Beiträge von rumble-bee

    Hermhimmel, wasn Buch.


    Dieses Buch ist vieles - längst überfällig. Mutig. Innovativ. Erzählerisch mitreißend. Und ganz einfach gelungen! Es fragt sich nur, ob man es genauso gut fände, würde man die klassische Vorlage nicht kennen.

    Eine Inhaltsangabe erübrigt sich weitestgehend - der Autor hat den Klassiker "Huckleberry Finn" aus Sicht des Sklaven Jim neu nacherzählt. Ein wenig erinnert die Vorgehensweise an "Einer flog übers Kuckucksnest", denn dort war es auch der ethnische Außenseiter, der sich absichtlich dumm stellte, um seine Ruhe zu haben...

    Die Handlung ist also weitestgehend bekannt. Huck und Jim flüchten, und geraten dabei in etliche Abenteuer. In gewisser Weise ist es also ein Roadmovie, bei dem eine Wendung auf die nächste folgt. Sie verlieren sich aus den Augen, sind mehrfach in Lebensgefahr. Das ganze Panorama des Südstaatenlebens entfaltet sich vor dem Leser, durch sämtliche Bevölkerungsschichten hindurch.

    Neu ist hier natürlich Jims Sicht auf die Ereignisse. Er entlarvt gnadenlos die Doppelbödigkeit des vorherrschenden Denkens. Gerade die scheinbare Naivität macht seine Weltsicht dabei so hintersinnig. Unterstrichen wird das noch durch seine "Zweisprachigkeit" - naiv und hinterwäldlerisch in Gegenwart von Weißen, hochgebildet immer dann, wenn er sich unbeobachtet fühlt, oder mit seinesgleichen unterwegs ist. Die Übersetzung muss hier ausdrücklich gelobt werden! Eigentlich ist Nikolaus Stingl hier fast eine eigene Version geglückt.

    Sehr nett ist auch, dass hier ein Rätsel um Hucks Familiengeschichte gelüftet wird. Man kann es wohl erahnen - dennoch hat es in dieses Buch gepasst!

    Außergewöhnlich auch Jims Träume - hier begegnet er den Philosophen, die er heimlich liest, und führt mit ihnen Streitgespräche. Neu war mir allerdings, dass Locke "für" die Sklaverei gewesen sein soll...?

    Eigentlich viel zu schade für eine einzige Lektüre. Dieses Buch sollte mit in den schulischen Kanon aufgenommen werden.

    Knallige Bonbonverpackung mit eher moderatem Inhalt


    Der deutsche Verlag hat sich die größte Mühe gegeben, alles aus dem eher moderaten Krimi herauszuholen, was nur ging. Knallige Bonbonverpackung, flottes Design (das von dem nüchternen englischen Original deutlich abweicht), Trailer, und eben Klappentext, Titel und Vermarktung. Dem aufmerksame Leser entgeht jedoch nicht, dass hier eher "aufgehübscht" werden sollte. Kein schlechtes Buch, das nun nicht - aber doch eben anderes, als suggeriert wird.

    Die Grundidee ist gut. Eine exzentrische, reiche Frau war zeit ihres Lebens von der Idee besessen, dass sie eines Tages ermordet werden würde. Und zwar aufgrund einer alten Weissagung auf einem Jahrmarkt! Frances stirbt tatsächlich gewaltsam, und hinterlässt per Testament all ihr Vermögen demjenigen, der den Mord aufklärt. Ansonsten würde der Besitz verscherbelt und aufgeteilt.

    Es schwächelt allerdings schon beim Titel. Es geht eben NICHT um das Archiv von Frances, nur sehr am Rande! Die Hauptrolle spielen ihre Großnichte Annie in der Gegenwart, und Auszüge aus ihrem Tagebuch von 1966. Der Originaltitel ist da wesentlich zutreffender, "How to Solve Your Own Murder" ("Wie man seinen eigenen Mord aufklärt"). Schade ist das schon - ich hatte viele Szenen erwartet, in denen beschrieben wird, wie die schrullige Frances ihre Nachbarn ausspioniert. Doch leider nein.

    Von einem Krimi erwarte ich zudem definitiv mehr Spannung. Dies hier war eher ein netter Dorfroman à la Inspector Barnaby. Die "Ermittlungen" von Annie waren sehr unbeholfen, sie stolperte vielmehr kopflos in der Handlung herum. Oft hätte ich sie schütteln mögen, da sie das eine denkt, dann aber völlig ungeplant das andere tut!

    Die Verwandtschaftsverhältnisse haben mich teilweise überfordert - es hätte statt den knalligen Bildchen vielmehr ein Stammbaum ins Cover gehört. Oft musste ich zurückblättern und nachsinnen - wer war das jetzt noch mal? Genauso ging es mir mit dem letztlichen Täter!

    Mit der Übersetzung bin ich auch nicht recht glücklich. Oft erschien sie mir unangemessen flapsig, teilweise gar peinlich. Hier wäre ein Blick ins Original zweifellos hilfreich. Fast ein Ärgernis waren jedoch zwei bis drei inhaltliche Fehler! An verschiedenen Stellen des Buches werden sich widersprechende Dinge behauptet. (Ein Foto von 1966 hätte z. B. gar nicht existieren dürfen, weil sich die Personen laut Tagebuch zu dem Zeitpunkt gar nicht gesehen haben.) In einer längeren Dialogpassage werden die Redebeiträge den beiden Gesprächspartnern nicht immer korrekt zugeordnet, widersprechen sich. Es gibt verschiedene Versionen vom Ableben ehemaliger Gattinnen, etc. ...

    Und nachdem das Buch längere Zeit eher vor sich hin plätscherte, wurde die Auflösung dann ziemlich übers sprichwörtliche Knie gebrochen. Von "Mitraten" konnte hier bei weitem keine Rede sein!

    Ich wüsste wirklich nicht, wem ich dieses Buch empfehlen sollte. Eine gute Grundidee ist meiner Ansicht nach auf halber Strecke stecken geblieben. Am liebsten würde ich 2,5 Sterne vergeben.

    Neue Thriller-Generation


    Das ganze Konzept dieses Buch ist neuartig - und zwar so neu, dass es Leseherausforderung versprach. Man kennt natürlich Genre-Überschreitungen, zum Beispiel das Einarbeiten von Tagebucheinträgen und Zeitungsartikeln in Krimis. Hier wurde dies allerdings auf die Spitze getrieben. Zum ersten Mal besteht ein Thriller aus keiner einzigen Zeile fortlaufendem Fließtext, sondern quasi "nur" aus einer nachgestellten Fernsehserie! Es gibt keinerlei übergeordnete Erzählerperspektive, sondern der Leser wird 1:1 mit dem hypothetischen Zuschauer einer Fernsehserie gleichgesetzt. Man liest gewissermaßen ein Drehbuch, dazwischen Mails, Zeitungsausschnitte, und VoiceMails.

