Auch wenn ich weiß, dass man dieses Buch nur unzureichend vorstellen kann, werde ich versuchen, eine Rezension zu schreiben.
Inhalt:
Klappentext
Anna Karenina ist der große Roman einer Liebe. Erzählt wird die Geschichte einer verheirateten Frau, die nach langjähriger glückloser Ehe einem jungen Offizier in leidenschaftlicher Liebe verfällt. Sie verlässt den Ehemann und den Sohn und wird fortan von der Gesellschaft als Ehebrecherin ausgestoßen und gemieden. Die Liebe, für die sie alles geopfert hat, ist das einzige, was ihr bleibt...
doch sie hält der Realität nicht stand: Und Anna Karenina sieht keinen anderen Ausweg, als ihrem Leben ein Ende zu setzen.
Ergänzend von mir:
Beschränkte sich die Handlung auf diese Beziehung, hätten wir ein ca. 600-seitiges Buch vor uns und nicht den 1206-seitigen Schmöker, der "Anna Karenina" ist.
Wichtige Handlungsstänge finden sich auch in den Schicksalen von
Kitty Schtscherbatzkij und Konstantin Lewin,
Darja Schtscherbatzkij und Stepan Oblonski und
Alexeij Karenin und Lydia Iwanowna.
Mit Hilfe dieser Paare werden verschiedene Lebensentwürfe aufgezeigt und gegenüber gestellt. Jede Figur vertritt eine eigene Geisteshaltung, so stehen Kitty und Darja für den mütterlichen Typ. Während Kitty in einer glücklichen Ehe lebt, leidet Darja unter der Verantwortungslosigkeit und Untreue ihres Mannes.
Lewin ist ein Grübler, der das einfache Leben liebt und das Stadtleben ablehnt. Er ist auf der Suche nach sich selbst.
Stepan Oblonski ist ein Lebemann - ein Mann, der Kind geblieben ist. Einerseits sehr sympathisch, im Zusammenleben aber eine Katastrophe.
Alexeij Karenin ist ein Bürokrat, wie er "im Buche steht". Er hält sich selbst für gut und gerecht, zerbricht aber an Annas Untreue. Der Einfluss der schwärmerischen, frömmelnden Gräfin Lydia Iwanowna beeinflusst ihn sehr.
Neben diesen Protagonisten treten viele andere Charaktere auf, die für die Entwicklung der Geschichte wichtig sind.
Meine Meinung:
Ich habe schon lange nicht mehr so lange an einem Buch gelesen. "Anna Karenina" lässt sich nicht einfach wegschmökern, sondern muss zwischenzeitlich ruhen, damit man der Erzählung nicht überdrüssig wird. Die Schrift (zumindest in meiner Ausgabe) ist nicht augenfreundlich, was allein schon ein Grund war, häufige Pausen einzulegen. Aber auch der Inhalt dieses Klassikers ist nicht leicht zu verdauen.
Ich bin froh, dass mein Schulfranzösisch zum Verständnis der französischen Einschübe ausreichte.
Faszinierend, wie ausführlich Tolstoi seine agierenden Personen beschreibt und ihnen so häufig die Chance gibt, sich durch wörtliche Rede "selbst vorzustellen". Alle Charaktere haben einen tragischen Zug an sich oder man erahnt ihn bereits früh. Man merkt bald, dass Tolstoi insbesondere Konstantin Lewin für wichtig hält und Anna streckenweise in den Hintergrund stellt. Das 6. + 7. Buch entschädigen dann aber für diese "Vernachlässigung".
Wer meint, einen reinen Liebesroman zu lesen, wird enttäuscht werden. Man muss sich bewusst machen, dass es in "Anna Karenina" auch um ein Zeitporträt geht, in dem sich viele Kapitel mit der russischen Gesellschaftsstruktur, dem Glauben an Naturwissenschaft und das europäische Vorbild beschäftigen. Insgesamt entsteht so ein faszinierend genaues Panorama des russischen Lebens im 19. Jahrhundert.
Ich kann es uneingeschränkt weiterempfehlen. Das Buch war für mich einer der Lesehöhepunkte des Jahres.