Beiträge von busfahrer

    Meiner Meinung nach ist 1984 heute aktueller denn je. Nicht nur wegen der Thematik der Ueberwachung, nein. Die Behandlung derer gehoert natuerlich auch zu den grossen Leistungen Orwells.
    Fuer mich ist vielmehr die erste der drei folgenden Zeilen und die zugehoerige Erklaerung im fiktiven "Buch im Buch" der Schluesselsatz des Buches schlechthin:


    Zitat


    WAR IS PEACE
    FREEDOM IS SLAVERY
    IGNORANCE IS STRENGTH


    (Eine weitere Erklaerung waere zu ausschweifend - diejenigen, die das Buch gelesen haben, wissen wovon ich spreche. :mrgreen: )


    Gruesse, busfahrer

    Zitat

    Original von FallenAngel
    busfahrer:
    Bist du es nicht gewöhnt Bücher in einer älteren Sprache zu lesen? Das könnte nämlich die Erklärung sein. Als ich meinen ersten alten Klassiker im Original gelesen habe, hatte ich auch so ein komisches Gefühl. Nach allen 6 Austen-Romanen, Charles Dickens und Mark Twain gewöhnt man sich aber daran! :geek:
    Und ja, in 85 Jahren kann sich die Sprache sogar sehr stark verändern!


    Gewoehnt nicht, nein. Zuletzt habe ich Brave New World im Original gelesen, das ist von 1932. Es ging mir da wie jetzt bei Gatsby. Ich bekomme die Handlung zwar einwandfrei mit, verstehe aber eben nicht alle Beschreibungen von Gefuehlen oder der Szenerie 100%ig. Ich denke aber nicht dass ich deswegen die Uebersetzung lesen sollte... was meint ihr? :mrgreen:


    Gruesse, Busfahrer

    Ich finde es auch keine gute Sache.
    Ich habe dazu hier schon meinen Senf dazugegeben. Gerade am Beispiel von Anna Karenina sieht man das, wie ich finde, ganz gut. Die ganzen Passagen, in denen Tolstoi sein Feingefuehl gegenueber menschlicher Empfindung zum Ausdruck bringt, fehlen. Was bleibt vom Meisterwerk ist ein relativ kitschiger Liebesroman... :mrgreen:


    Gruss, busfahrer

    Habe mir das Werk im Original zugelegt. Ich muss sagen, bin von der Anzahl mir unbekannter Woerter auf den ersten Paar Seiten etwas ueberrascht. Es ist noch gut zu verstehen, hinterlaesst aber ein seltsames Gefuehl. :mrgreen: Ich frage mich ob das Zufall ist oder mit dem Alter des Textes zu tun hat (kann sich eine Sprache in 85 Jahren so veraendern?)


    Mehr Gedanken dazu von mir sobald ich damit durch bin :)


    Gruesse, busfahrer

    So, nun bin ich auch fertig. :)


    Ich muss sagen, ein tolles Buch. Die Art wie Tolstoi selbst die feinsten Nuancen menschlicher Empfindung in Worte kleidet, die sich so ungezwungen lesen als ob man sich keine andere Formulierung haette vorstellen koennen, finde ich sehr bewundernswert. Und nebenbei bekommt man noch ein huebsches Bild vom Russland des neunzehnten Jahrhunderts mit.


    Fuenf Sterne!


    P.S.:

    Zitat

    Original von Susannah
    Nicht wahr? Es müßte doch wengistens angeführt sein, dass es sich um eine gekürzte Ausgabe handelt!! :evil:


    Dazu habe ich an anderer Stelle einen kleinen Vergleich angestellt. :mrgreen:


    Gruesse,
    busfahrer

    In meiner Traumbibliothek stehen alle Schriftsteller auf Abruf bereit, damit ich sie im Zweifelsfall bestimmte Stellen ihrer Werke erklaeren lassen kann. 8)


    Wie sich das realisieren laesst (vor allem mit den bereits Verstorbenen), ist unklar. :mrgreen:


    Gruss, busfahrer

    Hallo,


    ich hoffe das passt in diesen Forumsabschnitt. :)


