KLR: Kapitel 1 bis 3

  • "Unterm Rad" habe ich in der zwölften Klasse mit der Schule gelesen, später noch einmal und jetzt zusammen mit Euch :) Beim Lesen habe ich mich sofort wieder im Buch "zuhause" gefühlt, kann auch die Erinnerungen an die Handlung nicht ganz verdrängen.
    Diesmal fallen mir sehr stark von Beginn an der Kontrast zwischen der als negativ dargestellten Lernerei (Kopfschmerzen etc) und der farbigen und heiter dargestellten Natur beim Angeln und Spaziergängen auf - hier ist dauernd von kräftigen Farben die Rede. Das ist mir an manchen Stellen etwas zu plakativ gemacht, ebenso wie die Charaktere bisher relativ stereotyp sind - wenn das auch zur muffig-spießigen Dorfatmosphäre passt.
    Sehr extrem empfand ich die Schilderung aus Sicht des Rektors auf S. 46f, wo beschrieben wird, wie die Schule den Schüler brechen muss, um aus ihm einen für die Gesellschaft wertvollen Menschen zu formen :shock:


    Und widersprechen muss ich n natürlich diesem hier (S. 50 oben):

    Zitat

    Die mathematischen Arbeiten und Lehrstunden kamen ihm vor wie das Wandern auf einer ebenen Landstrasse; man kommt immer vorwärts, man versteht jeden Tag etwas, was man gestern noch nicht verstand, aber man kommt nie auf einen Berg, wo sich plötzlich weite Aussichten auftun.


    Das stimmt natürlich nicht, entspricht aber leider auch heute noch oft den Realitäten im schulischen Mathematikunterricht.


    Lustig ist, dass meine Ausgabe noch Bleistiftstriche und Markierungen aus Schulzeiten enthält, leider sind meine Aufzeichnungen aus der Zeit im Keller tief vergraben, ich würde sie gerne mitlesen. So muss ich rätseln, auch wenn ich schon rausgefunden habe, dass ein großes "T" neben dem Text heißt, dass hier auf den Titel angespielt wird. Bei der Vielzahl an Mühlen, die schon in den ersten beiden Kapiteln vorkommen, ist das gar nicht so selten der Fall.


    Bin schon gespannt auf Eure Eindrücke!


    Katia

  • Zitat

    Original von Katia


    Diesmal fallen mir sehr stark von Beginn an der Kontrast zwischen der als negativ dargestellten Lernerei (Kopfschmerzen etc) und der farbigen und heiter dargestellten Natur beim Angeln und Spaziergängen auf - hier ist dauernd von kräftigen Farben die Rede.


    Katia


    Genau dies ist mir auch aufgefallen, die schon fast blumige Ausdrucksweise bei den schönen Erlebnissen und der sehr nüchterne, auf das Wesentliche reduzierte Stil bei der Schilderung der Bildungsmaßnahmen.


    Anfänglich ist man geneigt, Mitleid mit unserem Helden zu entwickeln, was sich aber mit zunehmender Seitenzahl schon ein wenig abschwächt, indem sich in seinen Charakterzügen eine gewisse Arroganz gegenüber seinen Mitmenschen zeigt.
    Besonders denen gegenüber, die seiner Meinung nach intellektuell nicht auf seiner Stufe zu stehen scheinen.


    Gruß
    Richard

    "Erst die Möglichkeit einen Traum zu verwirklichen, macht unser Leben lebenswert."


    Paul Coelho


    :study:John Irving - Owen Meany

  • Zitat

    Original von Welf
    Anfänglich ist man geneigt, Mitleid mit unserem Helden zu entwickeln, was sich aber mit zunehmender Seitenzahl schon ein wenig abschwächt, indem sich in seinen Charakterzügen eine gewisse Arroganz gegenüber seinen Mitmenschen zeigt.
    Besonders denen gegenüber, die seiner Meinung nach intellektuell nicht auf seiner Stufe zu stehen scheinen.


    Stimmt, aber er ist ja auch erst 15(?) , ich denke das ist ein Alter, wo eine gewisse Arroganz nicht ausbleibt, bei einem solchen Erfolg. Ich heiße es nicht gut, aber ich kann's verstehen, gerade auch, weil seine Schulkameraden ihn ja immer geärgert haben, eben weil er der "Vergeistigte" ist.


    Katia

  • Ich habe zwar erst Kapitel 1 gelesen, möchte aber trotzdem meine ersten Eindrücke kund tun.


