13. Teil der "Jack Ryan / Washington"-Reihe beziehungsweise 2. Teil der "Jack Ryan jr./Washington“-Reihe
1039 Seiten
Originaltitel: Dead or Alive (2010)
Coautor: Grant Blackwood
Inhalt (Buchrücken) :
Terror – Der Krieg im Geheimen
Mit modernsten technischen Mitteln bedroht der Terrorismus die zivilisierte Welt – und nur Jack Ryan und John Clark können sie retten. Ihr Ziel ist der sadistische Killer, der sich „Emir“ nennt. Ihn gilt es zu stoppen – tot oder lebendig…
»Es ist schon gespenstisch: Vieles, was ich erfinde, wird Wirklichkeit.« Tom Clancy
Der Autor (dem Buch entnommen) :
Tom Clancy, geboren 1947, hatte mit seinem ersten Thriller Jagd auf roter Oktober auf Anhieb internationalen Erfolg. Clancy gilt als Begründer des modernen Techno-Thrillers* und zählt neben John Grisham zu den erfolgreichsten amerikanischen Spannungsautoren. Aufgrund seiner gut recherchierten, überaus realistischen Szenarien wurde der Autor nach den Anschlägen vom 11. September von der amerikanischen Regierung als spezieller Berater hinzugezogen.
Tom Clancy verstarb am 1. Oktober 2013.
*klassischer Polit-Thriller kombiniert mit exakter militärisch-technischer Recherche
Aufbau:
50 Kapitel, die jeweils in mehrere „Abschnitte“ unterteilt sind
Epilog (8 Seiten)
Anhang: Porträt des Autors und Werkverzeichnis
Meinung:
Dead or Alive war mein erstes Buch von Tom Clancy – und es lässt mich sehr zwiegespalten zurück.
Zum einen erweckt die Geschichte den Anschein, dass sie sehr gut recherchiert wurde. Die Geheimdienstarbeit wirkt auf mich in großen Teilen glaubwürdig und auch die Situation in den Ländern, die die Agenten im Zuge ihrer „Ermittlungen“ besuchen, wirken realistisch und decken sich mit dem Bild, das die Öffentlichkeit sich in den letzten Jahren machen konnte.
Außerdem schafft der Autor es gut, Figuren mit wenigen Worten zu charakterisieren und vorzustellen. Selbst die kleinste Nebenfigur bekommt zumindest eine kurze Hintergrundgeschichte und keine davon war zu sehr klischeebehaftet. Ein paar gibt es natürlich – beispielsweise trinken alle Russen Wodka – aber darüber kann man hinwegsehen.
Positiv zu erwähnen ist auch, dass zumindest in Ansätzen eine Reflektion stattfindet: An einer Stelle wird darüber gesprochen, dass keineswegs alle Islamisten „böse“ sind, sondern dass es hier einfach nur um einige 'verfaulte Äpfel ' geht. Diese Szene ist zwar nur sehr kurz und hat auch kaum Bedeutung für die Handlung, aber immerhin gibt es sie. Auch die Frage, ob es in Ordnung ist, Gegner, die in diesem Moment keine akute Gefahr waren, zu töten, wird kurz angerissen – findet aber ein schnelles und eher unbefriedigendes Ende.
Ein weiterer Pluspunkt ist, dass Clancy meiner Meinung nach jeden Charakter glaubwürdig schreibt; sowohl die Amerikaner als auch die Terroristen sind der Ansicht, richtig zu handeln, und verurteilen die andere Seite (aus verschiedenen Gründen). Clancy schreibt beide Seiten sehr überzeugend und man kann ihre Beweggründe gut nachvollziehen, auch wenn die ganze Zeit klar gemacht wird, dass die Amerikaner die Guten sind und dass das, was die anderen tun, falsch ist.
Auf der anderen Seite ist die ganze Geschichte doch recht langatmig und fast schon zu komplex, gerade der Einstieg ist sehr zäh.
Dies liegt daran, dass ständig neue Charaktere eingeführt werden, die dann zu allem Übel auch noch eigene Handlungsstränge mit sich bringen. Besonders am Anfang hatte ich große Probleme damit, mir alle Namen und ihre Verbindungen untereinander zu merken – das war einfach zu viel des Guten. Dadurch, dass die verschiedenen Handlungsstränge erst sehr langsam zusammen laufen und sich erst relativ zum Schluss vollkommen vermischt haben, gibt es immer sehr viele „Nebenschauplätze“, zu denen man zwischendurch zurückkehrt. Diese vielen kleinen „Geschichten in der Geschichten“ und die verschiedenen Schauplätze zeigen zwar, wie verzweigt der Terrorismus ist und dass auch international operiert wird, dennoch macht es das Buch zu keiner leichten Lektüre.
