Beiträge von Mikka Liest

    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:
    Dieses Buch ist die Fortsetzung von "Angels Fall" und der Abschluss der Dilogie. Damals hatte ich in meiner Rezension geschrieben:


    "Ich hadere ein bisschen damit, das Buch wirklich dem Genre Thriller zuzuordnen - für mich ist es eher ein Jugendroman, dessen Spannung sich vor allem aus den Charakteren ergibt, die alle aus unterschiedlichen Gründen mit ihren eigenen Ängsten, ihrer Wut, ihrem Hass und ihrer Verletzlichkeit zu kämpfen haben."
    Als "Strikers Fall" vor ein paar Monaten als schöne Überraschung ins Haus trudelte, stellte ich fest, dass Susanne Leuders mir Folgendes ins Buch geschrieben hatte:


    "Dieses Mal steht nicht Thriller drauf, dafür ist mehr drin..."


    Tatsächlich kann ich dem nur zustimmen: alleine schon dadurch, dass Amy inzwischen bei der Mordkommission arbeitet, rückt der Fokus mehr auf die Ermittlungen. Denn natürlich ist der Albtraum aus dem ersten Band noch nicht wirklich ausgestanden und Amy muss schon bald damit kämpfen, dass die Mordfälle, an denen sie arbeitet, mehr mit ihrer Vergangenheit zu tun haben, als ihr lieb ist... Wie kann das jedoch sein? Der Täter von damals sitzt doch im Gefängnis – läuft das tödliche Spiel etwa dennoch weiter?


    Amy stellt entsetzt fest, dass die Opfer eine frappierende Ähnlichkeit mit Striker aufweisen, was jedoch nur sie zu bemerken scheint... Die Spannung schraubte sich für mich schnell hoch und blieb dann den Rest des Buches auf einem hohen Level, und dabei erschienen manches aus dem ersten Band in einem völlig neuen Licht. Besonders das Ende war für mich eine große Überraschung – und trotzdem schlüssig und glaubhaft.


    Dass die Thrillerelemente in diesem Band mehr im Mittelpunkt stehen als im ersten Band, heißt jedoch nicht, dass das, was für mich die große Stärke des ersten Bandes ausmachte, zu kurz käme: die wunderbar dichte Charakterisierung der Protagonisten.


    Amy und Striker sind älter geworden, und natürlich haben sie sich verändert; die Autorin hat ihre Hauptcharaktere glaubhaft altern und reifen lassen.


    Besonders Amy ist nicht mehr das selbstzerstörerische, wütende Mädchen aus dem ersten Band, den Namen "Angel" kann sie inzwischen nicht mehr ausstehen – und dennoch ist sie immer noch sie selbst: eine komplexe junge Frau mit Stärken, Schwächen und einer schwierigen Vergangenheit, die sie geprägt hat. Auch Striker hat sich verändert und ist doch vom Wesen her immer noch her selbst. Ich habe eine Schwäche für Charaktere, die schwierig und dennoch liebenswert sind, und dazu gehören Amy und Striker auf jeden Fall!


    Die Chemie zwischen den beiden ist sofort wieder da, als sie sich nach über fünf Jahren wiedersehen, aber auch das Zaudern und die Unsicherheiten, denn beide haben sich ja eigentlich ein Leben ohne den anderen aufgebaut. Besonders Striker fühlt sich zerrissen: jahrelang hat er darauf gehofft, dass Amy sich irgendwann wieder meldet, und nun taucht sie gerade dann wieder auf, als er endlich eine neue Beziehung eingegangen ist.


    Ich konnte die Emotionen beim Lesen richtig spüren! Der Schreibstil liest sich flüssig, baut wunderbar Spannung und Atmosphäre auf und sorgt für Kopfkino. Er passt in meinen Augen perfekt zu dieser originellen Mischung aus Liebesgeschichte und Jugendthriller.


    Fazit:
    Eine gelungene Fortsetzung, die die Geschichte von Striker und Amy zu einem schlüssigen Ende führt! Im Vergleich zum ersten Band liegt der Fokus hier mehr auf dem Thrill, dabei kommt die emotionale Seite der Geschichte aber dennoch nicht zu kurz. Besonders interessant fand ich, wie sich die Charaktere entwickelt haben – das Buch spielt über fünf Jahre nach dem ersten Band, daher sind aus Jugendlichen Erwachsene geworden, die natürlich nicht mehr exakt genauso handeln und fühlen wie früher. Trotzdem erkennt man sie alle wieder, und ich fand ihre jeweilige Entwicklung passend und gut geschrieben.

    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:
    Dieses Buch habe ich im Jahr 2004 gelesen, weil David Bowie es damals begeistert seinen Fans empfahl. Ich weiß nicht, ob es da noch keine deutsche Übersetzung gab, jedenfalls las ich es auf Englisch und war erstaunt und begeistert.


    Erstaunt, weil ich noch nie ein Buch wie dieses gelesen hatte:


    Sarah Waters erzählt eine gut konstruierte Gaunergeschichte mit perfiden Wendungen, ein psychologisches Drama, ein Porträt des harten, schmutzigen Alltags in den Armenvierteln der Zeit – und zugleich die Geschichte von zarten Gefühlen zwischen zwei Frauen in einer Ära, als lesbische Liebe als Perversion oder als Wahnsinn gesehen wurde. Eine ungewöhnliche Kombination, die funktioniert, weil die Autorin nichts beschönigt, dem Leser jedoch mit viel Gespür für zwischenmenschliche Nuancen die Charaktere so vorstellt, dass man sie zwar nicht immer lieben, aber zumindest verstehen kann.


    Spannend fand ich schon wenigen Seiten, dass die Geschichte aus einem ganz anderen Blickwinkel erzählt wird, als man es als Leserin gewohnt ist: in einem Roman von Charles Dickens wäre Susan wahrscheinlich eher die Antagonistin gewesen als die Protagonistin.


    Interessanterweise sieht Susan am Anfang des Buches als kleines Mädchen eine Theateraufführung von "Oliver Twist" und hat eine Epiphanie:


    "Und ich weiß noch, dass mir das erste Mal aufging, wie es zuging auf der Welt: dass es böse Menschen wie Bill Sykes gab und gute wie Mr. Ibbs und solche wie Nancy, die sich in diese oder jene Richtung wenden konnten."
    Auch sie selber wird sich im Laufe des Buches in verschiedene Richtungen wenden.


    Susan ist aufgewachsen unter Dieben und Hehlern. Das Einzige, was sie von ihrer leiblichen Mutter weiß, ist, dass diese als Mörderin gehenkt wurde – in den Kreisen, in denen sich Susan bewegt, keineswegs eine Schande, sondern fast eine Auszeichnung. Sie hat kaum Gefühl für Recht und Unrecht; anfangs lässt sie sich ohne große Skrupel darauf ein, mitzuwirken an einem Komplott, das eine unschuldige junge Frau um ihr Vermögen betrügen und ins Irrenhaus bringen soll, ersonnen von einem Schurken adliger Abstammung, den die Gauner nur "Gentleman" nennen.


    Dennoch war ich bereit, Susan weiter zuzuhören, denn sie erschien mir nicht vollends verloren.


    Dann trifft sie auf Maud: die stille, sanftmütige, naive Maud, bei der Susan sich als Zofe einschleichen soll, um ihr Vertrauen zu gewinnen. Und das erscheint so einfach... Nur dass Susan erstens schon schnell das Gewissen plagt, und sie zweitens Gefühle für Maud entwickelt, die sie nicht recht einordnen kann, weil es nicht die Gefühle sind, die in ihrer Sicht der Welt eine Frau für eine andere entwickeln darf. Dabei soll sie Maud doch dazu bringen, Gentleman zu heiraten...


    An dieser Stelle hätte das Buch so stereotyp wie verfrüht enden können, Sarah Waters hingegen macht es sich keineswegs so einfach. Stattdessen wirft man als Leserin einen Blick auf die Seitenzahl und stellt fest, dass man noch nicht mal die Hälfte der Geschichte erreicht hat.


    Und ab dieser Stelle werde ich nichts weiter über die Handlung verraten – es juckt mir in den Fingern, mehr zu schreiben, aber dies ist ein Buch, bei dem man beim ersten Lesen auf gar keinen Fall vorher zu viel wissen darf. Man muss ungebremst hineinstürzen in das Kaninchenloch.


    Lasst. Euch. Nicht. Spoilern.
    Seid vorsichtig mit Rezensionen, ich habe ein paar gesehen, die definitiv zu viel verraten.
    Daher nur noch kurz:


    Die Charaktere sind brillant geschrieben, gerade weil die Autorin nicht davor zurückschreckt, ihre Schwächen und charakterlichen Abgründe auszuloten.


    Susans Gefühle für Maud sind mehr als ein Gimmick, mehr als nur ein Lippenbekenntnis zur Diversität.Und sie sind auch nicht das Wundermittel, dass Susan über Nacht zu einem guten Menschen macht. Sie ist eine zwiespältige Frau mit zwiespältigen Gefühlen.


    Um über den Schreibstil zu schreiben, muss ich die Übersetzung erwähnen. Diese ist keineswegs schlecht, aber es geht zwangsläufig etwas verloren von der einzigartigen Sprachmelodie des Originals. Auch die Gaunersprache der Zeit lässt sich nur schwer eins zu eins ins Deutsche übertragen – im Original hat der Schreibstil einfach mehr Atmosphäre.