    Ich kann die Idee dahinter durchaus verstehen - dem Leser wird suggeriert, dass er den Fall selber lösen könne, und hautnah dabei sei. Allerdings finde ich das Ganze durchaus auch anstrengend! Es sprengt einfach klassische Lesegewohnheiten. Man ist permanent und im Akkord gezwungen, Bilder vor dem inneren Auge entstehen zu lassen. Es gibt keine ruhigen, beschreibenden Passagen; ebenso fehlen innere Monologe und Gedankengänge, die einen Charakter vertiefen könnten. Personen werden einzig und allein aufgrund ihrer Äußerungen vorgestellt, und im geringeren Maße durch ihr Aussehen.

    Nun gut, wir haben es mit einer Fernseh-Kultur zu tun, unsere visuellen Gewohnheiten haben sich gewiss verändert. Andererseits - jemand, der visuell geübt ist, also ein Serienfan, ist eben nicht der klassische Leser. Und ein klassischer Leser wiederum wird tendenziell überfordert sein mit der inneren Bilderflut. In puncto Innovation allerdings ist dieses Buch zweifellos einzigartig!

    Nun zum Inhalt. Es geht um einen 20 Jahre zurück liegenden Mordfall, einen "Cold Case". Damals wurde ein junger Mann auf dem Grundstück seiner vermögenden Ehefrau erschlagen. Der Fall wurde nie geklärt - bis sich nun der Sohn der Witwe, mittlerweile Regisseur geworden, erneut an die Geschichte wagt. Die Geschichte verspricht Spannung - es werden 6 Experten ins Studio geladen, die sich erneut mit allen Details befassen. Pro ausgestrahlter "Folge" steigt die Spannung kontinuierlich, immer wieder gibt es Twist und Überraschungen. Bis am Ende der Fall tatsächlich vor laufender "Kamera" gelöst wird...

    Dem Zuschauer und Leser wird suggeriert, er könne mitraten. Das finde ich aber nur bedingt zutreffend. Eben weil etliche der Beteiligten Informationen zurückhalten. Die eigentlichen "Ermittlungen" werden nicht im Studio angestellt, sondern in der Zeit dazwischen. In der "Sendezeit" werden nur Ergebnisse zusammengetragen.

    Der Spannungsbogen ist schon ziemlich großartig angelegt, keine Frage! Man wird als Leser bei der Stange gehalten. Besonders nett ist die Erfindung eines "Fernseh-Journalisten", der eine Kolumne zur "Sendung" schreibt. Ebenso wie ein True-Crime-Forum im "Internet", in dem sich Fans der "Sendung" austauschen. Allerdings werden so dem Leser wiederum Gedanken quasi vorgegeben.

    Die eigentliche Geschichte zu kommentieren, ist nicht leicht ohne zu spoilern, eben weil alles so unmittelbar auf den Leser einprasselt. Sagen wir, die Autorin ist erkennbar klassisch sozialisiert, was Krimis betrifft. Die Geschichte bildet - für mich - einen Mix aus "Mord im Orient-Express" und "Zehn kleine Negerlein", beide von Agatha Christie. In der Tat hatte ich allerdings von Anfang an den richtigen Riecher, was den Täter betrifft! (Das hat übrigens Elizabeth George in einem Krimi auch schon mal gemacht.)

    Mir kommt die Psychologie in diesem Fall etwas zu kurz - mir reicht es nicht, dass die eingeladene Psychologin in einer einzigen Szene die möglichen Gründe erklärt. Das wäre eben in einem klassischen Krimi besser möglich gewesen, in dem man auch Einblicke in die Gedankenwelt der handelnden Personen hat. (Wiederum möchte ich hier Elizabeth George erwähnen.) Entschädigt wurde man dafür hingegen durch einen netten Epilog, der ein paar Dinge andeutet.

    Ich pendle mich ein auf eine Bewertung von vier Sternen. Sobald man sich eingelesen hat, setzt ein Lesesog ein. Nur wie gesagt, man kann sich beim Lesen nicht entspannt zurücklehnen, da das Format viel mehr visuelle Mitarbeit erfordert als üblich. Ich würde dieses Buch einer jungen Generation empfehlen.

    Leben und Lieben zwischen den Jahrzehnten

    Dies ist der gelungene zweite Band der "Glückstöchter"-Reihe. Der Kreis schließt sich: man erfährt mehr über die Familiengeschichte von Anna und Eva. Wieder ist alles sehr menschlich, farbig und nachvollziehbar erzählt: das Leben auf einer Alm um 1911 - 1917, sowie eine Bio-WG im Bayern der 1970er Jahre. Dennoch bleiben Leerstellen, und man könnte sich fragen, ob es nicht einen dritten Band hätte geben sollen.


    Nach einem sehr starken Beginn, und vor einem dramatischen Ende mit vielen Wendungen, ist das Buch im Mittelteil eher still, was jedoch seinen ganz eigenen Reiz hatte. Der Fokus lag eher auf den Menschen, wie sie tatsächlich täglich gelebt und gefühlt haben. Der Leser sammelt zum Beispiel Kräuter mit Anna, und macht die Alm winterfest. Und man stellt mit Eva Müslis zusammen, oder erfährt mehr über Eifersüchteleien und Stimmungsschwankungen in der WG.


    Die Zeitgeschichte wird durchgehend sehr am Rande gehalten. Die Erwähnung des ersten Weltkrieges, sowie der RAF, werden auf ein absolutes Minimum beschränkt. Dies hat dem Buch und der Charakterisierung seiner Protagonisten gut getan!


    Die Autorin wollte kein heimliches Geschichtsbuch schreiben, sondern die Gefühlswelt einer Heldin damals und in den 70ern erfahrbar machen, was ihr hervorragend gelungen ist. Besonders im Handlungsteil "Eva" gab es so manchen Schmunzler - wie man zum Beispiel mit unerwarteten Polizeikontrollen umging, oder dass viele doch wesentlich "traditioneller" gedacht haben, als die Sponti-Atmosphäre glauben ließ. Fragen von Vaterschaft und Verwurzelung gibt es auf beiden Handlungsebenen - ein erkennbares Herzensthema der Autorin.


    Rein schriftstellerisch muss ebenfalls ein großes Lob ausgesprochen werden. Die Dialoge sind erfrischend, und die Schreibweise abwechslungsreich. Es gibt verschiedenste Texte, wie Tagebücher oder Zeitungsartikel. Herrlich auch die Erwähnung typischer Musiktitel! Man wollte am liebsten gleich mit auf eine Studentenfete!


    Das Thema "Naturverbundenheit" und Nachhaltigkeit ist ein weiterer Schwerpunkt, und zwar in beiden Handlungsteilen gleich. Anna lebt ganz nah an und in der Natur, während Eva in den 70ern um Kompromisse nicht herumkommt. Zudem war es erschreckend festzustellen, dass wir heute in vielen Bereichen, was die Bio-Bewegung angeht, noch nicht wirklich weiter sind!


