"In Fräulein Linek war ein großer Durst nach Ewigkeit und Seligkeit" - so formuliert es im Epilog der Kaplan Johannes Seydel, dem die alte Magd sich auf ihrer Pilgerfahrt nach Rom anvertraut hatte. Die ewige Seligkeit war das Ziel dieser "schlichten, volksfrommen Seele" gewesen, und sie hatte geglaubt, sie könne es sicher erreichen, wenn sie ihrem Neffen zum Theologiestudium verhelfe, ihm alle ihre Ersparnisse hierfür gebe. Siebzig Jahre alt geworden, will sie sich in seiner Pfarre zur Ruhe setzen - da muß sie erfahren, daß er sie betrogen hat, daß er gar kein Geistlicher geworden ist. Die Einsicht, daß Gnade sich nicht erzwingen läßt, fällt ihr, der Einfältigen, schwer. Während der Audienz bei Papst Pius XI. bricht sie ohnmächtig zusammen - man betet für sie. - "Der veruntreute Himmel ist der große Fehlbetrag unserer Zeit", resümiert der Erzähler dieser Geschichte einer Magd nach ihrem Tode im Gespräch mit dem Kaplan.
Das Buch hat drei Teile. Im ersten spielt die Teta Linek nur eine untergeordnete Rolle, das ist eigentlich die Geschichte der Familie bei der sie angestellt war. Im zweiten Teil sucht sie sich Gewissheit zu verschaffen über ihren Neffen, dem sie die Priester-Ausbildung u.a. bezahlt hat, und sie verliert die Hoffnung auf nen schönes Jenseits. Im dritten Teil folgt die Pilgerreise nach Rom, ihre Beichte (die Frage nach der Mitschuld an der Verkommenheit ihres Neffen belastet sie).
Wenn man an der realen Welt verzweifelt, dann flüchtet man sich bisweilen in die Religion. Die Verzweiflung an der Realität, diese Realität ist Hitler-Deutschland mit seinen Nazi-Horden und Konzentrationslagern und ist dss angeschlossene Österreich und ist der von den Faschisten gewonnene spanische Bürgerkrieg, ist bei Werfel, der im Exil weilt, womöglich tatsächlich gegeben. Jedenfalls wirkt das Buch als Zeichen seiner Zeit, als Flucht aus der Realität, hin zur unsterblichen und unvergänglichen metaphysischen Welt. Deren eindrucksvollste Vertreter auf Erden lassen sich ja auf Seiten der römisch-katholischen Kirche - da wird Mystik noch gelebt. So wird dieses Buch eben zu einem Dokument der Hoffnung; zur Hoffnung auf eine bessere Welt, die nach der finsteren Zeit wieder anbrechen wird und das Mittel, das diese Hoffnung real machen kann, das ist ein tiefer, inniger Glaube und eine, im Roman selbst wie auch in der Realität als einfach und primitiv verschriene, absolute Religiosität. Das hat das Fräulein Linek. Was sich in dieser, ihrer, Lebensgeschichte allerdings, dank des geistlichen Beistandes des Kaplans Seydel, noch ergibt ist ein gewisses christliches Mitleid, allerdings nicht uneigennützig, das das allzu selbstsüchtige Streben nach einem guten Platz im Himmel und einer recht kurzen Zeit im Fegefeuer ablöst.
Was dem Zeitgenossen nach Meinung des "Ichs" (der Schriftsteller Theo, der über das Leben der Teta Linek schreibt) fehlt, ist der Glaube an Ewiges und Unzerstörbares - und weil ers nicht glaubt, deswegen zerstört und mordet er. Auch wenn ich Werfel da nicht zustimmen kann (auch nicht in anderen Dingen z.B. dieser gewissen Glorifizierung der Röm.-Kath.-Kirche), so ist sein Roman doch durchaus herausragend. Sprachlich schön, mit einer authentischen und bewegenden Lebensgeschichte an der man fast verzweifeln möchte. Und beneiden möchte man sie auch, "das soll man auch" sagt mir der Roman, denn der unerschütterliche Glauben Teta Lineks, diese Gottgewissheit, die würde auch heute noch, aber erst Recht zu Zeiten des Faschismus, das Leben so viel einfacher machen.