    Großartig fand ich, wie Teile des Buches, die von verschiedenen Charakteren erzählt werden, auch vom Schreibstil her deutlich variieren.


    Fazit:
    Im 19. Jahrhundert lässt sich die junge Diebin Susan auf ein mieses Geschäft ein: sie soll dem Schurken "Gentleman" helfen, eine reiche Erbin zu bezirzen und sie nach der Heirat im Irrenhaus zu entsorgen. Als sie die naive, unschuldige Maud kennenlernt, plagt sie schon bald das Gewissen... Und verwirrende Gefühle, die es ihr noch schwerer machen, ihre Rolle zu spielen.


    Ich lese nur selten ein Buch mehrmals.


    "Fingersmith" habe ich 2004 im englischen Original gelesen und war beeindruckt. Nun habe ich das Buch noch mal in der deutschen Übersetzung gelesen – "Solange du lügst" – und war wieder beeindruckt, auch wenn in der Übersetzung ein wenig des Flairs und der Atmosphäre verloren geht. Man sollte sich vom Klappentext nicht täuschen lassen: die Handlung ist wesentlich komplexer, als es erst den Anschein hat! Es ist weder ein typischer historischer Roman, noch eine typische Liebesgeschichte, noch ein typischer Krimi... Obwohl es alles das ist.


    Ein Hinweis: das Buch hat ein paar dezent explizite Szenen (gehört aber meines Erachtens nicht ins Genre Erotik) und ist sicher nichts für Leser, die Homosexualität ablehnen.

    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:
    #anzeige: Ein Rezensionsexemplar des Buches wurde mir von Blanvalet für die Teilnahme an der Blog-Kampagne "Hello Sunshine – Bücher für klopfende Herzen" zur Verfügung gestellt. Auf den Inhalt meiner Rezension nimmt der Verlag jedoch keinen Einfluss, diese spiegelt meine ehrliche Meinung wider.


    Rasch das Brötchen ins rechte Licht gerückt. Sitzt das Sahnehäubchen auf dem Kakao noch? Hmmm. Nein, der Schinken sieht auf dem Foto irgendwie eklig aus, lieber das Marmeladenglas von Oma? Ja, prima, jetzt noch die Ringelstrümpfe ins Bild strecken... *klick* Perfekt, nur noch schnell bei Instagram hochladen.


    ...ach Mist, jetzt ist der Kakao kalt.


    #entspanntessonntagsfrühstück
    #breakfastmitlieblingsmensch
    #maldieseelebaumelnlassen


    Es wird viel geredet über den gläsernen Menschen – und währenddessen teilen wir nicht nur munter unseren Alltag mit der Welt, bis ins schnödeste Detail, sondern erschaffen uns eine Art hochglanztaugliches Scheinleben. Auf Youtube und anderen sozialen Medien wetteifern 'Influencer' um Klicks und Likes, und dabei soll bitte alles schön authentisch wirken.


    Wer fragt sich da, ob die Köchin, die immer so freundlich in die Kamera lächelt, wirklich kochen kann? Niemand.


    Und genau da setzt das Buch an: Youtube-Sensation Sunshine hat sich ganz nach oben gekocht. Die Menschen lieben sie, ihre Kochbücher verkaufen sich wie geschnitten Brot, die eigene Kochshow im Fernsehen ist schon in der Planung... Und dann kommt es raus: alles fake. Die Rezepte sind nicht von ihr, ihre ganze Lebensgeschichte ist erstunken und erlogen – und sie kann nicht mal kochen.


    #aintnosunshine #warwohlnixmitsonnenschein


    Da ist es eine echte Leistung der Autorin, dass mir Sunshine dennoch sympathisch war. Ja, sie hat Fehler gemacht. Einige Fehler. Dumme Fehler. Aber sie ist kein schlechter Mensch, sondern einfach hineingerutscht in die ganze Geschichte. Eine kleine Lüge hier, eine kleine Lüge da, tut doch niemandem weh...


    #lügenhabenkurzebeine


    Zitat: "Doch irgendwann dreht die Lüge sich bei Weitem nicht mehr nur darum, was du kochst oder wie du es kochst; sie umfasst dein ganzes Leben. Wo du herkommst. Wer du bist. Wohin du gehst. Aber wie kann man zu diesem Zeitpunkt den Zug noch anhalten? Selbst wenn man es wollte? Und ich habe nie behauptet, dass ich es wollte.


    Manchmal hätte ich sie gerne geschüttelt und gesagt: Wach auf, Sunny – jetzt ist Ehrlichkeit angesagt, wenn du dein Leben wieder in die Spur bringen willst! Aber gleichzeitig hätte ich ihr am liebsten die Hand gehalten auf ihrem steinigen Weg der Selbstfindung.


    Laura Dave lässt ihre Heldin gnadenlos scheitern, ganz tief abstürzen. Dabei verzichtet sie auf bekömmliche Lösungen und zuckersüße Klischees, sondern serviert das Ganze mit einer guten Prise Humor. Die Sozialkritik kann man noch rausschmecken, aber ohne moralinsauren Beigeschmack.


    Und das fand ich großartig. Ich habe mitgefiebert von der ersten bis zur letzten Seite. Immer, wenn ich dachte, ich wüsste, wie dieses oder jenes sich entwickeln würde...


    #fehlanzeige


    Sunshine ist so komplex wie lebensecht, und auch die anderen Charaktere fand ich wunderbar geschrieben. Ihre Schwester Rain war mir anfangs so unsympathisch, dass ich das ein oder andere Mal empört nach Luft geschnappt habe, aber natürlich steckt dahinter mehr: eine lange Geschichte der gegenseitigen Enttäuschung und Verletzung. Rains außergewöhnliche Tochter Sammy hingegen habe ich von Anfang an geliebt! Sie ist ein außergewöhnliches, hochbegabtes Mädchen, das sich nicht die Bohne darum schert, was andere von ihr erwarten – damit ist sie das krasse Gegenteil von Sunshine und wird gerade deswegen sehr wichtig für ihre Tante.


    Zitat: "Rain nickte und trat hinaus. Dann drehte sie sich noch einmal um. Doch als ich ihrem Blick begegnete, traf es mich völlig unvorbereitet... der Ausdruck in ihren Augen. Es war eine Mischung aus Sorge und Wut. Aber dahinter lag noch etwas anderes. (...) Als würde sie mich überhaupt nicht kennen. Und womöglich wollte sie das auch nicht mehr."


    Dazu kommen Nebencharaktere, die direkt aus dem Leben gegriffen scheinen, wie zum Beispiel der grummelige Chefkoch Z, dem die ganze Aufmerksamkeit zum Hals raushängt. Ihm geht es ums Kochen und nur ums Kochen, und für Fernsehköche hat er höchstens abgrundtiefe Verachtung übrig.


    #bittegehmirausdenaugen #fernsehenistfüridioten


    Die Geschichte hat wesentlich mehr Tiefgang, als ich von Cover und Klappentext her erwartet hätte! Die Autorin lässt Sunshine selber ihre Geschichte erzählen, und das in einem locker-leichten Schreibstil, der diesem Tiefgang dennoch keinen Abbruch tut.


    Fazit:
    Starköchin Sunshine stürzt ab. Gestern noch eine Youtube-Sensation mit über zwei Millionen begeisterter Fans, heute eine entlarvte Lügnerin – schlimmer, eine Hochstaplerin. Sie verliert alles. Als sie loszieht, sich ihr Leben zurückzuholen, muss sie sich immer mehr fragen, ob an diesem Leben überhaupt irgendetwas echt war.


    Laura Dave erzählt in "Hello Sunshine" eine Geschichte, die unterhaltsam ist und dennoch zum Nachdenken anregt – über den schönen Schein, mit dem viele Menschen ihr Leben in den sozialen Medien präsentieren, und das, was wirklich wichtig ist. Kitsch steht dabei, jedenfalls nach meinem Geschmacksempfinden, nicht auf der Speisekarte.

    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:
    Dieser Thriller wird für Jugendliche ab 14 Jahren empfohlen – in meinen Augen ist jedoch eine wesentliche Eigenschaft gut geschriebener Jugendbücher, dass man sie auch Ü18 lesen kann, ohne sich zu langweilen oder das Gefühl zu haben, zu alt dafür zu sein.


    "Dunkelschwester" ist meines Erachtens so ein Jugendbuch.


    Ganz unabhängig von der Altersempfehlung ist es ein clever konstruierter Thriller, der schnell spannend wird und diese Spannung dann bis zum Schluss halten kann, und das ohne bis ins kleinste Detail geschilderte Gewalt oder literweise Blut. Im Zweifelsfall wird einfach gesagt, wie schockiert die Menschen beim Anblick der Fotos der Opfer sind, ohne dass diese wirklich beschrieben werden.


    Auf dem Weg zur Auflösung gibt es mehr als eine großartige Wendung, die ich so nicht kommen sah, die ich aber glaubhaft und schlüssig fand. Ich habe mit Tessa, der jungen Heldin, mitgefiebert und mitgerätselt – und wie sie habe ich mehrmals meine Meinung geändert, wer hinter den Morden steckt und warum! Am Ende war dann doch alles wieder ganz anders, erklärte aber im Rückblick die ganzen Ungereimtheiten und scheinbaren Widersprüche.