Noch einmal erschwert wird das Verständnis der Geschichte dadurch, dass es viele in meinen Augen unnötige Nebengeschichten gibt. Beispielsweise wird immer recht ausführlich geschildert, wie diverse Kleingruppen der Terroristen Menschen „liquidieren“, die zu viel wissen könnten, aber auch, wie eine Frau sich im Auftrag der Organisation an einen Mann, der nützliches Wissen hat, heranmacht, wird sehr ausführlich geschildert. Meiner Meinung nach hätte es gereicht, diese Fakten kurz zu erwähnen.
Hinzu kommt noch, dass der Schreibstil Clancys zwar insgesamt eher nüchtern, dafür aber auch sehr detailliert ist – stellenweise vielleicht sogar zu sehr. Welche Rolle spielt es denn bitte, ob das Frühstück, das ein unwichtiger Nebencharakter zu sich nimmt, im Zimmerpreis inbegriffen ist? Keine – aber solche Details werden andauernd in die Handlung eingestreut. Die meiste Zeit über ist diese Detailverliebtheit mir eher positiv aufgefallen, denn dadurch bekommt der Leser die Arbeit des Geheimdienstes gut erklärt und auch viele Hintergrundinformationen zu den verschiedenen Reisezielen der Agenten, aber man kann es auch übertreiben.
Trotz meiner „Anlaufschwierigkeiten“ und den verwirrend vielen Personen lag meine Bewertung für Dead or Alive eigentlich die ganze Zeit bei 3,5 Sternen. Dies liegt vor allem daran, dass ich die Arbeit des „geheimen Geheimdienstes“ (es geht hauptsächlich um den sogenannten Campus, eine halblegale Organisation, die nicht zur Regierung gehört) sehr interessant und gerade die Schilderung von verschiedenen Möglichkeiten, Gegner am besten zu überwachen, zu verfolgen oder ihre Kodierungen zu enttarnen unglaublich faszinierend fand. Der Autor hat es wirklich geschafft, die diversen Methoden sehr ansprechend zu schildern. Auch die Agenten, die der Leser die meiste Zeit begleitet, wie Jack Ryan jr. – den Sohn des ehemaligen Präsidenten Jack Ryan, der früher ebenfalls Agent war – oder John Clark und Domingo Chavez, sind sympathisch, so dass man ihren Geschichten gerne folgt.
Mich hatte die ganze Zeit gestört, dass für unsere „Protagonisten“ alles so glatt verlief; wenn es Verluste gab, dann wenige, Amerika wurde im Vergleich zu den Terroristen fast unbesiegbar dargestellt. Dann gab es zwar einen Verlust, doch er schaffte es nicht, mich zu berühren. Ja, es sind alles Agenten mit Spezialausbildung und der Tod gehört zu ihrem Leben dazu, aber wenn mir als Leser der Tod einer Person, die ich knapp 800 Seiten begleitet habe, egal ist, hat der Autor etwas falsch gemacht.
Endgültig kippte die Geschichte dann, als die „Guten“, also die Amerikaner, anfingen, ihre Feinde
zu foltern. Ich bin davon überzeugt, dass es die bittere Realität ist und genau so auch tausendfach passiert, aber für mich war da eine Schmerzgrenze erreicht. Dass die Amerikaner ihren Gegnern übel zusetzen und sie so kleinkriegen mag den Patrioten in Amerika gefallen – für mich war es abstoßend, gerade die letzte Szene.
Ich hätte das Buch fast beiseite gelegt und habe nur durchgehalten, weil es nicht mehr viel zu lesen war. Objektiv betrachtet ist die Szene nicht einmal besonders brutal geschildert, aber für mich ging es mehr um die symbolische Bedeutung – denn damit hatten die „Guten“ sich für mich auf ein Niveau begeben, das dem der Gegner sehr nahekam. Leider wird es auch kein bisschen kritisch dargestellt, sondern als einzige Möglichkeit, Konsequenzen werden keine erwähnt.
Insgesamt habe ich mich mit der Bewertung sehr schwer getan. Aufgrund der oben genannten Kritik konnte ich keine 3,5 Sterne mehr geben, andererseits fand ich das Buch bis dahin zu interessant, um eine wirklich schlechte Bewertung vergeben. Da ich, wie bereits erwähnt, sehr zwiegespalten war, habe ich mich also für die goldene Mitte entschieden und vergeben.
Ob ich noch einmal ein Buch des Autors lesen werde, weiß ich nicht – ich habe schon herausgefunden, dass dieser Band einer seiner schlechteren sein soll, also werde ich mir vielleicht mal eines seiner frühen Werke anschauen.