 1919 und wir befinden uns etwa ein Jahr nach dem Ende des Ersten Weltkriegs in München. Es gibt einen deutlichen Frauenüberschuss – gerade bei der Generation, die jetzt im heiratsfähigen Alter sind, und viele der jungen Männer, die noch zur Verfügung stehen waren entweder bereits vorher zu gebrechlich für den Militärdienst – oder sie sind mit körperlichen und seelischen Beschädigungen aus dem Krieg zurück gekommen. Und während sich ein Teil der Bevölkerung in politischer Agitation verliert – sei es von rechts oder von links -, versuchen eine Menge junger Menschen, deren Leben bisher ganz im Zeichen des Krieges gestanden haben Versäumtes nachzuholen. Die „Goldenen 20er“ sollen beginnen.


    Die Zeit zwischen den Weltkriegen ist in Deutschland überaus bewegt gewesen, wenn man der Politik und den übergreifenden gesellschaftlichen Veränderungen folgte, aber auf Grund der Kriegserfahrungen hat es eben auch damals schon eine gewisse Politikverdrossenheit gegeben und wie so oft, wenn Politik und Geschichte übermächtig wirken, stürzen sich Menschen gerne umso mehr in Vergnügungen und Ablenkungen – mit der einzigen Gewissheit, dass nichts ewig währt und man darum das Leben so vollständig genießen sollte, wie möglich.


    Dabei werden in diesem Roman – in dem auch die Charaktere aus „Der Sommer der Freiheit“ einen kurzen Cameo-Auftritt haben – auch einige eher unerwartete Momente, wie der Kokainkonsum, die still gelebte weibliche Homosexualität (männliche wird nicht dargestellt) und das Frauenboxen gezeigt, was die Wahrnehmung dieser meist in Literatur und Geschichtsunterricht eher ein wenig knapp behandelten Epoche ein wenig farbiger und vielschichtiger macht.


    Der Abschluss dieses Buchs wirkt ein wenig zu patt, aber bis dahin gibt es einige sehr lesenswerte Passagen voller interessanter Gedanken und Entwicklungen, die das größtenteils verzeihen lassen. Lou ist sicherlich eine Figur, von der man noch mehr lesen möchte.