    Das Buch ist für mich mehr als 'nur' ein Thriller: es ist auch ein Familiendrama, eine Geschichte von wahrer Freundschaft und Vergebung, ein interessanter Blick auf soziale Unterschiede innerhalb einer Kleinstadt. Tessa hat in ihrem Leben schon viel erlebt, darunter viel Schlimmes: Sie kommt aus einer Familie, in der nie genug Geld da war, dafür aber immer zu viel Alkohol. Ihr Vater kam wegen versuchten Mordes ins Gefängnis, als sie ein kleines Mädchen war, dann wurde die Cousine ihrer besten Freundin Callie ermordet... Und die beiden Kinder fanden sich als Hauptzeugen in einem Mordprozess wieder, was nicht nur ihre Freundschaft zerstörte, sondern auch das, was von Tessas Familie noch übrig war.


    Tessa erzählt ihre Geschichte authentisch und ohne künstliches Drama, aber voller Emotion. Überhaupt halte ich sie für eine wunderbare, vielschichtige Protagonistin, die sicher nicht perfekt ist, aber gerade in ihren Schwächen durch und durch menschlich und sympathisch.


    Die Charaktere, die eine größere Rolle spielen, fand ich alle sehr gut geschrieben. Es gibt ein paar Nebencharaktere, die etwas blass und eindimensional bleiben, die aber auch nicht wirklich wichtig für den Verlauf der Geschichte sind, weswegen es mich nicht sonderlich gestört hat. Eigentlich ist es ja nur realistisch, dass Tessa nicht jedem Menschen gleich viel Aufmerksamkeit schenkt und sie daher auch nicht alle gleich ausführlich beschreibt.


    Was ich am meisten am Schreibstil bewundere, ist, wie flüssig und unterhaltsam er ist, und wie unverfälscht er gleichzeitig klingt. Tessa hat eine ganz eigene 'Stimme', bei der ich manchmal vergaß, dass sie nur eine Romanfigur ist.


    Mein Fazit:


    Zwei kleine Mädchen, Tessa und Callie, bringen in einem spektakulären Verfahren durch ihre Aussage einen Serienmörder ins Gefängnis.


    Ein paar Jahre später sitzt das "Monster" immer noch im Todestrakt und Tessa kehrt in ihren Heimatort zurück, um ihren sterbenden Vater im Gefängnis zu besuchen. Sie hat zunehmend mit Zweifeln zu kämpfen: haben Callie und sie damals wirklich das Gesicht des Mörders gesehen oder sich das nur eingebildet? Sie beruhigt ihr Gewissen damit, dass die Morde danach tatsächlich aufhörten...


    Nur, dass kurz nach Tessas Rückkehr ein weiteres Mädchen verschwindet.


    "Dunkelschwester" ist ein Jugendthriller, den ich auch als erwachsene Leserin sehr interessant fand. Er ist vielschichtig, mit einigen unerwarteten Wendungen, und auch über den Mordfall hinaus interessant, denn man gewinnt einen tiefen Einblick in das Seelenleben der jungen Protagonistin und ihre schwierige Kindheit.

    Spannend, originell, manchmal nicht 100%ig glaubhaft

    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:
    "Die einzelnen Bände der Winter-und-Parkov-Reihe können unabhängig voneinander gelesen werden."


    Dieser Hinweis findet sich auf Amazon, in dessem Imprint 'Edition M' das Buch erschienen ist. Da ich den zweiten Band gelesen habe, ohne den ersten zu kennen, kann ich bestätigen: Ja, das geht tatsächlich, ich habe mich recht schnell zurecht gefunden – allerdings habe ich nun das Gefühl, dass ich schon zu viel über die Geschehnisse im ersten Band weiß, um diesen noch mit der nötigen Spannung zu lesen! Ich würde also doch eher die 'richtige' Reihenfolge empfehlen. Denn empfehlen würde ich das Buch durchaus, wenn auch mit Einschränkungen.


    Die Handlung klingt erstmal so perfide wie gradlinig: ein wahnsinniger Täter zwingt seine zukünftigen Opfer in einer selbstherrlichen Inszenierung dazu, ihren eigenen Tod per Video anzukündigen und eine Frage oder Aufgabe zu stellen, für deren Lösung die Ermittler der Mordkommission dann einen sehr eng begrenzten Zeitrahmen erhalten. Gelingt diese Lösung, so verspricht er, wird das Opfer verschont. Und so läuft der Countdown...


    Derweil steigt nicht nur beim Leser die Spannung (und steigt und steigt und steigt), sondern die Ermittler geraten zunehmend an ihre Grenzen, es kommt zu Differenzen innerhalb des Teams – und der Zorn der Öffentlichkeit richtet sich immer stärker nicht nur gegen den Täter, sondern auch gegen die scheinbar erfolglose Polizei.


    Für mich sind es vor allem die beiden Hauptcharaktere, die das Buch tragen.


    Marie Winter ist eine sympathische junge Mutter, die es meist nicht einfach hat, dies mit ihrer Arbeit als Hauptkommissarin der Mordkommission zu vereinbaren, aber dennoch nie in Erwägung zieht, aufzugeben. Sie kann unglaublich stur sein, und obwohl sie manchmal fast zusammenbricht, ist sie entschlossen und geht bis an ihre Grenzen – oder darüber hinaus.


    Daniel Parkov hingegen kam mir vor wie eine Mischung aus Sherlock Holmes, Batman und Michael Knight. Mit Holmes verbindet ihn die messerscharfe Intelligenz, die soziale Inkompetenz und der ältere Bruder, der ihn in beidem noch übertrifft, dabei jedoch ein sehr mächtiger und auch skrupelloser Mann ist. Wie Batman besitzt Parkov ein großes Herrenhaus mit einem Butler, der weit mehr ist als nur ein Butler, und das vollgestopft ist mit Technologie vom Allerfeinsten. Und wie Michael Knight fährt er ein Auto mit einer überaus menschlich wirkenden künstlichen Intelligenz.


    Dennoch ist Parkov ein überaus interessanter Charakter, der trotz dieser Parallelen eine ganz eigene, starke Persönlichkeit hat. Zusammen ergeben Winter und Parkov ein Ermittlerduo, das sich gut ergänzt, auch wenn er sich oft über die Regeln hinwegsetzt.


    Der Fall entpuppt sich als zunehmend vielschichtig und verwickelt, dabei aber solide und schlüssig konstruiert. Einige Entwicklungen haben mich wirklich überrascht, und bis zum Schluss konnte ich die Auflösung des Ganzen nicht erraten. Bis zu einem gewissen Punkt fand ich das Buch unglaublich spannend und glaubhaft – danach leider nur noch spannend, denn da überspannte der Autor in meinen Augen den Bogen der Glaubwürdigkeit.


    Das lag überwiegend an Parkovs Auto, beziehungsweise 'Elvis', der damit verbundenen künstlichen Intelligenz. Nicht nur die Spracherkennung ist anscheinend perfekt, Elvis ist auch in der Lage, sehr allgemein formulierte Anweisungen ohne Rückfrage so zu interpretieren, dass er genau die gewünschten Informationen heraussucht. Der Name einer Person und "Überprüf sie." reicht aus – schon bedient sich die KI an Fallakten und stellt ungefragt nützliche Querverbindungen zum Hintergrund anderer Personen her.


    Wozu braucht man da eigentlich noch die Ermittler?


    In einer Superheldengeschichte kann ich so etwas hinnehmen – in einem realistischen Thriller wirkt es auf mich wie ein Hilfsmittel, um die Handlung schnell voran zu treiben, und das wäre meines Erachtens gar nicht nötig gewesen. Der Autor kann doch schreiben und hat vorher auch ohne Elvis wunderbar Spannung aufgebaut! Was mich ebenfalls gestört hat, sind Kleinigkeiten, die sich nicht stimmig auflösen: so ist die IT-Abteilung der Mordkommission anscheinend nicht in der Lage, ein Passwort zu knacken, das sich später als vierstellig und sehr einfach herausstellt.


    Der Schreibstil liest sich locker und flüssig. Größtenteils fand ich ihn sehr ansprechend, aber manchmal fand ich die verwendeten Metaphern und Bilder nicht schlüssig oder zu übertrieben, wie zum Beispiel:


    "Seine elektronisch verzerrte Stimme erinnerte an einen fernen, kalten, unnachgiebigen Felsen, der einsam durchs All trieb."


    Fazit:
    Mord als Inszenierung im Internet? Nicht undenkbar. Nicht mal unwahrscheinlich. Aber eine gute Grundlage für eine intelligent konstruierte Geschichte.


    Dieser Thriller kann punkten mit starken Charakteren, einer komplexen Handlung und überraschenden Wendungen. Einen Großteil des Buches war ich begeistert, aber gegen Ende las sich das Buch für mich zunehmend eher wie eine Folge von "Knight Rider", was ich sehr schade fand...


    Dennoch: ich fand das Buch unterhaltsam, spannend und vor allem wirklich originell, und ich werde zukünftige Fälle von Winter und Parkov sicher weiter verfolgen.

