KLR: 1. + 2. Kapitel
KLR: 1. + 2. Kapitel
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Heute morgen begann ich das neue Leserundenbuch! Es ist anstrengend zu lesen, aber sehr ansprechend. Ob sich dieser erste Eindruck bis zum Schluß hält, wird sich zeigen.
Wikipedia sagt über die Entstehung des "Untertans":
ZitatAn "Der Untertan" arbeitete Mann ab 1912. Der Vorabdruck in der Zeit im Bild fiel der Zensur zum Opfer und wurde mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges unterbunden. Das Werk erschien 1915 zuerst auf Russisch, 1916 und später als Privatausgabe in deutscher Sprache. Erst nach Kriegsende 1918 erscheint "Der Untertan" in nennenswerter Auflage in Deutschland.
Unter diesem Link findet ihr einen Auszug aus dem Kindler Literaturlexikon.
Zum Inhalt sage ich später etwas. Der Tag ist noch lang.
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Ich habe heute auch mit dem Buch begonnen. Und bin im Moment auf Seite 40. Es ist ziemlich schwer zu lesen. Man merkt dem Buch das Alter an (einige veraltete Wörter etc.) Ich denke ich werde das erste Kapitel heute noch zuende bekommen, dann auch von mir mehr zu Inhalt und meinem Eindruck.
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Ja, es ist anstrengend zu lesen, nicht flüssig, sondern es holpert ganz schön. Ich bin mittlerweile auf Seite 52 (von 449 Seiten) angekommen, und die Thematik spricht mich an, auch liest man den feinen Humor gut heraus. Schau`n wir mal wie es sich entwickelt.
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wenn mich nicht alles täuscht, so dümpelt dieses Buch in einem meiner Regale vor sich hin..na, dann mache ich mich mal auf die Suche
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Hi,
ich bin auf S. 25 und find es auch anstrengend zu lesen... doch erkennt man schon zu Beginn gut den Charakter von Diederich...
Mein erster Eindruck:
Er hat gehörigen Respekt vor seinem Vater, wenig vor seiner Mutter, hat wenig Selbstvertrauen und ist sehr abhängig von der Meinung anderer.
Um Druck abzubauen, dem er ausgesetzt ist, gibt er ihn an schwächere weiter (z.B. an seine Schwestern)...Gruss Silke.
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[QUOTE]Diederich Heßling war ein weiches Kind, das am liebsten träumte, sich vor allem fürchtete und viel an den Ohren litt[/QUOTE]
Ich finde schon nur alleine dieser eine Satz beschreibt treffend den Charkter von Diederich. Er hat Minderwertigkeitsgefühle.Und er hat eine Sucht nach Bestrafung, die ihn scheinbar mit Stolz erfüllt. Das macht sich dann auch später in der Schule bemerkbar. Er hat Achtung vor den Lehrern. Da er wie er sagt Teil eines Machtapparates ist. Und seine eigene Macht spielt er gegenüber von seinen Geschwistern aus. Er hat ein Bedürfnis nach Auflehnung und Selbstbestrafung.
Die Minderwertigkeitsgefühle kommen später als er Agnes kennenlernt wieder stark zum Vorschein. Er sucht auch die Schuld am scheitern der Beziehung bei sich.
Durch den Anschluß an die Burschenschaft bekommt er ein neues Selbstwertgefühl. Vielleicht auch durch die uniformähnliche Kleidung???
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Jetzt habe ich das 1. und 2. Kapitel gelesen. Ja, ich stimme euch zu, die Sprache hat sich in den letzten 100 Jahren schon deutlich verändert. Anfangs las sich der Untertan etwas schwer, aber inzwischen habe ich mich daran gewöhnt. Ich muss dazu sagen, dass ich den Untertan schon 3x gelesen habe. Erstmalig las ich ihn in der Schule, wo ich nicht viel davon verstanden habe , Jahre später noch einmal, weil ich ihn verstehen wollte und dann noch einmal gemeinsam mit meinem Sohn, als er ihn in seiner Schulzeit als Pflichtlektüre hatte. Mit jedem Lesen hat mir der Roman besser gefallen. Er gehört jetzt zu meinen Lieblingsklassikern.
Nun zum Buch:
Die ersten beiden Kapitel werden ja in erster Linie dazu genutzt, um den Protagonisten in seiner Zeit darzustellen. Es wird das Bild des weichen Kindes, das verträumt und ängstlich ist, gezeichnet.
In den ersten beiden Kapiteln begegnet er auch schon den Mächten, die sein ganzes Leben prägen. (Vater, Schule, Neuteutonen, Militär und Kaiser) Diederich Heßling fürchtet einerseits diese Mächte, andererseits genießt er die auf ihn ausgeübte Macht.
