Original : El Olvido que seremos (Spanisch/Kolumbien, 2005)
Übersetzung : 2008
INHALT :
Dies ist die Geschichte von Hector Abad und seiner Familie, vor allem aber die seines Vaters, eines der fähigsten Ärzte Lateinamerikas, der beispielhaft steht für das soziale und ethische Verantwortungsgefühl unter den besten Leuten des Kontinents, und der 1987 in Medellín erschossen wurde. Nachdem alle Epidemien besiegt waren, hatte er sich auf die letzte noch verbliebene gestürzt : die Gewalt. Wie so vielen Hoffnungsträgern Kolumbiens, kostete sein Gerechtigskeitsempfinden auch diesem Wissenschaftler am Ende das Leben.
Abads Geschichte seines Vaters ist die seiner eigenen Erziehung in einem schönen Land, im Schatten von Fanatismus und Gewalt. Er erzählt vom Aufwachsen zwischen archaischer Religiosität und weltläufiger Bürgerlichkeit, vor allem aber von einem Vater, der sein Land aus der Finsternis führen wollte.
(Quelle : Kurzbeschreibung bei amazon, leicht retuschiert)
BEMERKUNGEN :
Ich hatte das Buch mit dicker Empfehlung ausgeliehen bekommen und hätte es doch beinahe ungelesen zurückgegeben : zuviel auf meinem SUB ! Oh, ich wäre an einer beeindruckenden Lektüre vorbeigegangen ! Das Buch hat es in sich.
Abads Erinnerungen in insgesamt 42 Kapiteln in 14 Teilen aus seiner Perspektive (Ich-Erzähler) an seine Familie, aber eben in ganz besonderer Weise an seinen Vater Héctor Abad Gómez (siehe auch : http://es.wikipedia.org/wiki/H%C3%A9ctor_Abad_G%C3%B3mez ), sind so beneidenswert positiv, dass man sich ab und zu solche Familie, bzw solchen Vater, nur wünschen kann : « Alles, was mein ist ist dein. » Und zudem sehen wir, dass er hier nicht nur eine rosa Sicht auf einen Vater aus der Babyzeit beschreibt (selbst wenn er zugibt, bis ins Erwachsenenalter hinein seinem Vater unvergleichlich nahe gestanden zu haben bis hin vielleicht zur Idealisierung und einer Fusion ?), sondern dass er selber beim gewaltsamen Tode seines Vaters im Kolumbien am Ende der 80iger Jahre eben schon 29 Jahre alt war. Da macht man sich keine Illusionen mehr... ?!
Nach frühsten Kindheitserinnerungen des zärtlichen Verhältnisses mit seinem Vater spricht der Autor zunehmend von dessen Engagement als Mediziner, Erzieher, Menschenrechtler in der Gesundheitserziehung : er will nicht nur an den Folgen herumkurieren, sondern die Ursachen von Hungersnot, mangelnder Wasserbereinigung, fehlenden Impfschutzmaßnahmen etc angehen. Das bringt ihm schnell auf verschiedensten Fronten Feinde ein, die lieber ihre Privilegien bewahren und am Schein rumkurieren und nicht in die Tiefe gehen wollen...
Eine teils abergläubische, klerikale Sicht des allgegenwärtigen Katholizismus' und eine eher wissenschaftlich-aufgeklärte, tolerantere Sicht der Dinge liegen im Widerstreit, nicht nur in der Gesellschaft oder innerhalb der Kirche, sondern auch innerhalb ein und derselben Familie. Abad beschreibt gut diese teils absurden Kämpfe und Widersprüche bis hin zu den inneren Auswüchsen und Folgen eines Klerikalismus' in zwiespältigen, hin und hergezogenen Charakteren. In dieser Analyse von Jenseitshoffnungen und Abergläubigkeit ist er teils knallhart, so dass man seine Empörung erahnen kann.