    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:


    Christine Drews liefert mit "Nach dem Schweigen" einen soliden Thriller mit einer vielschichtigen Handlung, einigen falschen Fährten und unerwarteten Wendungen, sowie einer Vielzahl von Charakteren mit ihren jeweiligen Perspektiven. Das Ergebnis ist originell, absolut kein Thriller nach Baukastensystem – und nach leichten Einstiegsschwierigkeiten konnte mich das Buch auch überzeugen.


    Aber zunächst zu den Charakteren:


    Im Mittelpunkt steht die junge Saskia, deren Tante Ellen sich gerade umgebracht hat. Dies war jedoch nicht der erste traumatische Todesfall in ihrem Leben: als sie fünf Jahre alt war, stürzte ihre Mutter von einer Klippe und starb, und danach übernahm Ellen die Mutterrolle für Saskia und deren Bruder Max. Da Saskia eine Therapie macht, sehen wir einen Teil der Geschichte durch die Augen ihres Psychiaters.


    Dann spielt natürlich Ellen selber eine Rolle, und durch sie auch ihr Mann Georg – und die attraktive Haushälterin, mit der Georg vielleicht oder vielleicht auch nicht ein Verhältnis hatte.


    In einer Nebenhandlung geht es um Jack, vor dessen Erdgeschosswohnung Ellen aufschlug, und den jetzt seine Vergangenheit wieder einholt, in der er eine moralisch verwerfliche Entscheidung traf. Seine Ex-Geliebte Sienna hängt in dieser Geschichte mit drin, und lange bleibt unklar, ob die Vergangenheit der beiden nun mit Ellens Tod zu tun hat oder nicht.


    Dann gibt es noch Naomi, ein junges Mädchen, das abgerutscht ist in Drogensucht und Beschaffungskriminalität. Im Rausch sieht sie etwas, was sie für eine Wahnvorstellung durch einen Horrortrip hält... Aber tatsächlich wird sie dadurch für jemanden gefährlich.


    Ich fand die Charaktere alle gut geschrieben, komplex und mit unverwechselbaren "Stimmen". Gerade durch die vielen wechselnden Perspektiven blieb die Geschichte für mich immer spannend, und die Autorin schafft es auch wunderbar, die verschiedenen Handlungsstränge nach und nach zusammenzuführen.


    Saskia selber war mir sehr sympathisch, und sie ist auch eine starke Protagonistin, die bei aller Trauer doch nie erwägt, den Kopf in den Sand zu stecken. Sie stellt mehrere Theorien auf zum Tod von Ellen, und während mir nicht alle davon plausibel erschienen, brachte mich die ein oder andere doch ins Grübeln...


    Ich habe Rezensionen gelesen, die darüber klagen, die Perspektive des Psychiaters sei langatmig oder unnötig, aber für mich war sie sogar mit das Interessanteste! Vielleicht liegt es daran, dass ich mich generell sehr für Psychologie interessiere, aber ich fand die Überlegungen zu Kindheitstrauma und Stellvertreterrollen im Traum sehr spannend.


    Naomis Geschichte nimmt mehr Platz ein, als mir rückblickend für ihre Rolle im Kriminalfall angemessen erscheint – und da am Schluss auch einiges offen bleibt, frage ich mich, ob es wohl eine Fortsetzung geben wird? Nicht, dass ich ihre Perspektive langweilig gefunden hätte, ganz im Gegenteil! Ich habe sehr mit ihr mitgefiebert, denn obwohl sie furchtbare Entscheidungen trifft, ist sie doch eigentlich nur ein Teenager, der das alles nicht verdient hat.


    Die Auslösung, wer nun wirklich hinter allem steckt, fand ich gut gelungen. Sagen wir mal so: die Auslösung hat mehrere Ebenen, und während ich mir eine davon schon nach etwa der Hälfte des Buches gedacht hatte, erwischte mich die andere eiskalt.


    Meine anfangs erwähnten Einstiegsschwierigkeiten hatten mit dem Schreibstil zu tun, mit dem ich mich zunächst schwer tat. Für die komplexe Geschichte erschien er mir zu einfach strukturiert, mit eher kurzen Sätzen, manchmal sogar etwas flach. Nach ein paar Kapiteln war ich jedoch 'drin', und danach las sich die Geschichte auch flüssig.


    Fazit:
    Eine Frau springt vom Dach eines 20-stöckigen Gebäudes. Saskia, die Nichte der Toten, ist fassungslos, benahm sich Tante Ellen doch kurz vor ihrem Tod noch völlig normal – und auch Saskias Mutter ist vor vielen Jahren durch einen Sturz ums Leben gekommen. War Ellens Tod wirklich ein Selbstmord, der Tod von Saskias Mutter wirklich ein Unfall? Saskia kann das nicht einfach auf sich beruhen lassen.


    Die Geschichte bietet eine Vielzahl an Charakteren, Perspektiven und Handlungssträngen, die Christine Drews gekonnt und glaubhaft zu einer spannenden Geschichte verwebt. Einzig der Schreibstil traf nicht 100%ig meinen Geschmack, aber dennoch ist "Nach dem Schweigen" in meinen Augen ein unterhaltsamer Thriller, der sich sehr gut lesen lässt.

    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:
    "Zu wenig Blut für einen Thriller, zu viel Romantik für einen Krimi und zu viel Mord für eine Liebesgeschichte..."
    (Webseite der Autorin)


    Was mir an den Krimis von Carine Bernard immer wieder gut gefällt, ist genau diese lockere Mischung: genau das richtige, um sich gemütlich mit Buch, Tee und Flauschedecke aufs Lesesofa zurückzuziehen.


    Leider neige ich bei ihren Büchern dazu, mich schnell auf den richtigen Täter einzuschießen. Auch hier hat mich die Enthüllung des Täters nicht überrascht, aber dennoch fand ich das Buch unterhaltsam, denn die Frage, ob auch Jenny rechtzeitig zwei und zwei zusammenzählen würde, blieb ja erstmal offen! Außerdem war noch zu klären, wie der Täter bestimmte Dinge überhaupt so deichseln konnte, wie er es tat. Dennoch hätte ich mir gewünscht, ich hätte als Leserin länger miträtseln können, denn das ist für mich ein Großteil des Spaßes an einem Krimi.


    Einer der interessantesten Aspekte der Geschichte war für mich die Dating-App, die dem Buch ihren Namen verleiht. Die Avatare anderer 'Dater', die sich in der Nähe aufhalten, werden auf der Karte eingeblendet, und zwar je nach 'Kompatibilität' in rot, gelb oder grün. Mit einem Klick kann man dann um ein Date bitten – und zwar ohne das Geringste über den anderen zu wissen! Es gibt keine Profile, keine Fotos, man erfährt nicht mal den richtigen Namen. (Also irgendwie das Gegenteil von Tinder.)


    Die Idee, dass es hier nicht um oberflächliche Schönheit geht, erscheint auf den ersten Blick durchaus sympathisch, bis man sich klarmacht, dass die App nur deswegen so gut funktioniert, weil sie alles über dich weiß. ALLES. Du hast gerade Fotos von niedlichen Kätzchen angeschaut? Ist verbucht. Du verbringst viel Zeit bei Starbucks? Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass dein nächstes Date ein koffeinabhängiger Tierfreund ist.


    Jenny, die Protagonistin, war mir sehr sympathisch: sie ist offensichtlich intelligent, sie hilft neben der Arbeit in der Suppenküche aus und scheint überhaupt ein Mensch mit Prinzipien zu sein. Eine starke Frau, die man nur mögen kann! Ja, sie gehört zu dem Team, das "App to Date" mitentwickelt, aber ihr geht es nicht ums Geld, sondern nur um die Forschung. Das Verwerflichste, was sie tut, ist, dass sie sich ab und an mit einem falschen Profil in die App einloggt, um sich zu Testzwecken mit nichtsahnenden 'Datern' zu treffen, aber bisher hat das ja noch niemandem geschadet. Oder? So richtig bewusst ist sie sich nicht, wie heikel es ist, dass die App wirklich ALLES über die Nutzer ausliest und auch als Rohdaten abspeichert... Gläserner kann man als Mensch gar nicht werden! Und das Thema ist natürlich eines, was heutzutage vielen Menschen unter den Nägeln brennt.


    Jakob ist ebenfalls ein netter Kerl, auch wenn er bisschen zu abhängig von seinem Onlinespiel ist. Andererseits wäre er ohne diese Macke vielleicht auch zu perfekt gewesen! Natürlich weiß er erstmal nichts davon, dass Jenny sich mit anderen Männern getroffen hat, um die App zu testen... Und natürlich kann das nicht ewig gut gehen.


    Die Liebesgeschichte zwischen den beiden ist süß, entwickelt allerdings noch nicht viel Tiefgang, einfach, weil sie im Laufe des Buches gar nicht so viel Zeit miteinander verbringen können. Aber man hat den Eindruck, die App hat das schon ziemlich gut berechnet, dass die beiden perfekt zueinander passen!


    Ein paar der Nebencharaktere fand ich ebenfalls sehr gelungen, wie Jennys beste Freundin Dana, ihren Bruder Marc oder den hünenhaften, aber gutherzigen Obdachlosen Adrian. Andere blieben dagegen noch ein bisschen blass, aber auch das liegt wahrscheinlich daran, dass die Handlung sich innerhalb relativ kurzer Zeit abspielt.