    Wie an anderer Stelle in diesem Forum bereits erwähnt wurde, gibt es von "Neuer Kaiser Verlag" zwei (zumindest weiß ich von so vielen) gekürzte Ausgaben von Lew N. Tolstois "Anna Karenina". Bei dem mir zur Verfügung stehenden Buch handelt es sich um die Ausgabe von 1978, zu der ich leider keine ISBN Nummer finden konnte. Auf dem Klappentext der 366 Seiten umfassenden Ausgabe findet die Tatsache, das es sich um eine gekürzte Fassung handelt, mit keinem Wort Erwähnung, lediglich im "Kleingedruckten" steht "Aus dem Russischen übersetzt und zeitgemäß bearbeitet von Hertha Lorenz".
    Die zweite Ausgabe ist von 2000 [ISBN 3704320277], und aufgrund der gleichen Seitenanzahl nehme ich an, dass der zugrunde liegende Text derselbe ist.


    Falls jemand die Ausgabe von 2000 zur Hand hat waere es interessant zu erfahren, ob dort auf dem Klappentext etwas von einer Kürzung erwähnt wird.
    Zum Vergleich habe ich meine Ausgabe vom Patmos Verlag herangezogen, in der Übersetzung von Fred Ottow [ISBN 978-3-491-96196-8], die zum Vergleich - abzüglich Anmerkungen und Zeittafel - 978 Seiten umfasst.


    Seit ich von diesen Ausgaben erfahren habe, hat mich einerseits die Tatsache verstört, wie man eine gekürzte Ausgabe vertreiben kann (darf?) ohne dies auf dem Umschlag zu erwähnen; andererseits habe ich mich auch gefragt, was wohl gekürzt wurde. Dazu fielen mir spontan zwei Möglichkeiten ein:
    a) Es werden immer wieder einzelne Sätze weggelassen.
    b) Es werden ganze Kapitel weggelassen. Aufgrund der Tatsache, dass es in dem Werk um zwei Liebesgeschichten geht, die mehr oder weniger disjunkt voneinander ablaufen, wäre dies wohl besser durchführbarer, als einem im ersten Augenblick erscheinen mag. Naiv könnte man argumentieren, das Buch heisst schließlich "Anna Karenina", auch wenn mich die Beziehung von Lewin und Kitty mindestens genauso sehr fasziniert.


    Um einen ersten Eindruck zu gewinnen, habe ich einmal die einleitenden Sätze der beiden Ausgaben verglichen.


    Zunächst die gekürzte Fassung der Lorenz-Übersetzung:

    Zitat

    Alle glücklichen Familien sind einander ähnlich; jede unglückliche Familie hingegen ist auf ihre besondere Weise unglücklich.
    Im Hause der Oblonskijs herrschte allgemeine Verwirrung. Die Prinzessin hatte erfahren, daß ihr Gatte ein Verhältnis mit einer französischen Gouvernante hatte, die früher im Hause beschäftigt gewesen war. Infolge dieser Entdeckung hatte sich die Prinzessin in ihrem Schlafzimmer eingeschlossen; der Gatte hatte das Haus verlassen, die Kinder irrten in den Zimmern umher, die Dienerschaft sprach von Kündigung.


    Hier die eigentliche Fassung, in der Ottow-Übersetzung:

    Zitat

    Alle glücklichen Familien ähneln einander; jede unglückliche aber ist auf ihre eigene Art unglücklich.
    Bei den Oblonskijs herrschte allgemeine Verwirrung. Die Frau des Hauses hatte von der Liebschaft ihres Mannes mit der früheren Gouvernante ihrer Kinder Kenntnis erhalten und erklärt, daß sie unter diesen Umständen nicht länger mit ihm unter einem Dache leben könne. Qualvoll lastete diese Situation nun schon drei Tage nicht nur auf den Ehegatten selbst, sondern auch auf den anderen Familienmitgliedern und den übrigen Hausgenossen. Alle fühlten, daß ihr Zusammenleben sinnlos geworden war, ja, daß in einem Gasthof zufällig versammelte Leute enger miteinander verbunden sein müßten als sie, die Angehörigen der Familie Oblonskij und ihre Hausangestellten. Die Dame selbst blieb in ihren Zimmern, ihr Gatte war drei Tage nicht mehr zu Hause gewesen. Die Kinder liefen verlassen herum. Die englische Erzieherin hatte sich mit der Haushälterin verzankt und einer Freundin geschrieben, ihr eine andere Stelle zu verschaffen. Der Koch war gestern während des Mittagessens einfach davongelaufen; das Küchenmädchen und der Kutscher hatten gekündigt.