ZitatIch habe Prügel bekommen, aber von meinem Papa. Ihr wäret froh, wenn ihr auch Prügel von ihm bekommen hättet. Aber dafür seid ihr viel zuwenig. S.5/6
Ganz anders ist sein Verhältnis zu seiner Mutter.
ZitatEr fühlte keine Achtung vor seiner Mutter. Ihre Ähnlichkeit mit ihm selbst verbot es ihm. Denn er achtete sich selbst nicht. S. 7
Ihr gegenüber konnte er seinerseits Macht ausüben. Schlug sie ihn, drohte er ihr, es dem Vater zu sagen. Aber auch gegenüber den Arbeitern in der Papierfabrik des Vaters, den Schwestern und seinen Mitschülern übt er seine Macht aus. Menschen, die seiner Meinung nach "unter" ihm stehen, lässt er seine angebliche Überlegenheit mehr als deutlich spüren.
Für den ganzen Roman von entscheidender Bedeutung ist aber seine Begegnung mit dem Kaiser, in dessen Verlauf er fanatisch schreien neben diesem herläuft, ausrutscht und in eine Pfütze fällt. Der Kaiser lacht und blitzt: "Der Mensch war ein Monarchist, ein treuer Untertan." S.58 Dieses Bild ist bezeichnend für den Menschen Diederich Heßling, der nach oben buckelt und nach unten tritt.
An dieser Stelle werde ich erst einmal abbrechen. Ich poste zum weiteren Verlauf wieder, aber ich möchte nicht spoilern und auch nichts verraten. ;)
Suspiria
So eine Uniform kann schon eine ganze Menge bewirken. Das Selbstwertgefühl kann durch die Zugehörigkeit zu solch einer Organisation enorm gesteigert werden. Durch die Uniform kann man das anderen auch problemlos demonstrieren und mitteilen. -
Ich habe auch das 1. Kapitel durch
ZitatDaß alles hier, die Behandlung, die geläufigen Ausdrücke, die ganze militärische Tätigkeit vor allem darauf hinzielte die persönliche Würde auf ein Mindestmaß herabzusetzen. Und das imponierte ihm. S. 36
Trotz allem drückt er sich vom Militärdienst. Schön fand ich dann die Geschichte die er erzählt hat um sein Ausscheiden vom Militär in ein besseres Licht zu rücken.ZitatFür den ganzen Roman von entscheidender Bedeutung ist aber seine Begegnung mit dem Kaiser, in dessen Verlauf er fanatisch schreien neben diesem herläuft, ausrutscht und in eine Pfütze fällt. Der Kaiser lacht und blitzt: "Der Mensch war ein Monarchist, ein treuer Untertan." S.58 Dieses Bild ist bezeichnend für den Menschen Diederich Heßling, der nach oben buckelt und nach unten tritt.
Die Stelle im Buch finde ich auch ganz entscheidend. :thumright: -
Ich habe nun auch das 1. und 2. Kapitel gelesen, und bin sehr gespannt darauf wie es sich weiter entwickelt. Das Ende vom 2. Kapitel hat mich schockiert, das hätte ich Diederich eigentlich nicht zugetraut
Zitatder nach oben buckelt und nach unten tritt
Was für ein Tritt Das kann ja noch heiter mit ihm werden ;)
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Bin jetzt auch mit dem 2. Kapitel durch...
Mich hat das Ende des 2. Kapitels auch schockiert. Mir tat Agnes richtig leid. Und auch ihr Vater.
Ich denke Diederich hat seine Sentimentalität überwunden und lässt seine unterdrückten Gefühle jetzt an Schwächeren aus.
Bin gespannt wies weiter geht...
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Im 2. Kapitel zeigt Diederich schon recht deutlich, welch ein Mensch er ist. Am Beginn der Liebesbeziehung denkt man noch, sieh an, es menschelt, der Diederich kann auch Gefühle zeigen. Aber nur um danach um so deutlicher zu erkennen, dass er eine Mitgift von 12.000 Mark als unangemessen empfindet.
ZitatIch denke nicht ans Heiraten. Dazu wären zu große Geldmittel notwendig. S. 89
Heftig finde ich auch diese Textstelle auf S. 91
ZitatMein moralisches Empfinden verbietet mir, ein Mädchen zu heiraten, das mir die Reinheit nicht mit in die Ehe bringt. ... Kein Mensch kann von mir verlangen, dass ich so eine zur Mutter meiner Kinder mache. Dafür habe ich zuviel soziales Gewissen.
Mir fällt dazu nur ein, dass er über Mahlmann einmal dachte: "Ein ganz gemeiner Hund ... aber so muss man sein." (S. 39) Diese Gedanken muss er wohl sehr verinnerlicht haben.