    Der locker-leichte Schreibstil der Autorin gefällt mir immer wieder gut, und besonders die Schilderung der Örtlichkeiten ist sehr plastisch und gut vorstellbar. Wenn man sich in Düsseldorf auskennt (was ich nicht tue!), erkennt man bestimmt das ein oder andere wieder.


    Fazit:
    "App to Date" ist entweder eine Liebesgeschichte mit ein bisschen Krimi, oder ein Krimi mit ein bisschen Liebesgeschichte. So oder so ist es wohl nicht das Richtige für Fans von Hardcore-Thrillern mit literweise Blut, sondern wird eher die Liebhaber gemütlicher und vor allem romantischer Kuschelkrimis ansprechen. (Nichts gegen Kuschelkrimis. Ich lese die selber immer mal wieder gerne!)


    Ich fand das Thema interessant, die Handlung unterhaltsam und die wichtigsten Charaktere sympathisch, nur leider war mir der Täter schon sehr schnell klar!

    Schweine und ein Fundament aus Asche
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:
    Brüssel, Hauptsitz der Europäischen Kommission, ihres Zeichens supranationales Herz der Europäischen Union und Hüterin der Verträge. Die EU-Kommissare werden zwar von ihren jeweiligen Regierungen nominiert, sollen aber nicht nur nationale Interessen vertreten, sondern die gemeinsamen Ziele der Union.


    Union – also Einheit! –, gemeinsame Ziele? Welch hehres Ideal.


    Doch Menasse zeigt in seinem Roman gnadenlos, wie wenig die Realität diesem Ideal entspricht. Wie ein Leitmotiv zieht es sich durch das Buch: das gnadenlose Scheitern, das durch Zusammenarbeit hätte verhindert werden können, im Großen wie im Kleinen. Der moralische Bankrott. Absurd, lachhaft, aber das Lachen bleibt einem ab und an im Halse stecken.


    Da gönnen sich die Ressorts der Kommission gegenseitig nicht die Butter auf dem Brot. Von Union keine Spur, man macht sich kaum die Mühe, Eigeninteressen zu verschleiern. Wen schert es schon, wenn die Suizidrate in Griechenland alarmierend steigt? Nur die Griechen. Und wenn es der eigenen Sache dient, wechselt man sogar die nationale Identität.


    Da kommt direkt mehreren Menschen eine Erleuchtung: Auschwitz als Geburtsort der Europäischen Kommission – Auschwitz als zwingender Grund dafür, dass nationale Interessen supranationalen Interessen weichen müssen, damit sich die Geschichte niemals wiederholt! Zwar begegnen sie sich, nichtsahnend, aber dennoch kommen sie nicht zusammen. Der Gedanke verliert sich in den Plattitüden von Menschen, für die Auschwitz nur noch ein lästiger Klotz am Bein ist, den man seit dem Zweiten Weltkrieg hinter sich herschleppt, oder bestenfalls eine Gelegenheit, in regelmäßigen Abständen die eigene Ergriffenheit zur Schau zu stellen.


    Und derweil sterben die letzten Zeitzeugen. Ein alter Mann streicht Name für Name von einer Liste, die überaus wertvoll hätte sein können, wäre sie zur rechten Zeit in die rechten Hände gelangt.


    Am ehesten sorgt noch das Schwein für Einheit, das durch die Stadt geistert – und sogar das fügt sich wieder in das Leitmotiv, gelingt es doch nicht, in einer gemeinschaftlich organisierten Aktion das Schwein einzufangen. Wer sich jedoch über das Schwein profilieren kann, der tut es. Das Schwein als verkörperte Bürokratie?


    Und dennoch: "Die Hauptstadt" ist meines Erachtens nicht anti-EU, sondern lediglich kritisch gegenüber deren Umsetzung. Als Leser fragt man sich, wie es weitergehen kann, soll, muss.


    Die Grundidee ist bestechend, die Umsetzung glänzt durch feinen Humor und genaue Beobachtung zwischenmenschlicher Nuancen. Ich kann durchaus nachvollziehen, warum diesem Buch der Deutsche Buchpreis verliehen wurde.


    Und dennoch.


    Das Fragmentarische der Handlung unterstreicht zwar die eklatante Uneinigkeit von Menschen, die sich von Berufs wegen der Einigung verschrieben haben, macht es aber auch ermüdend, den verschiedenen Handlungssträngen zu folgen. Menasse verliert sich im Detail, und bis zu einem gewissen Punkt war ich bereit, ebenfalls verloren zu gehen und zu sehen, wohin die Reise geht. Und tatsächlich: vieles ist hochinteressant, feinsinnig, bietet lohnende philosophische Denkansätze. Vieles liest sich aber auch wie eine Sammlung politischer Essays, die allerhöchstens lose verknüpft sind, angesiedelt irgendwo zwischen Sachbuch und Politsatire.


    Vieles ist grandios, keine Frage. Manche der Charaktere sind lebendig, komplex und glaubhaft – andere hingegen nur eine Handbreit vom Klischee entfernt. Der Schreibstil kann so wunderbar sein, dass man sich ganze Passagen abschreiben und an die Wand hängen will – dann wiederum merkwürdig flach und zugleich übertrieben. Allerdings hege ich bei beidem den Verdacht, dass Menasse in voller Absicht mit den Erwartungen des Lesers spielt, um die Absurdität gewisser Situationen herauszustellen! Die Europäische Kommission, war mein Eindruck, parodiert sich im Grunde selbst.


    Die Lesbarkeit wird erschwert durch einen generellen Mangel an Anführungszeichen in der direkten Rede und gleichzeitig eine Vielzahl an fremdsprachigen Sätzen, die nirgendwo erläutert, geschweige denn übersetzt werden. Soll auch das betonen, dass die innereuropäische Kommunikation nicht funktioniert? Wenn ja, vermittelt es zumindest einen Hauch der Frustration darüber.


    An manchen Stellen erschien mir die Symbolik zu gewollt. So versucht zum Beispiel ein Mitarbeiter der Kommission seiner Vorgesetzten die Bedeutung von Auschwitz für die Gründung der Kommission zu erläutern, sie indes hört ihm nur mit halbem Ohr zu – und wischt sich beiläufig Asche von der Bluse.


    Die Vermischung von Fakt und Fiktion funktioniert in meinen Augen meistens gut; da unterstützt das eine die Wirkung des anderen. Manchmal überschreitet Menasse jedoch die Grenze dessen, was für mich noch glaubhaft ist. Die Profilkiller des Vatikan wollten sich für mich zum Beispiel nicht so recht in die Handlung einfügen, außer vielleicht als Kontrapunkt zum europäischen Grundgedanken.


    Fazit:
    Mein Leserherz blutet – wollte ich diesen Roman doch eigentlich in den Himmel loben. Nicht nur hat es den Deutschen Buchpreis gewonnen, nein: der Autor wirkte bei der Verleihung so charmant verblüfft und überrumpelt, dass ich bereit war, sein Werk zu lieben. Stattdessen muss ich mich damit begnügen, dass ich es 'nur' gut finde... Ja, manches finde ich sogar wunderbar, aber eben nicht alles.


    Es ist in meinen Augen vor allem eine (selbst-)ironische Satire, angereichert durch philosophische Gedanken und Betrachtungen über den Grundgedanken der Europäischen Union und das Wesen des Menschen – mit einer Prise Krimi. Aber über lang(atmig)e Strecken geht es eben um Bürokratie: deren Fallstricke, Intrigen und absurde Auswucherungen. Und was sagt man über die Mühlen der Bürokratie? Richtig. Da kommt auch die turbulenteste Geschichte kreischend zum Stillstand.


    Was allerdings wiederum die Botschaft unterstreicht: Stillstand ist hier der Tod guter Ideen.


    Auch, wenn ich den Roman nicht so innig lieben konnte, wie ich es mir gewünscht hätte, ist er doch lohnend, wenn man sich für die Thematik interessiert. Bis auf kleinere Durststrecken fand ich die Geschichte durchaus unterhaltsam, sogar spannend, mit einem intelligenten feinen Humor und vor allem: zum Nachdenken anregend.

    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:
    Die Grundidee der Geschichte ist in meinen Augen wirklich originell: und zwar greift Thomas Elbel hier die Gattung des "Grand Guignol" auf, die zurückgeht auf ein Pariser Theater, das von 1897 bis 1962 Stücke mit grotesk übersteigertem Horror zeigte – quasi der Vorläufer moderner Splatterfilme. Die Stücke waren so blutig, entsetzlich und realistisch, das für gewöhnlich in jeder Vorstellung wenigstens zwei Zuschauer in Ohnmacht fielen. Aber während im "Théâtre du Grand Guigno" alles nur Kunstblut und geschickt inzenierte Effekthascherei war, strebt der Todesmeister in diesem Thriller nach größerer Realitätsnähe... Und im Darknet finden sich gut zahlende Bewunderer dieser Kunst.


    Da schwingt mehr als ein bisschen Gesellschaftskritik mit, denn es ist leider Realität, dass es Menschen gibt, die fürstlich dafür zahlen, sich am Leiden und Tod anderer aufgeilen zu können.