    Die Höchstwertung wird nur deshalb knapp verpasst, weil am Ende das Buch doch ein wenig gerafft erscheint. So als habe ein Lektor oder Verlagsmensch entschieden, dass zwei Teile eigentlich reichen. Die Autorin hat sich hier achtbar aus der Affäre gezogen - das Ende wartet trotz seiner Kürze mit ein paar herzerwärmenden Überraschungen auf. Insgesamt ist das Buch sehr empfehlenswert für alle, die schon den ersten Band mochten - kann aber auch unabhängig gelesen werden.

    Ein absolutes Herzensbuch


    Man mag kaum glauben, dass dies ein Debütroman sein soll. Wie will die Autorin das noch übertreffen? Sie bewegt sich erzählerisch ganz in der Tradition von Romanen wie "Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry" oder der "Köchinnen von Fenley Hall". Ein absoluter Wohlfühlroman, wobei dieses Etikett nicht abwertend gemeint ist, sondern als Qualitätssiegel. Ein spannender Backwettbewerb in der Gegenwart verbindet sich mit Rückblenden, Lebenslügen, und einem angenehm offenen Ende, das Raum für Interpretation bietet. Hier kann man als Leser absolut versinken!


    Im Zentrum steht die 77jährige Jennifer Quinn, die sich spontan entscheidet, an einem Backwettbewerb im TV teilzunehmen. Großartig, wie sie mit der modernen Technik kämpft, und den Grund für ihre neu erwachte Backwut vor Ehemann und Nachbarn zu verbergen sucht! Das Ehepaar Quinn ist mit viel Herzblut gezeichnet - die Autorin hat sich an ihren eigenen Großeltern orientiert. Man möchte die Beiden am liebsten besuchen!


    Pluspunkt Nummer zwei. Es wird überdeutlich, wie sehr Kochen und Backen mit Erinnerungen, Düften und Ereignissen verbunden ist. Bei jedem Rezept, das Jennifer ausprobiert, entsteht vor dem Auge des Lesers die dazu gehörige Geschichte - der Mutter, der Großmutter, oder auch Jennifers eigene schwierige Vergangenheit. Man schnuppert, kostet und genießt.


    Drittens, die Autorin hat das Kunststück vollbracht, Jennifer Quinn ein Geheimnis unterzujubeln, das in die damalige Zeit passt, und in Rückblenden portionsweise enthüllt wird. Kein Detail ist hier zu viel, keine Träne zu wenig. Man leidet und schwankt mit Jennifer! Und wie das Geheimnis in der Gegenwart gelüftet wird, ist wirklich gut gemacht.


    Viertens, man merkt, dass die Autorin selber im Unterhaltungsfernsehen tätig war. Man wirft einen lebendigen Blick hinter die Kulissen einer Fernsehshow, mit all ihren Pannen und Aufregungen. Und all das mit einer 77jährigen! Schon eine enorme Belastung.


    Ich weiß gar nicht, für welchen Aspekt ich das Buch am meisten loben soll. Es wirkt eben wie aus einem Guss. Dazu noch die wunderschöne Aufmachung samt Lesebändchen - da ist dtv ein wahres Schmuckstück gelungen. Rundum eine klare Leseempfehlung!

    Interessante Neuversion eines Klassikers


    Mancher Leser mag sich fragen, ob die Referenzen zu Agatha Christies Klassiker "Mord im Orient-Express" zufällig sind. Sind sie nicht. Die Autorin hat dieses Buch ganz bewusst an das berühmte Vorbild angelehnt. Einer der Passagiere hat sogar ein Taschenbuch des "Orient-Express" dabei, was doch schmunzeln lässt. Alexandra Benedict hat aber nicht einfach eine Kopie abgeliefert, sondern das Thema "Mord im liegengebliebenen Zug" interessant variiert, und um aktuelle Themen erweitert. Es geht um Influencer und ihre Follower, Quiz-Sendungen im Fernsehen und das dazugehörige Casting, rivalisierende Studenten, sowie Geschlechterdiversität und Gewalt gegen Frauen. Das alles in einer ansprechenden Handlung unterzubringen, ist schon keine geringe Leistung.

    Vor allem die Variationen sind interessant. Beim ersten Todesfall, einer jungen Mode-Ikone und Influencerin, ist lange nicht klar, ob es sich überhaupt um Mord handelt. Ganz klassisch handelt es sich aber um einen "locked room"! Der Hauptermittler ist kein belgischer Detektiv, sondern - eine weibliche, frisch pensionierte Polizistin, die... eventuell überlegt, Privatdetektivin zu werden. Es gibt weitere Todesfälle, die verschiedene Ursachen haben könnten. Der Täter muss mit an Bord sein. Und auch das Ende... bietet, verglichen mit dem Original, eine augenzwinkernde Parallele.

    Das Buch verwendet viel Zeit auf Charakterisierung und Einleitung. Erst fast nach der Hälfte der Seiten wird das erste Opfer überhaupt gefunden. Dennoch, um die modernen Themen aufzurollen, ist das von der Autorin geschickt erdacht. Denn im Zug entfalten sich unselige Verflechtungen. Die anwesenden Studenten, unterwegs zu einem Casting, veranstalten ein "Zug-Quiz", und das, zusammen mit der Weihnachtsstimmung und Alkohol, bietet einen Rahmen, in dem sich toxische Beziehungen noch einmal verschärfen können. Das Ganze geschickt gesprenkelt mit dem rasanten Privatleben von Roz, der Ermittlerin wider Willen - ihre Tochter liegt in den Wehen, und die Geburt verläuft dramatisch. Wettläufe gegen die Zeit allerorten!

    Man muss berücksichtigen, dass vieles an diesem Buch sehr britisch ist. Das "Pub-Quiz" hat dort eine sehr lange Tradition, ebenso wie traditionelle Verhaltensweisen zu Weihnachten, das Benehmen unter Fremden im Zug, und etliches mehr. Die Sprache ist im Original sehr, sehr modern; das ins Deutsche zu übertragen, war nicht leicht, ist aber gelungen. Nur ein zentraler Punkt um die Identität des Täters wirkt im direkten Vergleich mit dem Englischen etwas bemüht - es geht aber im Deutschen nicht anders.

    Das Buch wirkt sehr spielerisch - das Zug-Quiz kann vom Leser in Teilen mitverfolgt werden. Auch hat die Autorin zahlreiche Anspielungen auf ihre Lieblingssängerin Kate Bush versteckt, was amüsant zu entdecken war.
    Insgesamt eine herrlich andere Lektüre, die Spaß macht.