Diederich geht nun aus Berlin fort, zurück nach Netzig. Für ihn beginnt damit ein neuer Lebensabschnitt. Zu Hause will er dann seine Macht ausüben, schließlich ist er ja nun Fabrikant. Er lässt sich seinen Bart mittels Bartbinde in zwei rechten Winkeln hinaufführen. Damit will er dem Kaiser noch ähnlicher werden.
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Ich bin diesmal sehr langsam - stecke noch immer im 1. Kapitel auf Seite 28. Ich bin begeistert von dem Buch.
"Der Untertan" ist ein gutes Beispiel dafür, dass man den Protagonisten nicht mögen muss, um trotzdem das Buch gern zu lesen. Er war ein "weiches Kind", ein wahrer Stubenhocker, der sich gern in der Welt der Märchen versteckte. Der Vater war gefürchtet, die Mutter verachtet. Und er lebt beständig in einer Welt voller Anlässe für ein schlechtes Gewissen und ein untergründiges Gefühl von Angst.
Angst vor dem Vater, Angst vor dem Polizisten an der Ecke, Angst vor Gott, Angst vor der Pferdebahn, belebten Straßen und letztendlich der Schule. Ein Wunder, dass er seine Kindeit überlebte und den Umzug nach Berlin tatsächlich umsetzte.
Das von Karthause angeführte Zitat hatte ich auch angestrichen und kopfschüttelnd zur Kenntnis genommen:
ZitatIch habe Prügel bekommen, aber von meinem Papa. Ihr wäret froh, wenn ihr auch Prügel von ihm bekommen hättet. Aber dafür seid ihr viel zuwenig.
Auf allen Seiten wird klar, dass Diederich nicht in der Lage ist, eigene Ideen zu fassen und sich immer an den Autoritäten in seinem Leben orientiert. Die Schule ermuntert seine Neigungen noch und erzieht ihn zu einem Denunzianten (Petzerich... das Wort gibt es nicht, aber auf ihn passt es doch).
Diederichs Leben in Berlin überrascht in keiner Weise - hätte er die Wahl, lebte er als Einsiedler. Aber die Macht des Vaters wirkt auch noch über die Distanz und so lernt er die Göppels kennen. Mir tut Agnes jetzt schon leid - die Geschichte scheint noch ein böses Ende zu nehmen.
Und nun ist er in der schlagenden Verbindung. Sehr begeistert von der Macht der Gruppe, der scheinbaren Sicherheit des Trinkens und aller Rituale. "In der Gruppe sind sie stark!" --> das war meine erste Assoziation!
ZitatOriginal von Heidi Hof
der nach oben buckelt und nach unten trittSchlimm, was Elternhaus und Gesellschaft ihm eintrichtern.
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Das erste Kapitel ist gelesen.
ZitatSeite 28
... einzig sein hoher Begriff von der Ehre der Korporation. Er selbst war nur ein Mensch, also nichts; jedes Recht, sein ganzes Ansehen und Gewicht kamen ihm von ihr.Wie lebt es sich wohl mit einer solchen Einstellung? Und Diederichs Erlebnisse beim Militär zeigen nur wieder sein kriecherischer, manipulativer, feiger Charakter. Dass Heinrich Mann eine echte Leidensgeschichte neben Diederichs imaginativer stellt, verstärkt die Abneigung gegen Diederich gewaltig.
Was für ein Mensch.
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Zitat
Original von Fezzig
Wie lebt es sich wohl mit einer solchen Einstellung?Das frage ich mich auch, Fezzig.
So als Marionette
Wenn Diederich von oben Befehle erhält, dann ist er ja noch gerade so zum Aushalten. Wenn er allerdings denkt, er würde in der Erhabenenposition stehen, dann ist er unerträglich, weil er selbst dann keine eigene Meinung vertritt. Generell weiß er dann nie wie er sich verhalten soll. Das Beste für ihn wäre, wenn er wirklich nur Befehle ausführt, und andere für ihn denken würden.
Ein wirklicher Untertan und absolut geeignet für jegliche Diktatur. -
Zitat
Original von Heidi Hof
Ein wirklicher Untertan und absolut geeignet für jegliche Diktatur.
Meint ihr nicht auch jetzige Regierungen, ob in Bund oder Land, Deutschland oder EU würden nicht vor Begeisterung das Regieren vergessen, wenn wir alle kopfnickend und Beifall zollend jeden Entschluss bejubeln würden? Schon die Vorstellung allein, lässt mich Gänsehaut bekommen. Nein, bitte nicht zu viele Diederichs.
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Hallo!
Ich lese ja grundsätzlich und eigentlich auch mit , allerdings habe ich eine unerwartet arbeitsintensive Woche aufgebrummt bekommen und deshalb bin ich erst auf Seite 37.
