Hans Küng, Jesus

  • Das gerade erschienene neue Buch von Hans Küng wird Lesern bekannt vorkommen, die nach dem Jahr 1974 eine der unzähligen Auflagen seines dicken Wälzers „Christ sein“ gelesen haben. Für das vorliegende Buch hat er alle Kapitel aus seinem Standardwerk überarbeitet, die sich mit der Person und der Umwelt von Jesus von Nazareth befassen und sie in einem neuen, lesenswerten Buch zusammengestellt.

    Sein Ziel ist dabei, nach vielen Jahrzehnten einer neuen Generation, die noch mehr als die Menschen des ausgehenden 20. Jahrhunderts sich von der Kirche abwenden, neu anzusprechen. „Gerade meine Kirchenkritik kommt, wie die so vieler Christen, aus dem Leiden an der Diskrepanz zwischen dem, was dieser geschichtliche Jesus war, verkündete, lebte, erkämpfte, erlitt, und dem, was heute die institutionelle Kirche mit ihrer Hierarchie repräsentiert. Diese Diskrepanz ist oft unerträglich groß geworden.“

    Als evangelischer Theologe möchte ich hinzufügen, dass dieser Befund zwar auf die katholische Kirche hin ausgesprochen ist, dass aber auch evangelische Christen den Zusammenhang zwischen der Botschaft des historischen Jesus von Nazareth und dem in ihren Kirchen verkündeten Jesus Christus und dem Handeln und der Praxis ihrer Kirchen oft nicht mehr herstellen können. Obwohl es da sehr deutliche Unterschiede gibt, wie der zum Protestantismus konvertierte Publizist Arnd Brummer 2011 in seinem erhellenden Buch „Unter Ketzern. Warum ich evangelisch bin“ gezeigt hat.

    Das vorliegende Buch will das Bild, das das Christentum von seinem Gründer hat, wieder zu Leuchten und zum Leben bringen. Es will die durch die Jahrhunderte lange Dogmatisierung verdeckte ursprüngliche Botschaft Jesu hervorheben. Auch mit diesem neuen Buch, das man durchaus als eine Antwort auf das große Werk Josef Ratzingers, „Jesus Christus“ lesen kann, von dem bislang zwei Bände erschienen sind, und das den aus der Sicht Küng verkirchlichten, dogmatisierten Jesus beschreibt, will Küng einen neuen, befreiten Zugang schaffen zu der Person und den Handeln von Jesus. Dabei will er die unterschiedlichsten Zielgruppen ansprechen. Menschen, die an die Botschaft Jesu vom liebenden Vatergott glauben, die , die es nicht mehr können und die, die es gerne (wieder) können möchten.

    Für ein theologisches Buch ist „Jesus“ sehr verständlich geschrieben und ist tatsächlich in der Lage, all den genannten unterschiedlichen Zielgruppen Anregungen und Zumutungen zu geben für eine erneute Beschäftigung mit einem Menschen, der der Menschensohn genannt wird, und der seit zwei Jahrtausenden die Gedanken und die Herzen der Menschen bewegt.