    Jennerwein nimmt Abschied von den Alpen - und von seinem alten Konzept


    Man darf davon ausgehen, dass diesen 15. Band der Reihe überwiegend Fans des Kommissars lesen werden. Für genau diese Fangemeinde ist das Buch auch geschrieben, es ist unterhaltsam, flott sprachwitzig, nur eine Spur bemüht um aktuelle Themen. Für ganz neue Leser ist dieser Band jedoch weniger geeignet.

    Man merkt dem Autor schon ein wenig an, dass er vom ursprünglichen Konzept abweicht - wird er gar des Jennerweins müde...? Die Handlung spielt nicht mehr im Bindestrich-Kurort, auch die vielen liebenswerten alpenländischen Marotten der dortigen Bewohner fehlen. Jennerwein ist im Urlaub, also spielt auch sein Team diesmal nur eine Nebenrolle, verständlich. Und doch...!

    Es ist diesmal fast ein "richtiger" Krimi, der in der Welt eines Großkonzerns und der künstlichen Intelligenz spielt. Wie gesagt, wirken diese Bemühungen eben wie genau das - Bemühungen um Aktualität. Doch bei Maurer musste man nie großen Wert auf eine plausible Handlung legen, daher kann ein Fan darüber wohl hinwegsehen.

    Die geplante Ermordung des Kommissars läuft als zweiter Handlungsstrang nebenher. Auch hier schrammt das Buch haarscharf an der Unglaubwürdigkeit vorbei. Es ist einfach zu viel Slapstick, zu viel Konfuses. Relativ gelungen sind noch die Wirrungen um eine präparierte Geburtstagstorte - hier konnte man durchaus Parallelen zu einem Louis-de-Funès-Film sehen. Hübsch auch die unabsichtliche Beteiligung eines Kindes! Doch spätestens bei der Legende vom Teufel im Beichtstuhl fragte man sich, was dies in der Handlung noch sollte.

    Recht nett gelungen war die Tatsache, dass Jennerwein mittlerweile geheiratet hat. Bis ganz zum Schluss wird ein Geheimnis um die Identität der Gattin gemacht, was schon den einen oder anderen Schmunzler hervorrief.

    Gut gelungen ist ebenfalls die Zusammenstellung der Verschwörer. Hier finden sich Figuren aus allen vorigen Bänden. Der Fan der Reihe wird hier seine Freude haben, sich zu erinnern! Allerdings, dem Neuleser entgeht dies natürlich.

    Abschließend betrachtet, kann man sich durchaus fragen, ob nicht langsam der Abschied von Kommissar Jennerwein bevorsteht. Der 15. Band ist zweifellos recht gute Unterhaltung, lässt aber bereits Abnutzungserscheinungen erkennen.

    Grell beleuchtetes Familienpanorama


    Die Ausgangslage und Umsetzung sind bewährt: ein Prolog mit einer rätselhaften Ausgangslage im Jetzt, danach eine Handlung, die zwischen Damals und Heute springt. Wechselnde Perspektiven, von verschiedenen Figuren erzählt. Es geht um einen Unfall, der zwei Familien vor 8 Jahren entzweit hat. Zwei sportbegeisterte junge Männer, ehemals beste Freunde, waren in diesen Unfall verwickelt - und danach ist nichts mehr wie zuvor. 8 Jahre später wollen ausgerechnet zwei Mitglieder dieser Familien heiraten - und auf der Hochzeit kocht unvermeidlich die Vergangenheit wieder hoch.

    Damit ist eigentlich alles gesagt, ohne Wesentliches vorwegzunehmen. Die Autorin hat einen griffigen Spannungsroman geschaffen, der von Anfang an viele Fährten streut, und den Leser fast bis zum Schluss im Ungewissen lässt. Angenehm kurze Kapitel, und rasch wechselnde Schnitte, tragen zum durchgehend hohen Spannungslevel bei. Die angedeutete "Romeo und Julia"-Thematik tut ihr Übriges.

    Ganz ohne Makel ist dieses Buch aber doch nicht. Wechselnde Perspektiven sind, wie gesagt, bewährt - aber jeden einzelnen Erzähler aus der "Ich"-Perspektive berichten zu lassen, erfordert Feingefühl. Nicht jedes "Ich" in diesem Buch ist gleich gut gelungen - kurioserweise sind es gerade die Männer, die mehr überzeugen. Die Frauen werden eher stereotyp und teils überzogen dargestellt.

    Hinzu kommt, dass ein zentrales Element der Handlung ein wenig weit hergeholt scheint - auch für einen Spannungsroman. Der zentrale Konflikt dieses Buches, auf dem die ganze Tragik rund um den Unfall beruht, baut darauf auf. So hätte nur jemand gehandelt, der vorher (!) von dem Ereignis wusste; nicht jemand, der zufällig hineingezogen wird. Oder jemand, der selber bereits Dreck am Stecken hat; kein unbescholtener Bürger. Nun ja. Der eigentlichen Spannung und dem Lesefluss tut dies insgesamt keinen Abbruch.

    Fazit: eine gelungene Spannungslektüre, die jedoch nicht zu den herausragenden Exemplaren ihres Genres zählt.

    Sehr britisch und absolut unterhaltsam


    Dieses Buch als "Wohlfühlroman" einzuordnen, wird ihm nicht ganz gerecht. Es ist zweifellos leicht zu lesen, aber nicht seicht! Es entpuppt sich im Laufe der Lektüre als literarische Wundertüte, weil viele kleine Geschichten in der großen stecken. Noch dazu sind die Figuren eine Spur exzentrisch, die Umstände und Dialoge sehr britisch. Es entsteht ein farbenprächtiges Panorama, das nebenbei noch eine Lanze bricht für Mut und Unerschrockenheit. Und das schwierige Themen anschneidet.

    Die Hauptgeschichte ist leicht zusammengefasst: eine tüchtige, aber daheim ausgenutzte und unterdrückte Putzfrau entdeckt durch die Geschichten ihrer Kunden und einige Wendungen, dass sie mehr wert ist als bisher, und ändert ihr Leben.

    Absolut überzeugend ist der Blick der Autorin für sprechende Details, skurrile Situationen, und witzige Dialoge. Sehr oft darf hier geschmunzelt werden. Mrs. B., die über 90jährige ehemalige Spionin (!) ist die heimliche Heldin dieses Romans, mit sehr britischer Art und "Schnauze". Man sieht förmlich schon Maggie Smith in einer Verfilmung vor sich! Ebenso herzergreifend Decius, der "Patenhund" unserer Putzfrau. Ein Hund, der die Handlung kommentiert und begleitet! Auch der Taugenichts von einem Ehemann der Putzfrau hat seine Momente. Gerade in seiner Überzeichnung wirkt er sehr unterhaltsam; ebenso wie die schrillen Kunden mit ihren Spitznamen: Mrs "YeahYeahYeah" und Mr. "NoNoNotNow"...

