Erika Riemann - Die Schleife an Stalins Bart

  • Ich muss diesen Thread mal wieder aus der Versenkung holen.... denn ich habe das Buch soeben erst gelesen.
    Das Thema ist wirklich sehr interessant und leider in den Medien viel zu wenig gegenwärtig. Trotzdem kann ich mich der allgemeinen Begeisterung nicht ganz anschließen.
    Inhaltlich auf jeden Fall ein lesenswertes Buch, auch wenn ich Schwierigkeiten hatte, mich in Erika einzufühlen. Ganz klar, hat sie ein trauriges Schicksal hinter sich und man merkt ihr an, dass sie bis heute darunter leidet und durch diese acht Jahre der Qual ein gebrochener Mensch ist - sprachlich aber konnte mich das Buch nicht überzeugen und es hat mich auch nicht so gefesselt, dass ich darüber alles stehen und liegen gelassen hätte wie einige andere hier schreiben.
    Ich empfand die Sprache als sehr einfach und erzählerisch ein bißchen zu simpel - aber vielleicht liegt das an meiner nicht ganz zutreffenden Erwartungshaltung. Es ist eben kein literarisches Meisterwerk, sondern eben ein Erfahrungsbericht, ein Schicksalsroman - aber die Art und Weise wie dieses Schicksal beschrieben wurde, schaffte es bei mir nicht, so richtig mitzufühlen, da habe ich bei ganz anderen (erfundenen) Schicksalen schon viel mehr mitgefiebert, auch wenn ich Schwierigkeiten habe, auf den Punkt zu bringen, woran genau das liegt.


    Wegen des Inhaltes aber in jedem Fall eine lohnende Lektüre.

  • Die Schleife an Stalins Bart. Ein Mädchenstreich, acht Jahre Haft und die Zeit danach


    Erika Riemann hat die Erinnerungen an ihre mehr als 8 jährige Inhaftierung in mehreren Gefängnissen und Lagern – so auch im berüchtigten Speziallager Nr 7 Sachsenhausen, in dem auch Heinrich George umkam – erst im Alter von über 70 Jahren geschrieben, fand vorher keine Sprache zum Geschehenen, schämte sich und war zu sehr mit der Lebensbewältigung in der „Freiheit“ beschäftigt. Nach der
    Buchveröffentlichung ist sie bis vor einem Jahr damit und ihrem zweiten Erinnerungsbuch (Stalins Bart ist ab, Hoffmann und Campe März 2010) auf Schul- und Lesereisen gegangen. Am 16.November 2009 hat sie das Bundesverdienstkreuz bekommen, in der Westdeutschen Lesart ihrer traurigen Kindheitsgeschichte natürlich, weil sie „gegen die Verklärung der zweiten Diktatur in Deutschland“ eintritt.


    Meines Erachtens sind diese Erinnerungen ein unpathetisches und deshalb umso eindringlicheres Plädoyer gegen Diktatur und Willkürherrschaft, gegen Gewalt und Unterdrückung. Damit erlangt es berechtigte Zeitlosigkeit.

    Es gibt keine grössere Einsamkeit als die des Samurai. Es sei denn die des Tigers im Dschungel

  • Ich finde die Bewertung des Buchs schwierig. Da ist einmal Erikas Geschichte, die wirklich tragisch ist. Sie zeigt deutlich die Willkür des Regimes, das mit dem jungen Mädchen umspringt wie es will. Ich hatte den Eindruck, als ob sich ihr Schicksal aus einer Laune heraus entschieden hätte und nicht aufgrund einer Gesetzeslage.


    Das Leid ging nach der Entlassung weiter, denn das Erlittene hat sie geprägt. Außerdem hing ihre Haft ihr an wie ein Makel. Niemand schien sich wirklich die Mühe gemacht zu haben, nachzufragen warum sie in Haft war. Wirklich Glück hat sie nicht gefunden, zumindest nicht in ihren Ehen. Ich habe nie von Liebe gelesen, eher von Pflichterfüllung und dem Versuch, einem Bild zu entsprechen. Vielleicht wäre sie mit einer Frau wirklich glücklicher gewesen, wie es sich während ihrer Haft angedeutet hat.


    Der Erzählstil hat mir nicht gefallen. Gegen Ende sagt Erika, dass sie ihre Geschichte einer Autorin erzählt hat. Genauso klingt ihre Buch auch: wie eine unbearbeitete Erzählung. Dazu kommt noch, dass sie vieles nur andeutet, vielleicht weil sie sich nach all den Jahren immer noch schämt. Dabei hat sie dafür keinen Grund, denn nichts davon ist ihre Schuld. An manchen Stellen hatte ich den Eindruck, als ob sie das Erlebte so schildert, wie sie sich gewünscht hätte, zu handeln. Gerade da, wo sie Widerworte gibt. Das wirkt eher wie das Aufschneiden eines Kindes als die Erzählung einer alten Dame. Deshalb konnte mich Erikas Geschichte nicht so berühren, wie sie es verdient hätte.

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