    Hesse ist einer meiner Lieblings-Klassiker. Ich finde, ihn kann man in jeder Stimmungslage lesen. Und deshalb bin auch bei "Unterm Rad" gleich mitten im Geschehen.


    Momentan empfinde ich noch Mitleid mit dem armen Hans. Ein Kind so unter Druck zu sezten, die Erwartungen so hoch zu schrauben dass er keine Freizeit mehr hat, sogar auf Spaziergänge seine Bücher mitschleppt - das darf man keinem Kind antun. Es ist wohl nur mehr eine Frage der Zeit, wann er den "Hut drauf haut".


    Ich empfand auch die Gegensätze Schule, Lernerei/Natur,Freizeit als sehr auffallend.
    Und außerdem kann ich - im Gegensatz zu Katia - die Bemerkungen, die über die Mathematik geschrieben wurden, nur allzu gut nachvollziehen und auch unterschreiben .... :-, ;) (wobei in meinem Fall das "Wandern auf einer ebenen Landstraße" noch sehr milde ausgedrückt ist... ich würde eher sagen "eine dunkle Höhle, wo hin und wieder ein Lichtstrahl einfiel :mrgreen: )

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Hans ist begabt, es ist sicher auch richtig begabte Kinder zu fördern. Was jedoch die Lehrkräfte von Hans machen ist fordernd, und es ist doch klar ersichtlich dass nicht der junge Mensch wichtig ist, sondern die Ehre für das „Städtlein“.


    Was mir besonders auffällt, Hans kann nie nein sagen. Sogar jetzt im zweiten Kapitel, wo er die Ferien doch geniessen könnte wird er zu lernen angehalten. Man spürt den enormen Druck der Erwachsenen welchem er nichts entgegen zu setzen hat. Ich finde die Gedanken vom Rektor ganz „furchtbar“

    Zitat

    …so muss die Schule den natürlichen Menschen zerbrechen, besiegen und gewaltsam einschränken…


    Das Hans, wer wäre das nicht?, sich auch geschmeichelt fühlt, dass die Lehrkräfte ihn für etwas „Grosses“ halten ist leicht nach zuvollziehen. Sein übertriebener Ehrgeiz

    Zitat

    ...Bloss das eine wurmte ihn, dass er nicht vollends Erster geworden war...


    führt nun dazu dass er sich den andern überlegen fühlt.

    Zitat

    … eine freche, selige Ahnung ergriffen, dass er wirklich etwas anderes und Besseres sei als die dickbackigen, gutmütigen Kameraden…


    Dies und andere Gedanken könnten leicht dazu führen das der Leser eine leichte Abneigung gegen Hans entwickelt. Ich denke jedoch Mitleid ist angebracht.
    Wenn man liest:

    Zitat

    …Das Angeln! Das war doch das Schönste in all den langen Schuljahren gewesen..


    und dann:

    Zitat

    …es war ihm rätselhaft, weshalb er sich eigentlich seinerzeit so auf die Sommervakanz gefreut hatte…


    merkt man deutlich wie Erwachsenen einem Kind die Freude an den Dingen nehmen können das doch so wichtig wäre für eine gesunde Entwicklung.
    Hans steckt voller Konflikte, er möchte niemanden enttäuschen, hat Angst zu versagen, deshalb seine ständigen Kopfschmerzen, die Erwachsenen behandlen ihn wie einen „Erwachsenen“ er ist jedoch noch ein „Kind“, ich denke daran wird er auch zerbrechen.



    Zitat

    Original von Katia


    Diesmal fallen mir sehr stark von Beginn an der Kontrast zwischen der als negativ dargestellten Lernerei (Kopfschmerzen etc) und der farbigen und heiter dargestellten Natur beim Angeln und Spaziergängen auf - hier ist dauernd von kräftigen Farben die Rede.


    Katia


    Wie man aus der Biografie von Hermann Hesse weiss, liebte er die Natur schon als Kind sehr. Diese sein Liebe kommt in jedem seinen Werken immer wieder sehr zum Vorschein.
    Zum Beispiel in Siddhartha, Kapitel "Kamala"

    Zitat

    ...und sein Herz war bezaubert...


    Zitat

    ...er sah Bäume,Sterne, Tiere, Wolken, Regenbogen, Felsen, Kräuter, Blumen, Bach und Fluss...