    Ganz nebenbei werden noch schwierige Themen eingeflochten, ohne dass das Buch schwermütig würde. Der Vater eines 12jährigen Jungen hat sich umgebracht; und Mrs. B. soll von ihren Kindern in ein Heim abgeschoben werden. Mit Witz, Tücke und viel Mut findet Putzfrau Janice jeweils eine Lösung. Und auch für ihr eigenes Glück findet sich ein Weg...

    Dieses Buch eignet sich wunderbar für eine unterhaltsame Ablenkung vom Alltag, weiß aber auch mit ernsteren Tönen zum Nachdenken anzuregen. Große Leseempfehlung!

    Und wieder ein herrlicher Episodenroman aus Japan

    Die Erfolgsgeschichte der Episodenromane aus Japan reißt nicht ab. Zuerst beglückte uns "Before the Coffee Gets Cold", dann das "Restaurant der verlorenen Rezepte". Auch "Frau Komachi empfiehlt ein Buch" wäre hier zu nennen. Nun also die "Erinnerungsfotografen". Vom Rezept her reiht es sich nahtlos in die Serie seiner Vorgänger ein - ist aber dennoch etwas ganz Besonderes.

    Zuerst einmal besticht die deutsche Ausgabe durch ihre wundervolle und einfühlsame Gestaltung. Farbiger Buchschnitt, der mit Inneneinband und Motivik des Buchdeckels harmoniert. Schwarz geprägte Illustrationen, hochwertiger Einband. Ein echter Hingucker!

    Ein wenig schade, dass das Buch "nur" drei Erzählungen enthält. Allerdings sind diese drei auf eine geheimnisvolle und sehr berührende Weise verbunden! Insofern ist die Erzählung wieder geschlossen. Es geht um Diesseits und Jenseits, und um moralische Entscheidungen. Um Erinnerungen und Mut. Ich hätte am Ende sogar fast ein Tränchen verdrückt...!

    Die Figuren sind sehr liebenswert geschildert. Der Fotograf Hirasaka ist gutmütig, und sehr geschickt im Umgang auch mit schwierigen Menschen. Er nimmt seine Aufgabe sehr ernst - sieht sich als Mittler zwischen den Welten. An seinen "Kunden" mochte ich, wie unterschiedlich der Tonfall jeweils ist. Eine alte Frau, ein Yakuza, und ein kleines Mädchen. Hier ist auch ausdrücklich die Übersetzung zu loben! Besonders beim Yakuza gab es so manchen Schmunzler.

    Man kann sich wirklich nur wünschen, dass auch diese Episoden fortgesetzt werden. Selten trifft man auf so ein herzerwärmendes Buch.

    Viel Regional, weniger Krimi


    Als reine Unterhaltungslektüre hat dieses Buch voll überzeugt! Schon allein der Anfang gleicht einem Schildbürgerstreich. Die Ereignisse rund um den Bierwettbewerb sind heillos komisch, mit vielen liebenswerten Verwicklungen. Zugegeben, die Figuren sind auf einige stereotype Striche reduziert, aber das erwartet man von dieser Art Buch. Ein wenig fühlte man sich auch an "Asterix" erinnert - eine Handlung voller "running gags" und alter Bekannter.

    An dieser Stelle hätte es eigentlich gereicht. Doch das Buch will auch noch Krimi sein, und ganz ehrlich: dieser Anteil ist weniger gelungen. Die Ermittlungsmethoden sind kaum als solche zu bezeichnen, strotzen vor Fehlern und Einfallslosigkeiten. Und überhaupt, die Kriminalhandlung kommt erst sehr spät im Buch in Gang.

    Dennoch habe ich die Lektüre genossen. Man muss halt wissen, was man will. Wirklich nett geschildert ist die Atmosphäre in einem Dorf an der Nordsee. Seit Jahrzehnten machen wir dort Urlaub, und ja, es könnte, wohlgemerkt könnte, sich dort so abspielen. Denn Übertreibung macht ja bekanntlich anschaulich.

    Einigermaßen gelungen war auch die Auseinandersetzung mit der digitalen Thematik, und wie sehr dies die moderne Welt verändert. Allerdings ist zu bezweifeln, ob es tatsächlich Ortschaften gibt, die auf digitalen Landkarten nicht erfasst sind...

    Weiterer kleiner Minuspunkt: das Bierbrauen ist nicht wirklich gut recherchiert; es wird so dargestellt, als könne man "mal eben" in den Keller gehen und neues brauen. Dem ist aber bei weitem nicht so! Gerade beim Bierbrauen sind, im Gegensatz zum Beispiel zum Whisky, zahlreiche hygienische Auflagen zu beachten. Da kann die Titelheldin Tüdelbüdel nicht mal eben mit der Schürze in den Keller!

    Der Unterhaltungsaspekt wiegt trotzdem alle leichten Schrammen wieder auf. Die Figuren sind, im Rahmen ihres karikaturhaften Charakters, liebenswert und voll Wiedererkennungswert. Und bahnt sich da etwa eine Romanze an...? Wir werden sehen. Weiter Bände um Tüdelbüdel würde ich durchaus verfolgen.

    Sanft dahinschaukelnd


    Im Nachwort beschreibt die koreanische Jung-Autorin ihre Motivation zum Schreiben dieses Buches. Sie wolle "einen Raum schaffen, in dem der Tag sanft dahinschaukelt". Auch habe sie keine stringente Handlung im Sinn gehabt, nur Personen und Stimmungen. Alles weitere habe sich "irgendwie entwickelt". Das glaubt man ihr nach der Lektüre sofort. Es scheint ein wenig, als habe sie sich mit diesem Nachwort - das auch irgendwie ein Vorwort ist - einen Freibrief verschafft, um darüber hinweg zu trösten, dass dies kein ganz reiner Roman ist.


    Bücher über Buchhändler und Buchhandlungen haben Hochkonjunktur, und werden gerne gelesen. Doch nicht automatisch kommt dabei ein qualitativ hochwertiger Roman heraus. Sicher lässt sich dieses Buch recht angenehm lesen, doch in anderer Hinsicht enttäuscht es auch.


    Es reihen sich Episoden aneinander, die sehr unterschiedlich gewichtet wurden. Als handelsüblicher Leser von Buchhandlungsromanen möchte man mehr über die Geschichte der Buchhandlung erfahren, und wie sie entstand. Und über den buchhändlerischen Alltag. Doch hier werden immer wieder Pausen eingelegt, die sich wie eine Fata Morgana in der Wüste hinziehen. Immer wieder drehen sich die Gespräche der Personen um die Berufswahl und die Zufriedenheit mit der Arbeit, geraten dabei auch gerne einmal ins Schwurbeln oder Schwärmen. Personen tun skurril anmutende Dinge - wie Spülschwämme stricken, oder nach der Schule im Laden herumlungern. Und immer wieder kommt auch die seltsame Schwermut der Buchhändlerin ins Spiel, die erst ganz zum Schluss - und dann auch noch sehr kurz - erklärt wird.