Ob er immer allem gerecht wird weiß ich nicht. Manchmal führt uns die Empörung nach erlittenem Unrecht zu sehr harten Urteilen...Welcher Spagat aber, dann hinter strenggläubigen Gestalten doch auch liebe und nahe Menschen zu wissen !
Manche Aussagen werden wohl - teils mit verschiedenen Worten, manchmal fast unverändert - nochmals präsentiert. Wichtig muss dem Autor dies und jenes gewesen sein. Dennoch hätten hier einige Kürzungen gut getan um inhaltliche und gar wörtliche Wiederholungen zu vermeiden.
Die Idealfigur des Vaters wirkt, trotz eingestandener Fehler und angedeuteten Anfechtungen, manchmal fast abgehoben, ireell. Der Autor ist sich wohl auch bewußt, dass ihr Vater-Sohn-Verhältnis hart an der Kante steht.
Dies sind vielleicht nicht Fehler des Buches, aber lassen doch einige Anfragen hochkommen.
Wo er uns meines Erachtens am meisten zu sagen hat ist die stete Wiederholung der Liebe und des grenzenlosen Vertrauens (seines Vaters) für eine Erziehung hin zum Glück und zur Freiheit. Die Ehe mit seiner unternehmerischen Frau scheint für lateinamerikanische Verhältnisse und den Zeitkontext ebenfalls beispielhaft.
Und die unnachgebliche Energie, mit der dieser beeindruckende Mann sich für eine Verbesserung der Lebensumstände und Gerechtigkeit bis hin zum gewaltsamen Tode einsetzte. Dabei ist familiäres und gesellschaftlich-politisches Leben eng miteinander verbunden.
Sehr beeindruckend!
„Abads Buch an seinen toten Vater ist ein berührendes, vielschichtiges und dazu sehr politisches Buch, das man durchaus auch als Lehrbuch über Lateinamerika lesen kann.“
Katharina Döbler, DeutschlandRadio Kultur
AUTOR :
Hector Abad Faciolince, geboren 1958 in Medellín, Kolumbien, wuchs als einziger Junge neben fünf Schwestern auf. Sein Vater, Héctor Abad Gómez, war ein bekannter Arzt, Universitätsprofessor und Menschenrechtler, dessen Vision eines ganzheitlich ausgerichteten Gesundheitsystems ihn die kolumbianische National School of Public Health gründen ließ. Hector Abad (Junior) ist Schriftsteller und Journalist. Wegen eines papstkritischen Artikels von der Universität relegiert, verließ er 1982 das Land und studierte in Italien. 1987 kehrte er zurück, musste aber nach der Ermordung seines Vaters noch im gleichen Jahr flüchten und lebte bis 1992 erneut in Italien. Er übersetzte Bücher aus dem Italienischen ins Spanische. Wieder zurück in Kolumbien, begann Abad Romane zu schreiben. Für den im Jahr 2000 erschienenen Roman »Basura« erhielt er den Premio de literatura innovadora de la Casa de América de Madrid; 2003 erschien der Roman »Angosta« und 2006 das autobiographische Buch »El olvido que seremos«, für das er zahlreiche internationale Preise erhielt. Seit seiner Rückkehr nach Kolumbien arbeitet Abad als Journalist für verschiedene spanische und lateinamerikanische Zeitungen. Zunächst für den von Gabriel Garcia Márquez herausgegebenen Cambio, dann für das Magazin Semana. Seit 2007 ist Héctor Abad Kolumnist der in Bogotá erscheinenden Tageszeitung El Espectador. Auf Deutsch erschien 2001 im Wagenbach Verlag "Kulinarisches Traktat für traurige Frauen".
(Quellen : wikipedia ; Berenberg-Verlag
Gebundene Ausgabe: 194 Seiten
Verlag: Berenberg Verlag; Auflage: 1., Aufl. (1. Januar 2012)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3937834281
ISBN-13: 978-3937834283