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • An seine Naturdarstellung gefällt mir die starke Betonung der Farben sehr gut, besonders augenscheinlich auf Seite 32 (erste Seite von Kapitel 2).
    Ich denke Hans ist in einem dauernden Konflikt: die Erwachsenen setzen ihn extrem unter Druck, dem er sich nicht immer gewachsen fühlt, andrerseits ist sein Ehrgeiz geweckt, er möchte über seine Kameraden hinauswachsen (nochmal: welcher Jugendliche möchte das nicht?). Auch trägt er eine Neugier nach dem Wissen, nach den neuen Welten, die sie ihm eröffnen in sich, er erfährt manchmal auch tiefe Befriedigung aus seinem Wissensgewinn, der unabhängig von Äußerlichkeiten ist.
    Eigentlich macht es das noch trauriger, dass die Erwachsenen ihm seinen natürlichen Wissendurst verleiden und ihm auch die anderen Vergnügungen vergällen.


    Maulbronn: Hermann Heilner ist Hesses Alter Ego, oder? Hesse selbst war ja auch kurze Zeit in Maulbronn, wahrscheinlich portraitiert er hier seine ehemaligen Schulkameraden?!?


    Katia

  • Zitat

    Original von Katia


    Maulbronn: Hermann Heilner ist Hesses Alter Ego, oder? Hesse selbst war ja auch kurze Zeit in Maulbronn, wahrscheinlich portraitiert er hier seine ehemaligen Schulkameraden?!?


    Katia


    Ich meine irgendwo gelesen zu haben, daß Hesse seinen Roman als persönliche Abrechnung mit seiner eigenen Schulzeit bzw. seinem Heranwachsen darstellen wollte.
    Daher kommen, denke ich, auch die Ähnlichkeiten mit seiner Biografie.


    Gruß
    Richard

    "Erst die Möglichkeit einen Traum zu verwirklichen, macht unser Leben lebenswert."


    Paul Coelho


    :study:John Irving - Owen Meany

  • Hallo,
    Es gibt ein wunderschönes Gedicht von Khalil Gibran, das ich hier wiedergeben möchte und eigentlich alles sagt:


    "Eure Kinder sind nicht eure Kinder.
    Sie sind die Söne und Töchter der Sehnsucht des Lebens nach sich selber.
    Sie kommen durch euch, aber nicht von euch,
    Und obwohl sie mit euch sind, gehören sie euch doch nicht.
    Ihr dürft ihnen eure Liebe geben, aber nicht eure Gedanken,
    Denn sie haben ihre eigenen Gedanken.
    Ihr dürft ihren Körpern ein Haus geben, aber nicht ihren Seelen,
    Denn ihre Seelen wohnen im Haus von morgen, das ihr nicht besuchen könnt, nicht einmal in euren Träumen.
    Ihr dürft euch bemühen, wie sie zu sei, aber versucht nicht, sie euch ähnlich zu machen.
    Denn das Leben läuft nicht rückwäts, noch verweilt es im Gestern.
    Ihr seid die Bogen, von denen eure Kinder als lebende pfeile ausgeschickt werden.
    Der Schütze siet das Ziel auf dem Pfad der Unendlichkeit, und Er spannt euch mit Seiner Macht, damit seine pfeile schnell und weit fliegen.
    Laßt euren Bogen von der Hand des Schützen auf Freude gerichtet sein;
    Denn so wie Er den Pfeil liebt, der fliegt, so liebt Er auch den Bogen, der fest ist."


    Einen Nachsatz möchte ich doch noch geben. In diesem Zusammenhang ist mir der Pfarrer etwas sympatisch. Er denkt "modern", spricht darüber aber nicht mit Hans.


    Viele Grüße
    Leseratte

    ...Dann sagte ein Lehrer: Sprich uns vom Lehren.
    Und er sagte:
    Niemand kann Euch etwas eröffnen, das nicht schon im Dämmern Eures Wissens schlummert.


    Khalil Gibran
    Der Prophet

  • Ich habe nun Kapitel 3 beendet.


    Zitat

    Original von Katia
    Maulbronn: Hermann Heilner ist Hesses Alter Ego, oder? Hesse selbst war ja auch kurze Zeit in Maulbronn, wahrscheinlich portraitiert er hier seine ehemaligen Schulkameraden?!?


    Dazu fallen mir auch gleich jene Dinge ein, die ich zum Thema "Hesse" in der Schule gelernt habe.
    In vielen seiner Werke verarbeitet er die gegensätzlichen "Anschauungen". ("Narziss und Goldmund"). Im "Steppenwolf" sind diese beiden Seelen in einer Person, bei Narziß und Goldmund sind es 2 Personen. Außerdem gibt Hesse seinen Protagonisten (und wohl jene, die ihn selber verkörpern sollen) Namen mit den Initialen H.H. ("Harry Haller" im Steppenwolf, z.B.).