    Im Buch kommen zwar auch Menschen vor, die sich die Filme des Todesmeisters in dem Glauben anschauen, sie seien fake – nur eine Art Underground-Horror für den schnellen Kick... Und trotzdem: sind wir so abgestumpft, dass es immer noch blutiger, noch perverser, noch extremer sein muss?


    Natürlich gibt es daher auch blutige, grausame Szenen, aber in meinen Augen verzichtet der Autor darauf, dies über die Maßen auszureizen und damit selber den Voyeurismus des Lesers anzusprechen.


    Und das alles ist auch wirklich spannend, gar keine Frage. Allerdings ist die ein oder andere Entwicklung doch ein wenig vorhersehbar, und besonders gegen Ende schleicht sich das ein oder andere Klischee ein.


    Es gibt auch Hinweise, die den Ermittlern etwas erzwungen in die Hände gespielt werden. Zum Beispiel fand ich es erstaunlich, dass Mitglieder einer geheimen Organisation, die Folterpornos vertreibt, anscheinend überall ihre Visitenkarten verlieren, natürlich praktischerweise mit ip-Adresse... Und umgekehrt: einem Zeugen, der viel zur Aufklärung beitragen könnte, glaubt niemand, obwohl der dazugehörige Fall eigentlich in den Medien präsent ist.


    Die Charaktere bieten eine Diversität, die ich an sich sehr positiv finde: zu Protagonist Viktor von Puppe gesellen sich die Kommissare Kenji Tokugawa und Begüm Duran, es gibt einen homosexuellen Charakter und eine/n, der/die genderqueer ist, Gerichtsmedizinerin Stella ist Prosopagnostikerin, also gesichtsblind... Am Anfang fand ich die Zusammensetzung des Ermittlerteams noch gelungen. Mir gefiel die zwischenmenschliche Chemie, die Charaktere erschienen mir lebendig und komplex.


    Leider gewann ich im Laufe des Buches immer mehr den Eindruck, dass die Charaktere allzu oft in Klischees verfallen. Besonders Stella kam mir zunehmend vor wie einem feuchten Traum entstiegen; sie lebt ihre Sexualität fast schon aggressiv aus, trägt auch schon mal nichts unter dem Nerzmantel, lässt nach kurzer Bekanntschaft schon fallen, dass sie einem flotten Dreier nicht abgeneigt wäre, und als sie mit einer Waffe bedroht wird, fällt dieser Satz:


    »Auf mich war gerade eine Pistole gerichtet. (...) Und das hat mich ja so was von scharf gemacht.«


    Aber gut, damit hätte ich noch leben können. Warum nicht, wenn es ihr Spaß macht und alle Beteiligten freiwillig dabei sind. Leider gibt es eine Szene, in der sie diese Grenze in meinen Augen überschreitet.


    Vom Schreibstil war ich schon nach wenigen Seiten sehr angetan, Thomas Elbel findet ausdrucksstarke Formulierungen und baut sehr lebendig und eindrücklich Atmosphäre auf.


    Was mich dann jedoch immer wieder störte: in den Monologen/Dialogen sprechen die Charaktere zum Teil in sehr übersteigerter Umgangssprache, die für mich nicht mehr natürlich wirkte, sondern aufgesetzt.


    "Von mir aus kannst du so viel smartscheißen, wie du willst. Wenn du aber so weitermachst, wirst du bei Begüm voll verkacken, was irgendwie blöd für den Teamspirit wäre, if you know what I mean."


    Fazit:
    Der Thriller punktet mit einer originellen Grundidee und einer diversen Gruppe von Charakteren. Der Spannung tut auch die ein oder andere erzwungene Entwicklung keinen großen Abbruch, aber leider fand ich die Charaktere immer weniger glaubhaft, und die Auflösung konnte mich ebenfalls nicht voll überzeugen.

    Tranparente Individuen im nicht transparenten System
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:
    "QualityLand" erinnert mich stark an die Bücher des zu früh verstorbenen Schriftstellers Douglas Adams, der vor allem durch "Per Anhalter durch die Galaxis" (seine Trilogie in fünf Bänden) bekannt wurde.


    Schon nach wenigen Seiten beschlich mich ein Gefühl der literarischen Heimkehr – da war sie wieder, diese besondere Mischung, die ich mit dem Tod von Adams für unwiderruflich verloren hielt: ein Konglomerat aus skurrilem Humor, absurden Wendungen und Charakteren, die so gnadenlos übersteigert werden, dass sie schon wieder authentisch wirken. Aber vor allem ist es diese Gesellschaftskritik, die mit der brachialen Subtilität einer schwerhörigen Marschkapelle daherkommt – doch wenn die Ohren dann aufhören, zu klingeln, bleibt als Nachhall der Klang der Wahrheit zurück.


    Denn das können sie beide, Adams und Kling. Sie haben ein unfehlbares Gespür für die Essenz der Dinge, legen den Finger treffsicher genau in die Wunde – egal, ob es jetzt um menschliche Schwächen oder gesellschaftliche Entwicklungen geht... Das ist zum Schreien komisch (wann man den Humor mag) und gleichzeitig überfällt einen hier und dort das ungute Gefühl, dass man lieber noch ein bisschen den Kopf in den Sand stecken würde.


    Mein Eindruck ist, dass diese Ähnlichkeit zumindest zum Teil beabsichtigt ist, denn das ein oder andere erschien mir wie eine bewusste Hommage Klings an seinen verstorbenen Kollegen!


    Der Autor zeichnet in "QualityLand" das Bild einer nicht allzu weit entfernten Zukunft, in der jeder Mensch gläsern ist – und das niemanden mehr stört. Das Netz weiß alles über dich, und das wird dir noch als superpraktisch verkauft: du brauchst über nichts mehr nachdenken, ist das nicht schön?


    "Ok? Ok."


    Alles, was du tust, wird vollautomatisch von Algorithmen gesteuert. QualityPartner vermittelt dir den besten Lebensgefährten, den du dir bei deinem Einkommen und deinem gesellschaftlichen Rang leisten kannst. Du brauchst nicht mehr einkaufen gehen, denn TheShop weiß besser als du, was du willst, und schickt es dir per Drohne nachhause. Die Nachrichten zeigen dir nur, was mit deiner Sicht der Welt übereinstimmt – Fake News sind durchaus gewollt, solange sie dich glücklich und leicht steuerbar machen. Die Gesellschaft verdummt, weil jeder nur noch in seiner kleinen Blase lebt, wo ihm niemand widerspricht und ihn nichts mehr herausfordert. Sogar Filme und Bücher werden bis zur kompletten Sinnentstellung an den Konsumenten angepasst:


    »In der Schule«, sagt er, »hatte ich mal eine Freundin, in deren Version von Game of Thrones keine einzige Figur gestorben ist. Die haben immer nur eine Sinnkrise bekommen und sind ausgewandert, oder so.«


    Und das wäre wohl immer so weitergegangen, hätte Peter Arbeitsloser von TheShop nicht einen pinken Delfin-Vibrator zugeschickt bekommen... Die Revolution kommt manchmal aus unerwarteten Ecken.


    "Das System sagt, ich will das. Aber ich will das nicht."


    Das ist originell. Das ist spannend. Das ist unlogisch und überzogen und gleichzeitig auf beunruhigende Art und Weise glaubhaft


    Die Geschichte dreht sich vor allem um Peter Arbeitsloser, der so weit abgerutscht ist in seiner Wertung, dass er als nutzlos gilt. Auf den ersten Seiten erschien er mir noch ziemlich flach und vorhersehbar, doch dann findet man etwas über ihn heraus, das alles ändert – denn Peter hält sich stillschweigend nicht an die Regeln... Und das führt dazu, dass sich eine unwahrscheinliche Gruppe von schrägen Gestalten aufmacht, das System zu zwingen, einen Fehler zuzugeben.


    Peter funktioniert als Charakter perfekt, weil er als Rädchen der Maschine nicht funktioniert und man sich daher mit ihm identifizieren kann. Er zeigt uns, wo die Reise hingehen könnte, wenn wir nicht umdenken, und warum wir da wirklich nicht hinwollen.


    Wie schon erwähnt, den Humor muss man mögen. (Oder auch nicht. Aber es wäre definitiv besser, ihn zu mögen, wenn man dem Buch wirklich eine Chance geben möchte.) Auch den Schreibstil kann man meines Erachtens schwer davon trennen. Ich fand ihn großartig – bissig, sarkastisch, flott geschrieben –, aber der Humor zieht sich so durchgehend durch alle Passagen, dass er Lesern, die mit dem Humor nichts anfangen können, wohl nur wenig Freude bereitet.


    Deswegen ist "QualityLand" ein Buch, wo ich dringend empfehlen würde, erstmal die Leseprobe zu lesen! Aber es lohnt sich, es zumindest mal auszuprobieren.


    Fazit:
    In der Zukunft wird alles von Algorithmen gesteuert: Du kaufst nicht mehr ein, TheShop kauft für dich ein, weil es dich besser kennt als du dich selbst. QualityPartner vermittelt dir einen Partner, der zu dir passt, den du dir leisten kannst und der wahrscheinlich sogar am selben Tag wie du sterben wird. Die Nachrichten zeigen dir nur, was du glauben willst – wenn du rechtsradikal bist, ist die ganze Welt rechtsradikal. Bis auf die Ausländer natürlich, die sind praktischerweise an allem schuld.