    Wie wir sehen handelt es sich wohl um Option a). Man kann zu Kürzungen stehen wie man will, aber ist es nicht gerade der herrliche Vergleich mit dem Gasthof, der dieses Juwel der Weltliteratur von der Menge abhebt?


    Die Einteilung in acht Teile wurde auch in der kurzen Fassung beibehalten, jedoch nicht die Aufteilung der einzelnen Kapitel innerhalb dieser Teile. Beispielsweise besteht in der Ottow-Fassung - die, wie ich vermute, die Einteilung vom Autor selbst übernommen hat - der erste Teil aus 34 Kapiteln, wohingegen das letze Kapitel des ersten Teils der Kurzfassung die Nummer 13 trägt, wobei zu bemerken ist, dass in dieser Ausgabe Kapitel 9 auf Kapitel 7 folgt.
    Teilweise wurden aber wohl doch komplette Kapitel weggelassen (also auch Option b)):
    Die Kapitel 26 und 27 (bzw. deren Handlung) der Ottow-Fassung, die sich mit den Gedanken Lewins über seinen Bruder und mit seinem Leben auf dem Gut beschäftigen, fehlen beispielsweise gänzlich.


    Scheinbar wurden also sowohl einzelne Sätze, als auch ganze Kapitel gestrichen, um eine Kürzung des Stoffes auf rund ein drittel seines ursprünglichen Umfangs zu erreichen.


    Ich hoffe, dass dieser kurze Vergleich in Zukunft denen hilft, die wie ich verwirrt im Netz recherchieren aufgrund des Unglaubens, bei einer 366 Seiten langen Version von Anna Karenina könne es sich um den kompletten Text handeln.


    Grüße, busfahrer

    Zitat

    Original von FallenAngel
    Da ich bis vor kurzem total im Fieber war, weil ich eventuell nach Amerika umziehen werde (nun steht das aber auf wackligen Beinen), habe auch ich wieder verstärkt englische Bücher gelesen - was bedeutet, dass ich in den letzten 2 Monaten so gut wie kein deutsches, französisches oder spanisches Buch in die Hand nahm! :geek:


    Da muss ich nun doch meinen Neid ausprechen ueber die Faehigkeit, gleich in drei Fremdsprachen so bewandert zu sein, um gaengige Literatur lesen zu koennen. :mrgreen:
    Alles autodidakt beigebracht?

    Wenn das Original Englisch ist, versuche ich die Originalausgabe zu lesen. Das klappt meistens auch ganz gut. Oft verstehe ich einige Woerter nicht, aber in den meisten Faellen ergeben sie sich aus dem Kontext, oder ich weiss was sie "ungefaehr" bedeuten (kennt ihr das Gefuehl?), oder sie sind in dem Satz nicht sonderlich wichtig. Ich wuerde sagen nur 5% der mir unbekannten Woerter schlage ich nach. Wie verfahrt ihr da?


    Es kommt auch ganz aufs Buch drauf an, wieviele Woerter ich nicht kenne, das kann sehr variieren. Wie ich festgestellt habe, hat das allerdings nichts - oder zumindest nicht viel - mit der "Sprachebene" zu tun...


    Gruss, busfahrer

    Ich habe Siddhartha erst kuerzlich gelesen und muss alwin zustimmen, man muss das Buch wirklich aufmerksam lesen, um voll davon zu profitieren, aber es lohnt sich!
    Besonders gut gefallen hat mir der Teil, in dem er mit dem Faehrmann zusammen lebt, und die Art, wie Hesse beschreibt wie Siddhartha vom Fluss lernt. :)


    Gruss, busfahrer


    Bei meinen Eltern zuhause habe ich ebenfalls eine Ausgabe von diesem Verlag gefunden, hier die Daten:


    "Uebersetzt und zeitgemaess bearbeitet von Hertha Lorenz" (diese Information ist nur im "kleingedruckten" zu finden)
    1978
    Neuer Kaiser Verlag


    Die Seitenzahl lag auch bei knapp 400. Finde es ganz schoen dreist sowas zu verkaufen und nichtmal im Klappentext etwas von einer Kuerzung zu erwaehnen.


    Habe mir nun die Ausgabe von Albatros/Patmos geholt in der Uebersetzung von Fred Ottow, und bin gespannt. :mrgreen:


    Gruesse, busfahrer