    In unserem Fall ist es wohl dann "Hermann Heilner" und folgendes Zitat aus dem Buch belegt wohl auch diese These (Suhrkamp Tb-Ausgabe, S. 73)


    Zitat

    "Es gab auch ungleiche Paare. Für das ungleichste galten Hermann Heilner und Hans Giebenrath, der Leichtsinnige und der Gewissenhafte, der Dichter und der Streber. Man zählte zwar beide zu den Gescheitesten und Begabtesten, aber Heilner genoss den halb spöttisch gemeinten Ruf eines Genies, während der andere im Geruch des Musterknaben stand"


    Obwohl Giebenrath ja sofort nach dem Kennenlernen eine gewisse Zuneigung zu Heilner emfpand, steht er nicht zu Heilner, als dieser wegen der Prügelei bestraft wird. Feigheit?


    Ich denke, unser "Held" wird sich noch entwickeln!

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Im Wikipedia-Artikel zu "Unterm Rad" steht Hans und Hermann trügen autobiographische Züge (ich verlinke absichtlich nicht, Spoiler!). Insofern trifft es Dein Zitat sehr gut, Rosalita.
    Die Schilderung der Zeit in Maulbronn finde ich sehr ansprechend, denn hier wird mehr Wert auf die Charaktere und Zwischenmenschliches gelegt. Die schulische Entwicklung Hans' steht nicht mehr so stark im Vordergrund. Das passt auch dazu, dass er jetzt nicht mehr isoliert ist, sondern unter seinesgleichen, er nimmt keine Sonderstellung mehr ein.


    Interessant finde ich auch, warum Hermann die Prügelei beginnt: er sieht sich in seinem künstlerischen Dasein eingeschränkt durch den materialistischen Dilettanten Lucius - eine ähnliche Arroganz, wie sie Hans seinen Klassenkameraden der Lateinschule gegenüber zeigt. Vielleicht kann Hans deshalb auch nicht zu Hermann stehen, weil er damit das "Genie" über das fleißige Streben stellen würde, das er selbst ja auch verkörpert (wenn auch nicht auf musischem Gebiet).


    Übrigens habe ich meine Sympathien zwischen dem Schuhmacher und dem Pfarrer diesmal irgendwie mehr auf der Seite des Pfarrers. Ist denn dessen "modernes Denken" wirklich so falsch? Darf man die Texte der Bibel nicht hinterfragen, muss man sie als gottgegeben nehmen?
    Warum will Hans eigentlich nicht mehr zu Flaig gehen? Fehlt ihm die Zeit? Ich denke, er möchte auch die pietistischen Mahnungen nicht hören, auch deswegen, weil er an der neuen Welt, die der Pfarrer ihm eröffnet Freude hat.


    Katia

  • Hallo ihr Lieben,


    da möchte ich mich nun endlich auch einmal zu Wort melden. Ich habe das Buch zum zweiten Mal gelesen und habe dieses Mal viel mehr auf Kleinigkeiten geachtet, da mit der Handlungsablauf ja bekannt war.


    Zitat

    Original von Katia
    Warum will Hans eigentlich nicht mehr zu Flaig gehen? Fehlt ihm die Zeit? Ich denke, er möchte auch die pietistischen Mahnungen nicht hören, auch deswegen, weil er an der neuen Welt, die der Pfarrer ihm eröffnet Freude hat.


    Ich konnte es auch nicht wirklich nachvollziehen, aber irgendwie kam es mir so vor, als hätte er Flaig gegenüber ein schlechtes Gewissen. ich kann es nicht direkt mit Zitaten belegen, aber Flaig ist im Prinzip der einzige in Hans Umfeld, der ihn als "Junge" wahrnimmt und nicht als "Lernmaschine". Er meint es ehrlich gut mit ihm und stellt nicht seine eigenen Interessen in den Vordergrund (wie zum Beispiel der Direktor oder der Vater, die gerne die Leistung von Hans herumzeigen wollen, ohne an ihn zu denken). Und vielleicht merkt Hans das instinktiv und fühlt sich ihm gegenüber schuldig, weil er nicht hingeht, sondern lieber zum Pfarrer oder Direktor (ist dieser Gedankengang verständlich :scratch: ).


    LG,
    Casoubon.