    Das System macht keine Fehler, und deswegen ist immer alles OK. Und wenn es nicht OK ist, liegt der Fehler an dir und nicht am System. Aber als Peter Arbeitsloser einen pinken Delfinvibrator zugeschickt bekommt, hat er ein für alle Mal genug davon.


    "QualityLand" verbindet Klamauk mit böser Gesellschaftskritik und unerwartetem Tiefgang. Ob man das mag, steht und fällt in meinen Augen damit, ob einen der Humor anspricht oder nicht – mir hat das Buch viel Spaß gemacht und mich dabei noch zum Nachdenken angeregt.

    Mord im Auge des Betrachters
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:
    Obwohl das Buch von Klappentext und Thema her so klingt, ist es in meinen Augen weder ein Thriller noch ein Krimi, sondern ein Roman mit Spannungselementen, der seinen ganz eigenen Sog entwickelt. Der Unterschied liegt für mich darin, dass hier streng genommen nicht immer viel passiert: die Ermittlungen im Fall Kallmann stehen tatsächlich über lange Passagen nicht im Mittelpunkt, während das Augenmerk auf den Gedanken und Gefühlen der handelnden Personen liegt, auf der Dynamik ihrer Familien, auf den gesellschaftlichen Strukturen ihres Umfelds – und dennoch wurde es mir niemals langweilig.


    Ganz im Gegenteil! Ich war beim Lesen ganz verliebt in das Buch, und mehr als einmal fragte ich mich, wie ich das später in meiner Rezension nur begründen sollte...


    Zum großen Teil lag es sicher am Schreibstil des Autors: literarisch, subtil, mit viel Gespür für Atmosphäre und menschliche Zwischentöne. Er erzählt die Geschichte aus mehreren Perspektiven und verleiht dabei jedem Charakter seine ganz eigene Stimme.


    Auch wenn es den Protagonisten selber nicht immer bewusst ist, überschneiden sich ihre Perspektiven und Erlebnisse, und irgendwie ist der Dreh- und Angelpunkt immer wieder Eugen Kallmann. Auch er selber kommt über seine Tagebücher posthum zu Wort, und er ist ein faszinierender Charakter! Man weiß nie so recht: was ist hier Wahrheit, was Fiktion? Meint Kallmann wirklich alles ernst, was er schreibt?


    So behauptet er zum Beispiel, er habe seine Mutter getötet, als er gerade mal 11 Jahre alt war, und könne andere Mörder seitdem erkennen, wenn er ihnen in die Augen blickt. Tatsächlich erinnern sich Schüler und Kollegen daran, dass er niemals Augenkontakt aufnahm, unter gar keinen Umständen. Ob man das als Leser nun für ein Hirngespinst Kallmanns hält, vielleicht sogar Wahnsinn, so fragt man sich doch schnell, ob er vielleicht wirklich einem Mörder auf der Spur wahr, wie er in seinen Tagebüchern behauptete – und ob dies letztendlich sein Tod war.


    Das fragen sich auch diejenigen Protagonisten, durch deren Augen man die Geschichte hauptsächlich sieht. Es sind mehrere Gruppierungen, die jeweils ihre eigenen Ermittlungen anstellen, ohne zu ahnen, dass sie damit nicht alleine sind. Das entwickelt eine Eigendynamik, die noch ganz andere Dinge bewirkt, so kommen zum Beispiel gut gehütete Familiengeheimnisse zum Vorschein.


    Dazu kommt noch, dass der Fall Kallmann nicht das Einzige ist, mit dem sich die Charaktere beschäftigen müssen: eine jüdische Lehrerin bekommt Drohbriefe von einer mysteriösen "Puztkolonne", Schüler mit Migrationshintergrund werden drangsaliert und verprügelt... Und schließlich kommt es zu einer erschreckenden Tat.


    Ich fand zutiefst originell, wie der Autor zwar einige Motive verwendet, die in einem 'Standardkrimi' nicht fehl am Platz wären, daraus aber etwas macht, dass sich nicht in diese Schublade zwängen lässt. Auch die Charaktere sind meines Erachtens alle wunderbar geschrieben.


    Es gibt eine Liebesgeschichte, die mich zunächst nicht überzeugte, die Geschichte aber auch nicht störte. Im Laufe des Buches habe ich mich damit auch noch mehr angefreundet, obwohl sie in meinen Augen nicht unbedingt nötig gewesen wäre.


    Fazit:
    Der beliebte Lehrer Eugen Kallmann hatte so seine Marotten. So glaubte er, in den Augen eines Menschen erkennen zu können, ob dieser schon einmal getötet hat, und wähnte sich einem Mörder auf der Spur. Hirngespinste? Tatsache ist, Kallmann ist tot, und sein Tod möglicherweise kein Unfall. Die Polizei tritt dennoch nur am Rande auf, stattdessen folgt man den Gedanken verschiedener Menschen, denen der Tod Kallmanns keine Ruhe lässt.


    Das wirkte auf mich weder wie ein Krimi noch wie ein Thriller – und dennoch spannend, auf subtile, ruhige, oft langsame Weise. Man muss sich darauf einlassen, dass die Dinge in diesem Buch ihre Zeit brauchen und das Augenmerk oft mehr auf dem Zwischenmenschlichen liegt als auf dem Kriminalfall.


    Der Schreibstil ist in meinen Augen außergewöhnlich, die Charaktere authentisch, die Handlung intelligent konstruiert... Dies war mein erstes Buch von Håkan Nesser, aber ganz sicher nicht mein letztes.

    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:
    Das Postkartenbuch enthält 20 Postkarten aus schwerem, glattem Papier, das auch Filzstifte und Wasserfarben problemlos aushalten kann, ohne dass es auf die Rückseite durchdrückt oder wellt. (Natürlich sollte man bei den Wasserfarben dabei eher sparsam mit dem Wasser umgehen!) Die Künstlerbuntstifte, die ich ausprobiert habe, ließen sich ebenfalls mit kräftigen Farben auftragen – das Papier hat also genug Textur, um den Farbstiften genug Grundlage zu geben.


    Da man die Postkarten ja verschicken können soll, enthält natürlich immer nur die Vorderseite ein Motiv zum ausmalen.


    Es gibt keine Duplikate, die Bilder sind alle unterschiedlich und decken auch eine Reihe von weihnachtlichen Motiven und Stilen ab. Auch der Schwierigkeitsgrad variiert, von sehr fein und detailliert bis hin zu eher einfach. Ein Teil der Postkarten enthält mit Goldfolie hervorgehobene Schrift oder kleine Akzente, die dem Motiv einen edlen Anstrich geben.

    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:


    "Innerhalb weniger Minuten hat sein Leben die Richtung geändert. Er ist ein Mörder. Doch die beiden Bilder passen nicht zusammen, man kann nicht zwölf Jahre alt und ein Mörder sein."
    (Zitat)


    Ein einziger Moment der Wut. Ein Schlag, der unglücklich trifft. Schon ist ein junges Leben beendet, ein anderes wird nie wieder dasselbe sein.


    Das Lesen dieses Buches schmerzt, auch wenn der Autor sich weder zu rührseliger Effekthascherei noch Überdramatisierung hinreißen lässt. Es schmerzt, weil man die Geschehnisse durch die Augen des 12-jährigen Antoine sieht, der in jeglicher Hinsicht ein guter Junge ist: er liebt seine Mutter, der Nachbarshund ist sein allerbester Freund und er lässt es sich gutmütig gefallen, dass der 6-jährige Rémi ihm ständig hinterherläuft. Man möchte diese Unschuld bewahren und ahnt doch, dass es damit bald vorbei sein wird.


    Oder?


    Das ist eine der großen ethischen Fragen des Buches: hat seine Tat Antoine von einem Moment zum anderen zu einem bösen Menschen gemacht, unwiderruflich? Für ihn selber gibt es da gar keinen Zweifel. Seine Angst treibt ihn dazu, die Tat zu vertuschen, und dennoch sehnt er sich verzweifelt danach, erwischt zu werden. Seine innere Zerrissenheit und seine emotionale Qual sind schwer zu lesen, denn Antoine ist so furchbar allein damit und doch selber noch ein Kind.
    Kindermörder. Mörderkind.
    Das Verschwinden des kleinen Rémi mobilisiert im Dorf einiges an Hilfsbereitschaft, bringt aber auch schwelende Konflikte zum Vorschein – und diese Erschütterung des Status Quo ist erst der Anfang.


    Der Autor zeichnet seine Charaktere mit leichtem Pinselstrich und doch treffend. Am bestechendsten fand ich die Charakterisierung von Antoines Mutter, die ihrem Sohn vorlebt, dass man Konflikte am besten einfach totschweigt. Und nicht nur das: sie verbiegt sich die Wirklichkeit, bis sie zu dem passt, was sie glauben will, und das zum Teil bis ins Extrem. Da wundert es wenig, dass Antoines Lösungsstrategie hauptsächlich daraus besteht, abzuwarten und im Stillen zu erdulden.


    Antoine selber ist herzzerreißend in seiner Not, deswegen konnte ich das Buch buchstäblich nicht weglegen, ohne zu wissen, wie es nach diesen drei dramatischen Tagen mit seinem Leben weitergehen würde. Um kurz nach 3 Uhr morgens habe ich das Buch schließlich beendet, nicht nur müde, sondern auch emotional erschöpft.