Es wurde eigentlich schon alles gesagt, das finde ich klasse, man kennt ihm zwar das Alter an, so redet heute keiner mehr, den Protagonisten finde ich einfach furchtbar, und - obwohl es stilistisch - so alt ist, rein inhaltlich kann man es durchaus in die Jetztzeit übertragen, ich denke, es gibt mehr Diederichs als wir annehmen.
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Hi, bin mittlerweile mitten im 3.Kapitel und möchte kurz meine Eindrück des 1.+2. Kapitels beschreiben:
Diederich hat sein Leben lang nur Druck und die anscheinend damit verbundene Macht kennengelernt und lernt sehr früh, dies zu übernehmen. Er hat absolut kein Selbstbewusstsein, geschweige denn eine eigene Meinung...
Er ist wenig Individuum, als Teil eines Kollektivs, sei es bei den Neuteutonen, dem Militär usw.
Dort fühlt er sich stark... sobald er seine "Überzeugungen" vor anders Gesinnten vertreten soll, wankt er doch hin und wieder...nicht wissend, ob er nun auftrumpfen oder sich doch lieber der vermeintlichen Macht unterordnen soll.
In der Beziehung mit Agnes sieht man sehr deutlich, dass in ihm ein "guter, fast menschlicher Kern" schlummert, den er aber immer wieder unterdrückt...Was er letzten Endes mit der Armen abzieht... find ich den Hammer: "Mein moralisches Empfinden verbietet mir, ein Mädchen zu heiraten, das mir ihre Reinheit nicht mit in die Ehe bringt." (Zitat S. 91)
Dass er hinterher weint, zeigt wieder, dass er manchmal gern anders handeln würde, aber so in seiner Machtbesessenheit gefangen ist, dass er gar nicht anders kann.Gruss Silke.
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Zitat
Original von Karthause
Meint ihr nicht auch jetzige Regierungen, ob in Bund oder Land, Deutschland oder EU würden nicht vor Begeisterung das Regieren vergessen, wenn wir alle kopfnickend und Beifall zollend jeden Entschluss bejubeln würden? Schon die Vorstellung allein, lässt mich Gänsehaut bekommen. Nein, bitte nicht zu viele Diederichs.
Nein, bitte nicht!
Inzwischen habe ich das vierte Kapitel begonnen und verfolge fasziniert seinen Wahn. Aber dazu mehr im passenden Thread.Die unfreiwillige Komik, die Heinrich Mann aufbaut durchzieht den gesamten Roman, wie im Übergang zwischen dem 1. und 2. Kapitel: Diederichs Sturz in den Tümpel, seine irrgeleitete Rezeption des Geschehens und das freudige Wiedersehen mit Agnes werden herrlich miteinander vermischt. Wahrscheinlich ist es genau diese Mischung, die den Roman für den Leser lesenswert macht, obwohl der Protagonist so ein furchtbarer Kerl ist. Während des Lesens kann man sich immer noch denken: "Nein, welch ein Tölpel!", entsetzt den Kopf schütteln und dann überzeugt denken: "Ich hätte es besser gemacht!".
Auch im zweiten Kapitel beweist Diederich erneut seine Unfähigkeit, die guten Einflüsse in seinem Leben zu erkennen und festzuhalten. Zielsicher verbaut er sich den Weg in eine glückliche Zukunft. Das Erlernte stellt sich immer wieder vor seine Urteilsfähigkeit. Der Grad seiner Verblendung verstärkt sich mit jedem unangenehmen Erlebnis in seinem Leben.
Diederich fühlt sich noch immer minderwertig und unwürdig, selbst im Verhältnis mit Agnes:
Zitat(Agnes: )"Sei lieb mit mir! Ich hab nur dich!" - Diederich dachte verlegen:"Dann hast du nicht viel." (S. 52)
Die Vorstellung von einem Diederich, der glücklich aufatmet, die Arme in die Luft reckt und glücklich an die Decke starrt, während er verliebt an Agnes denkt, erschien mir unfreiwillig komisch! (S. 54) Der verliebte Junge hat an der Stelle noch eine Chance, doch bereits bei Tageslicht verbaut er sich den Weg durch seine Moralvorstellungen und seine Angst vor der Blamage.
Sehr schade...Agnes fasst sein Verhalten sehr schön zusammen:
Zitat"Ich weiß, dass du im Herzen ein guter Mensch bist. Du musst nur manchmal anders tun." (S. 68 )
Und immer wieder der voreingenommene Gedanke an den Kaiser und dessen weise Entscheidungen. Kritik hört er sich an, lässt aber keine kritische Auseinandersetzung mit den gebotenen Argumenten zu. Noch hört er immerhin zu. Was da wohl noch nachkommt, wenn er sich mehr in seine Rolle vertieft... besondere geistige Flexibilität hat er ja noch nie bewiesen...