  • ja, da kann ich Casoubon nur zustimmen! Ich empfinde es auch eher als "Aus-dem-Weg-gehen", weil womöglich Flaig Worte in den Mund nimmt, die Hans nicht so gerne hört, die aber auch ein wenig dem inneren Gefühl von Hans entsprechen. :scratch:

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


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  • Casoubon: Ich denke, Du hast recht, dass ein schlechtes Gewissen eine nicht unbeträchtliche Rolle spielt. Vielleicht auch weil Hans selbst auch "höher hinaus will" - er hat ja Angst als Lehrbub im Bureau zu landen. Flaig ist Teil seiner Kindheit, der Kleinstadt, er will dies hinter sich lassen. Dabei übersieht er sicher, dass es Flaig gut mit ihm meint.


    Katia

  • Mir ist beim Lesen diesmal eine komische Frage in den Sinn gekommen:
    Ist dieser Kuss von Hermann "harmlos" (sozusagen eine Art Sympathieerkundung...) oder ist diese Freundschaft mehr als eine reine Freundschaft zwischen zwei Jungen?


    Was meint ihr dazu?


    Edit: Anders gefragt: Warum küßt Heinrich Hans? Um ihn zu schockieren?

  • Zitat

    Original von Casoubon
    Mir ist beim Lesen diesmal eine komische Frage in den Sinn gekommen:
    Ist dieser Kuss von Hermann "harmlos" (sozusagen eine Art Sympathieerkundung...) oder ist diese Freundschaft mehr als eine reine Freundschaft zwischen zwei Jungen?


    Was meint ihr dazu?


    Edit: Anders gefragt: Warum küßt Heinrich Hans? Um ihn zu schockieren?


    Es wird ja immer wieder über eine Homo- bzw. Bisexualität Hesses gemunkelt. Ich weiß auch nichts Näheres, und mir ist es eigentlich auch egal.


    Warum Heinrich Hans küsst? So wie ich Heinrich bisher kennen gelernt habe, provoziert er sehr gerne. Ja, ich denke er will provozieren und vielleicht auch ein wenig schockieren.

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
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  • In erster Linie scheint es mir eine reine Zuneigungsbekundung zu sein, noch ohne großartigen sexuellen Beiklang.
    Beim "Törleß" gibt es einige sehr klar sexuelle Handlungen unter den Schülern, den Kuss dieser beiden Jungen würde ich noch nicht dazuzählen. Schockieren? Eher nein, vielleicht eher die unangenehme Situation zu beenden, in gewisser Weise als Sieger aus ihr hervorzugehen, da Hermann ja zunächst der Schwache ist.
    Katia

  • Ich war über den Kuss sehr erstaunt, da ich ihn in dieser Situation nicht erwartet hatte. Er kam so plötzlich, und im Nachhinein wurde nie wieder darüber geschrieben.
    Wahrscheinlich hast du, Katia, recht, dass Hermann es geschafft hat, aus der schwachen Situation damit als Sieger hervorzugehen. Und er wieder einmal bewiesen, dass er "anders" ist - das meine ich jetzt nicht sexuell, sondern einfach in seinem Umgang - er ist immer eine Art Rebell.


    Bine

  • Konnte ja leider erst etwas später anfangen das Buch zu lesen - und hab jetzt die Hälfte, werd wohl auch im Laufe des Abends noch weiterlesen... mal schauen.


    Was mir auffällt - ich habe schon recht bald angefangen Hans als Produkt der Gesellschaft wahrzunehmen. Und trotz seiner Eigenschaften die er aus seinen bürgerlichen Lebensumständen heraus entwickelt - z.B. seine Arroganz - hab ich da nach wie vor Mitgefühl mit ihm. Denn er kann in gewisser Weise nichts dafür, er formt sich ja nicht selbst, sondern wird geformt. Nicht nur zu einem funktionierenden Subjekt, sondern man geht weiter und will ihn zu einem erfolgreichen Objekt machen, was man bis Ende Kapitel 3 auch sehr gut schafft.


    Bildung ist ja schön und gut - aber das, was in dem Buch dargestellt wird ist nicht Bildung, so wie ich sie verstehe, sondern sie ist hohl, der Wirklichkeit völlig entfremdet und somit auch wertlos. Der einzige der das gefühlsmäßig in dem Buch darstellt, das ist doch der Schuhmachermeister. Der steht gewissermaßen mit seinem alten konservativen Pietismus, der aber human ist, dem neuen protestantisch-kapitalistischen Ethos des Pfarrers entgegen, der sich gerne einen liberalen Anschein gibt, aber nur die Verwertungsmöglichkeiten im Auge hat und nicht den Menschen und dessen Glück. Bis hierher erinnert mich das von der gesellschaftlichen Konfliktsituation etwas an Nexö's "Im Gottesland".

    Warum ich Welt und Menschheit nicht verfluche?
    - Weil ich den Menschen spüre, den ich suche.

    - Erich Mühsam