    Eine weitere Hürde ist - zumindest für den westlichen Leser - vermutlich die koreanische Kultur. In kaum nachzuvollziehender Weise geht es hier darum, wie Leute sich Blicke zuwerfen, Gespräche anfangen oder Themen anschneiden. Besondere Probleme bietet dabei das Verhältnis Mann/ Frau oder Kind/ Erwachsener. Immer wieder möchte man den Figuren zurufen, meine Güte, bringt es doch endlich hinter euch! Sprecht doch einfach aus, was ihr denkt. Doch nein. Dies gelingt nur auf Umwegen.


    Die Übersetzung mutet dabei bisweilen seltsam "flott" an, gleitet fast in Jugendsprache ab. Man müsste wohl Koreanisch können, um zu beurteilen, wie zutreffend das im Verhältnis zum Original ist.


    Insgesamt kann man das Buch wohl lesen - muss es aber aus meiner Sicht nicht

    Eine Frage der Zielgruppe

    Romane über Frauen, die vor ihrer Vergangenheit flüchten, und in einem abgelegenen Ort ein kleines Geschäft eröffnen, erfreuen sich großer Beliebtheit. Wenn zudem noch die Zutat "Liebesgeschichte" hinzukommt, dürfte das sommerliche Lesevergnügen perfekt sein.

    Diesen Klischees entspricht das vorliegende Buch von Tilly Tennant nur begrenzt. Es wirkt, als habe sich die Autorin nicht richtig entscheiden können, und mehrere Ansätze miteinander verquickt. Die entstandene Mischung wirkt auf den ungeübten Leser leichter Sommerromane höchstens halbgar. Doch wahrscheinlich ist auch das eine Frage der Zielgruppe.

    Die Titelheldin, Millie, hat blindlings in einem kleinen Dorf eine verfallene alte Bäckerei gekauft. Ohne Gutachten, ohne Besichtigung. Schon allein dies wirkt unglaubwürdig. Dazu wird noch ein unglaubliches Gewese um ein vorgebliches böses Geheimnis in ihrer Vergangenheit gemacht, was sich dann aber mehr oder weniger als klassische, schief gegangene Liebesgeschichte entpuppt. Auch das rechtfertigt in keiner Weise die überstürzte Flucht. Als Sahnehäubchen gibt es auch noch eine "böse Rächerin" aus ihrer alten Nachbarschaft, die einfach nur lächerlich wirkt.

    Vielversprechend klang zunächst eine Nebenhandlung um angebliche Kräuterfähigkeiten der Titelheldin - doch dieser Faden wird irgendwann einfach fallen gelassen. Sehr ärgerlich!

    Es geht insgesamt viel zu wenig um die im Titel versprochene Bäckerei. Ein Großteil der Handlung dreht sich in Dialogform um das Verhältnis der Hauptfiguren zueinander. Diese Dialoge wirkten anfangs charmant, doch da hier absolut keine Entwicklung stattfand, und sich die Dialoge auf Teenager-Niveau bewegen, geriet auch dies zur nervlichen Belastungsprobe für den Leser.

    Wirklich nett war der Anfang, etwa ein Drittel des Buches. Auch eine bestimmte Nebenfigur, eine nervtötende neue Nachbarin, hatte ihre lustigen Szenen. Doch das reichte nicht, um das Interesse des Lesers zu halten. Vermutlich wird die Autorin ihre Fans haben, da sie schon zahlreiche Romane dieser Art veröffentlicht haben soll. Das Buch entspricht jedoch leider nicht seinem Klappentext, und den Erwartungen eines unbedarften Lesers.

    Episodenroman zum Wohlfühlen


    So mancher (westliche) Leser mag von diesem Buch enttäuscht sein. Denn es entspricht nicht den hier üblichen Erwartungen an einen "Roman". Es ist eher ein Episodenroman, eine Aneinanderreihung von 6 fast identisch ablaufenden Geschichten. Es gibt keine Entwicklung im eigentlichen Sinne, und am Ende ist auch nichts abgeschlossen.

    In Japan scheint diese Form gerade ungeheuer "en vogue" zu sein; denn nicht zuletzt erinnert dieses Werk an das ebenfalls erfolgreiche "Before the Coffee Gets Cold" von Toshikazu Kawaguchi. Auch dort reihen sich Geschichten um Besucher eines Lokals aneinander. Eine zusätzliche Hürde für westliche Leser dürften die japanischen Mahlzeiten und Zutaten sein, von denen man hier zum Großteil noch nie gehört hat. Hier wäre ein kleines Glossar sehr hilfreich gewesen.

    Dennoch hat das Buch einen ganz eigenen Charme, denn es zeigt sehr eindrücklich, wie sehr Essen mit Erinnerungen und Emotionen verknüpft ist. Und das ist auch kulturübergreifend gültig.

    Da ist zum Beispiel die Ehefrau, die ihrem Ex-Mann im wahrsten Sinne nachtrauert. Es geht ihr nur deswegen um die von ihm einst gekochten Schnitzel. Oder der geheimnisvolle, namenlose, vermutlich im Verbrechermilieu beheimatete Kunde, der unerwartet weiche Seiten zeigt, und sich an seine Kindheit erinnern will. Oder der junge, erfolgreiche Unternehmer, der sein Lieblingsgericht für ein Interview beschreiben soll.

    Das Buch wirkt bei genauerem "Hinlesen" doch sehr warmherzig. Man sollte es vermutlich nicht in einem Rutsch lesen, denn, wie gesagt, Variation und Abwechslung sucht man hier vergebens. Alle 6 Geschichten spielen sich nach dem gleichen Ablauf ab, teils sogar mit ähnlichen Formulierungen. Vielleicht entspricht das sogar der starken Ritualisierung des japanischen Lebens.

    Wer sich gut unterhalten lassen will, und nach eindrücklichen Momentaufnahmen über Essen und Emotionen sucht, der ist hier richtig.

    Mit Esel zum Glück - und zur Selbsterkenntnis


    Normalerweise bin ich kein Leser von reinen Frauenbüchern, leichten Sommergeschichten und Ähnlichem. Doch diese Autorin (ein Pseudonym von Marlies Ferber) schafft es mal wieder, mir auch dieses Genre schmackhaft zu machen. Sie verbindet Leichtigkeit mit Nachdenklichem, dazu noch gute Prisen Humor sowie wundervolle Landschaftsbeschreibungen - voilà!


    Ein Buch, bei dem der Effekt mehr ist als die Summe seiner Teile. Es wirkt bei der Lektüre wie aus einem Guss, sehr realitätsnah, und dennoch unterhaltsam.


    Ein wenig erinnert es schon an das Buch eines berühmten Komikers auf dem Jakobsweg - hier eben nur mit Esel! Eine Großmutter wandert mit ihrer Enkelin und einem Esel durch die Cevennen (nicht die Provence, wie uns der Klappentext glauben machen will). Sozusagen "verfolgt" werden sie dabei von Natalie, der Mutter, die dem Braten nicht traut. Beide Frauen haben mit einem schweren Verlust zu kämpfen, den sie nun über das Kind austragen. Dennoch gibt es auch Leichtigkeit in der Geschichte, viele lustige Momente - und am Ende eine Versöhnung beider Frauen mit sich selbst.


    Mehr muss man zum Inhalt gar nicht wissen. Besonders gelungen sind die Passagen über die Esel, ihre Charaktere, und was eine Eselwanderung mit einem Menschen macht. Dazu noch schöne "Nebenschauplätze", wie nette Eselverleiher oder Barbesitzer, Naturbeschreibungen, die einen zum Träumen bringen... und fertig ist die Lektüre zum Versinken. Von mir eine uneingeschränkte Empfehlung.

    Die Kugel, die durch die Welt rollt - und durch unsere Gedanken


    Ein so ganz anderes Buch! Beinahe unmöglich, es in eine bestimmte Schublade zu stecken. Gerade das machte den ungeheuren Reiz dieser Lektüre aus. Dabei hat das Buch, vor allem im letzten Drittel, durchaus seine Eigenheiten.

    Zunächst einmal ist die ungeheuer liebevolle und künstlerische Gestaltung hervorzuheben. Schon allein als Gegenstand ist das Buch wundervoll. Blautöne dominieren; es gibt Karten, und zu jedem Kapitelbeginn stimmungsvolle Fotos. Das Lesebändchen ist dabei das Sahnehäubchen!


    Den Inhalt nachzuerzählen, würde dem Buch Gewalt antun. Denn damit ist sein Potenzial bei weitem nicht erschöpft. Das "Rezept" des Autors ist dabei einzigartig. Er nahm eine moralisch-philosophisch-religiöse Grundidee, und band diese an einen Gegenstand - eine blaue Kugel. Er verquirlte das Ganze munter mit Elementen eines Krimis - die Kugel wird immer wieder im Laufe der Handlung von diversen Menschen anhand von Spuren gesucht. Dann gibt es noch das allseits beliebte Familiendrama - Graham Yeomans ist der Hüter der Kugel, und will seine Nichte und seinen Neffen, Lynn und Paul, vor ihr beschützen. Dann wiederum gibt es märchen- und legendenhafte Elemente. Es werden Geheimdienstdokumente gefunden, die im Stil von indischen Legenden abgefasst sind. Gegen Ende des Romans häufen sich diese Wendungen - ein wenig Schiller, ein wenig "der Fischer und seine Frau". Sehr gelungen ist das auch teils offene Ende, das dem Leser Raum für Spekulationen lässt.


    Dieses Buch eignet sich jedoch durchaus nicht für eine "verschlingende" Lektüre. Zum einen ist da die Sprache, die teils durchaus üppig und blumenreich ist. Zum anderen erschweren die Vor- und Rückblenden den eilfertigen Konsum. Die moralisch-philosophischen Überlegungen tun ihr Übriges.


    Durchgehend wird man auch unwillkürlich an den "Herrn der Ringe" erinnert, in dem es ja auch um den einen Gegenstand ging, der seine Besitzer beeinflusst, und Unheil bringt... ob dieser Vergleich dem Buch letztlich jedoch gut tut, sei dahingestellt. Hübener geht m. E. durchaus weniger schubladenhaft vor als Tolkien. Mit dem er aber stilistisch durchaus einiges gemeinsam hat.


    Das Buch selbst wirkt wie diese blaue Kugel - faszinierend und so ganz andersartig. Man mag zu dem nicht leicht zu klassifizierenden Inhalt stehen, wie man will - von dieser Art Buch sollte es mehr geben.

    Lebendige Lebens- und Lesereise

    Das Buch ist der dritte Band einer Familiensaga, was aber nicht weiter auffällt. In den beiden Vorgängerbänden ging es um die Mutter Dora und deren Geschichte, in diesem dritten Band nun um deren Tochter Clara. Dora taucht nur noch am Rande auf.

    In Wahrheit aber ist das Buch vielmehr ein Panorama der 60er Jahre; der wahre Held ist die Bundesrepublik dieser Zeit, die Entwicklungen, die sich abspielten. Clara und ihre Freundinnen Sanni und Maria dienen vielmehr als Beispiele, an denen verdeutlicht wird, was Frauen in dieser Zeit an Entwicklungen durchgemacht haben.

    Hier würde auch mein Kritikpunkt liegen. In ihrem Eifer, die 60er Jahre in Deutschland zu schildern, hat die Autorin bisweilen die Logik der Handlung und die Psychologie der Figuren vernachlässigt. Manches ist arg dem Zufall geschuldet - eine damals 18jährige geht nach Hamburg, ohne Wissen der Eltern - und wird nicht einmal von der Polizei gesucht? Sie findet eine Anstellung ohne abgeschlossene Ausbildung? Nun ja. Andererseits ist das Buch wirklich flüssig geschrieben, mit lebendigen Situationen und Dialogen. Insofern gleicht sich das Leseerlebnis wieder aus.

    Die Hauptfigur Clara hätte ich manchmal schütteln mögen - gerade im ersten Drittel des Buches war sie recht naiv. Zum Glück macht sie eine Entwicklung durch. Die Nebenfiguren Sanni und Maria wirkten sympathischer, runder, erwachsener. Von ihnen hätte ich gerne mehr gelesen. Generell gilt, dass das Buch, gerade im letzten Drittel, an Tiefe gewinnt. Leider wirkt es am Schluss eine Spur "gerafft", zeitliche Abläufe werden verkürzt, so dass es ein wenig abrupt zu Ende ist.

    Insgesamt habe ich das Buch gerne gelesen. Es liegt zeitlich genau eine Generation vor meiner - das war interessant. Die Einführung der Pille, die Beatles, damals aktuelle Schlager, die Studentenunruhen von Schwabing, John F. Kennedy, Wirtschaftswunder, und Nazi-Prozesse... es war belebend, davon mal nicht in einem Geschichtsbuch zu lesen.

    Ich würde es als gute, solide Unterhaltung bezeichnen, der man aber nicht zu kritisch begegnen darf.

    Kein richtiges Eis - eher Halbgefrorenes


    Bei diesem Buch kommt es wohl, wie so oft, darauf an, was man erwartet. Man kann es als unterhaltsame Lektüre betrachten, sich von der nun wirklich nicht gerade ereignisarmen Geschichte der Familie Pankofer mitziehen lassen. Wenn man allerdings mit dem kritischen Auge des erfahrenen Lesers historischer Romane an die Lektüre geht, wird man schon hier und da Bauchschmerzen bekommen.

    Die historischen Fakten um "Jopa-Eis" sind denkbar dünn, also war klar, dass es hier eher um eine Familiensaga gehen würde. Diese ist im weitesten Sinne "handelsüblich" geschildert. Viele Verwirrungen, immer wieder Familienstreits, plötzliche Schicksalsschläge, Wendungen in letzter Minute. Mei, a bisserl weniger hätt`s hier auch getan. Es kommt einem beim Lesen der Verdacht, die Autorin habe auf Biegen und Brechen so viele Wendungen wie möglich unterbringen wollen.

    Wirklich nett sind die Nebenfiguren gelungen - Fanny, die Küchenhilfe, sowie Ludwig, der Stammgast. Beide reden durchweg Bayrisch, was unterhaltsam und größtenteils gelungen war. Dafür geraten die Dialoge zwischen den Hauptfiguren leider oft hölzern, manche Wendungen sind geradezu vorhersehbar. Wie oft man hier "Ja, das stimmt" oder ähnliches zu lesen bekam, kann ich schon nicht mehr zählen. Auch sehr gestört hat mich die inflationäre Verwendung von "sogleich" und "alsbald". Und das Eis wurde immer wieder als die "süße Köstlichkeit" bezeichnet; keinerlei Variation im sprachlichen Ausdruck. Hier war meines Erachtens das Lektorat nicht gründlich.

    Immer wieder schleichen sich auch inhaltliche Fehler ein - Figuren haben plötzlich andere Namen oder verschiedene Hintergründe, so als habe man beim abschließenden Lektorat verschiedene Fassungen des Textes munter miteinander vermischt.

    Ebenfalls nicht ganz gelungen waren die zeitgeschichtlichen Hintergründe; es wurde schon sehr penetrant und durchaus nicht immer passend auf der Weltwirtschaftskrise und dem Wiedererstarken der Nationalsozialisten herumgeritten.

    Was gelungen war, ist eine gewisse "Flüssigkeit" des Plots - wie gesagt, mit unkritischem Auge durchaus lesbar. Auch recht nett waren die Hintergrundinformationen rund um die Eisherstellung. Erstaunlich, wie umständlich der Prozess damals war!

    Letzten Endes würde ich dem Buch eine mittlere Bewertung zugestehen.

    Wie ein grelles Polaroid



    "Roman" hätte ich dieses kleine Buch nicht unbedingt genannt - Kurzroman vielleicht, oder auch Novelle. Denn die Erzählung ist sehr kurz, gerade mal 124 Seiten, und bietet auch eher ein Schlaglicht auf eine Handlung, als einen ausgewachsenen Plot.

    Das wäre auch mein Hauptkritikpunkt. Man fängt mitten in der Geschichte an, bekommt wenig Hintergründe zum Leben der Heldin. Die Zeitabläufe sind größtenteils unklar; mittendrin stellt man z. B. fest, dass Monate oder Wochen vergangen sind, ohne dass das kenntlich gemacht wurde. Auch das Ende scheint wenig organisch aus dem Vorhergegangenen hervorzugehen. Es ist dann einfach zu Ende, mit vielen offenen Fragen und einem sehr seltsamen Moment zum Schluss. Fast ein wenig surreal.

    Weitere Kritik: im Klappentext wird der Skandal um einen J-Pop-Star als Aufhänger benutzt. Im Buch steht der Skandal aber bei weitem nicht im Mittelpunkt. Er wird weder weiter verfolgt, noch letztlich aufgeklärt.

    Dennoch ist das Büchlein gut und gerne seine vier Sterne wert. Es ist ein grelles Polaroid, kein Gemälde - aber das Geschilderte ist hochaktuell, und mit sparsamen Mitteln auch realitätsnah geschildert. Die Ich-Perspektive wurde konsequent eingehalten, die Eindrücke in das Leben eines extremen Fans sind unmittelbar und lebhaft.

    Sehr seltsam mutet an, dass die Heldin ganz offenbar gleich mehrere psychische "Baustellen" hat, und sich im Grunde keiner näher darum kümmert. Das ist von der Autorin schon gut gemacht - es fallen keinerlei Fachbegriffe, aber man weiß sofort, worum es geht: Depression, Magersucht, wahrscheinlich auch Lernbehinderung und/oder Dyslexie, sowie Messie-Sucht. Vermutlich sieht man das in Japan anders, denn dort ist der "Hikikomori" ja sozusagen schon ein eigener Typus junger Mensch.

    Schockiert haben mich die Gegebenheiten in der J-Pop-Industrie - da werden Menschen nach Strich und Faden manipuliert, und das Geld wird ihnen aus der Tasche gezogen!

    Das Buch hat eine ganz eigene Faszination entwickelt, die eine Welt schildert, welche wohl die wenigsten Leser kennen werden. Lösungen oder Hintergründe sucht man hier vergeblich - dennoch, eine gute Leseempfehlung gibt es allemal.

    Die Reihe wird immer sympathischer


    Beim ersten Band dachte ich "nett!". Beim zweiten Band dann schon "oha!". Nun bin ich endgültig von dieser Reihe und dieser Autorin überzeugt. Wie schade, dass sie noch nicht bekannter ist. Denn sie kann es durchaus mit einer Camilla Läckberg aufnehmen.

    Es ist alles stimmig an diesem Konzept. Man erfährt viel über Land und Leute an der Nordsee. Da macht es auch nichts, dass die Halligen Nekpen und Midsand sowie die Stadt Jüstering fiktiv sind - die Atmosphäre und Details sind der Realität sehr nahe, was ich als langjährige Nordsee-Urlauberin beurteilen kann.

    Absolut herzig ist das Gespann aus friesischer Kommissarin und schwäbischer Assistentin! Schon im letzten Band habe ich herzlich über den Kontrast gelacht. Mittlerweile nimmt sich die Autorin hier ja schon selber auf die Schippe... diverse Figuren kommentieren das Schwäbische als "Sie sprechen so komisch"...

    Die Handlung bietet alles, was das Krimiherz begehrt. Eine sich stetig schleichend steigernde Spannung, mit Rückblicken in die Vergangenheit durch ein Tagebuch. Verdächtige zuhauf - aber am Ende doch die große Überraschung. Intrigen, Verwandtschaftsverhältnisse, enttäuschte Lieben. Einfach wunderbar!

    Und, wie es sich gehört, macht auch das Privatleben von Minke van Hoorn einen guten Fortschritt. Und der Wal macht in diesem Buch natürlich die besondere Würze aus! Was mag da in weiteren Bänden wohl noch kommen?

    Ein wenig schade war nur, dass in diesem Band keinerlei Rückblicke auf vorige Fälle stattfanden - das war in Band 2 besser gelöst. Da Verwandte der damaligen Täter weiterhin auftauchen, wäre damit eigentlich zu rechnen gewesen. Aber das ist Jammern auf sehr hohem Niveau. Ich bin mit diesem Buch mehr als nur gut unterhalten gewesen, und kann die Reihe jedem Krimifan wärmstens empfehlen.