    Spannend ist die Geschichte, gar keine Frage. Aber es gibt einen deutlichen Bruch zwischen den besagten drei Tagen und dem Rest von Antoines Leben, und nach diesem Bruch ist das Buch in meinen Augen deutlich schwächer als davor.


    Für mich liegt das vor allen an Antoine. Als Kind war er ein starker, wenn auch tragischer Charakter, aber ich hatte im zweiten Teil den Eindruck, dass seine Tat ihn in gewisser Weise in seiner charakterlichen Entwicklung gehemmt hat. Als Erwachsener kam er mir schwach vor, selbstsüchtig, unentschlossen, und das machte es schwer für mich, weiter so viele Emotionen in seine Geschichte zu investieren wie zuvor. Auch das Ende hatte für mich einen mehr als bitteren Beigeschmack – nicht so sehr wegen dem, was geschieht, sondern wegen dem, was stattdessen hätte geschehen sollen.


    Der Schreibstil hat mir überwiegend gut gefallen, auch wenn mir die Gedanken des 12-jährigen Antoine manchmal zu erwachsen für sein Alter schienen. Pierre Lemaitre schreibt meist ruhig, gelegentlich nüchtern, manchmal poetisch, aber er bleibt immer ganz nahe dran an seinem Protagonisten, so dass man auch aus eher schlichten Worten die Emotionen herauslesen kann.


    Fazit:
    Ein kurzer Moment der Wut führt zur Tragödie, und der 12-jährige Täter schweigt. Und schweigt. Und in diesem Schweigen verfolgt der Leser, was weiter geschieht. Pierre Lemaitre erzählt weder reißerisch noch sensationsheischend, und dennoch entwickelt die Geschichte eine dramatische Sogwirkung.


    Der erste Teil des Buches ist dicht geschrieben, wirft viele ethische Fragen auf und durchleuchtet ganz nebenher die sozialen Strukturen eines kleinen Ortes. Aber vor allem wird dieser Teil getragen von seinem überzeugenden Protagonisten, dem 12-jährigen Antoine. Der zweite Teil ist für mich deutlich schwächer, denn der erwachsene Antoine ist in gewissem Sinne nur noch ein Schatten seiner selbst.


    Zusammenfassend würde ich sagen, dass ich es auf keinen Fall bereue, das Buch gelesen zu haben, dass aber der zweite Teil nicht ganz halten kann, was der erste verspricht.

    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:
    Räubergeschichten sind und waren immer schon beliebt: Robin Hood, Hotzenplotz, der Schinderhannes oder Bonnie und Clyde – edle Volkshelden, spitzbübige Halunken oder gar schreckliche Unholde tummeln sich seit jeher in den Bänkelliedern und Moritaten, den Sagen und Märchen und Herdfeuergeschichten. Dabei besungen wird jedoch nur selten deren harte Lebenswirklichkeit.


    Astrid Fritz beschäftigt sich in ihrem Roman nicht nur mit dem Schinderhannes, einem der bekanntesten deutschen Räuber, sondern vor allem mit seinem 'Julchen', der Frau an seiner Seite, über deren Leben vergleichsweise wenig bekannt ist. Dabei beschönigt sie nichts, sondern schildert den Hunger und das Elend der armen Leute, die enorm hohe Kindersterblichkeit, die Machtlosigkeit des braven Bürgers und die Not des allseits verhassten Juden. Und obgleich Juliana von ihrem Schinderhannes über lange Jahre nichts Böses glauben mag, bekommt man als Leser doch eine sehr gute Vorstellung davon, dass auch ein allseits beliebter Räuberhäuptling seinen Ruhm sicher nicht erlangt, indem er seine Opfer schonte.


    Als Leser kann man nachvollziehen, was arme Menschen zur Zeit des Schinderhannes zur Räuberei trieb: Wer bei ehrlicher Arbeit halb verhungert und seine Kinder sterben sieht, hat nichts mehr zu verlieren. Dazu kommt noch der Groll gegen diejenigen, die scheinbar unverdient zum Gelde gekommen sind, auch wenn das oft nicht wahr und gerechtfertigt ist. Dennoch muss sogar Juliana nach und nach im Laufe ihres Lebens erkennen, dass das, was die Räuberbanden tun, nichts Edles an sich hat.


    Mir kam das Buch schlüssig und glaubhaft vor, mit genug Fakten, dass ich den Eindruck hatte, die Autorin habe alles gut recherchiert. Das Nachwort, in dem sie mehr über die Hintergründe schreibt, hat mich darin noch bestärkt.


    Das ist bei einem historischen Roman schon die halbe Miete, aber dennoch reichen harte Fakten alleine nicht aus – in dem Sinne sind wir wahrscheinlich gar nicht so weit entfernt von den Menschen, die sich früher auf den Märkten begierig um die Bänkelsänger scharten. Wir wollen unterhalten werden!


    Und das war hier der Fall – meistens.


    In manchen Kapiteln hatte das Buch für mich ein paar empfindliche Längen, wenn die Charaktere von hier nach da, dann dorthin und schließlich wieder zurück reisen. Das geht rund ums Jahr 1800 ja nicht so schnell, und durch das unstete Räuberleben sind der Schinderhannes und sein Julchen ständig unterwegs. Andere Kapitel flogen dafür nur so vorbei, und ich wollte doch immer wissen, wie es weitergehen würde mit den beiden. Dazu kamen spannende Einblicke in das Rechtssystem, das zu der Zeit im Umbruch war!


    Juliana ist eine sehr interessante Protagonistin, mit der ich mich jedoch erstmal anfreunden musste. Das liegt zum Teil sicher daran, dass mir die Schilderungen ihrer Handlungen und Gefühle oft eher nüchtern erschienen, so dass mich die Geschichte nicht immer emotional bewegen konnte und mir Juliana als Hauptfigur stets ein wenig fremd blieb.


    Dennoch hat mich durchweg interessiert, was sie noch erleben würde! Ihr Leben ist so gänzlich anders als das einer Frau in unserer Zeit, dass es alleine schon spannend ist, mitzuverfolgen, wie sie versucht, es selbstbestimmt in die Hand zu nehmen.


    Am Schinderhannes gefiel mir sehr gut, dass die Autorin ihn weder zum strahlenden Helden noch zum bösen Scheusal macht. Ich hatte das Gefühl, dass er im Grunde ein guter Mensch ist, der auf Abwege geraten ist, und dass er sein Julchen ehrlich liebt. aber er ist gleichzeitig ein schwacher Mensch, der sich immer mehr verzettelt in ein Leben, das er im Grunde selber nicht mehr will und dabei unentschuldbare Taten begeht.


    Die Liebesgeschichte hat etwas sehr Rührendes, trotz Gewalt und Mord und Räuberei, aber auch da kamen die Emotionen nicht immer voll und ganz bei mir an.


    Den Schreibstil fand ich angenehm und flüssig zu lesen – trotz einiger Ausdrücke aus der Gaunersprache Rotwelsch, die im Glossar erklärt werden. In meinen Augen erreicht die Autorin eine gute Balance: wenn die Räuber wirklich durchweg Rotwelsch sprechen würden, kämen die meisten Leser wohl nicht mehr mit, aber so ist es gerade genug, um der Sprache einen Hauch der Zeit zu verleihen.


    Fazit:
    Über den Räuber Schinderhannes wurde in den letzten 200 Jahren viel geschrieben, aber Astrid Fritz erzählt ihren Roman aus Sicht der Frau an seiner Seite: Juliana Blasius. Das Buch bietet einen gut recherchierten Einblick in die Lebenswirklichkeit der damaligen Menschen (insbesondere derer, die am Rande der Gesellschaft standen) und ist dabei unterhaltsam – wenn auch mit kleinen Schwächen. Die Charaktere sind interessant, auch wenn ihre Emotionen nicht immer bei mir ankamen. Besonders die Hauptfigur ist eine ungewöhnliche Frauengestalt, die es verdient hat, einmal aus dem Schatten des berühmten Schinderhannes herauszutreten.

    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:
    Die Thematik könnte den Nerv der Zeit kaum besser treffen – jetzt, wo rechtsorientierte Parteien nicht nur in Deutschland mehr und mehr Einfluss gewinnen und hasserfüllte Tiraden gegen Flüchtlinge und Menschen muslimischen Glaubens erschreckend gesellschaftsfähig geworden sind.


    Dazu kommt, dass Fikry El Azzouzi als Flame mit marrokanischen Wurzeln nicht nur weiß, wovon er spricht, sondern viel der Problematik selber erlebt hat. Diversität in der Literatur ist immens wichtig, und noch wichtiger ist es, dass nicht nur über Menschen geschrieben wird, die einer Minderheit angehören, sondern dass ihnen selber eine Stimme gegeben wird.


    Dennoch konnte mich das Buch letztendlich nicht überzeugen.


    Zum großen Teil lag das an Eva, aus deren Sicht die Geschichte erzählt wird. Sie geht Ayoub gegenüber direkt auf Konfrontation, mit schlechten Witzen über Selbstmordattentate und Extremismus. Ayoub bleibt gelassen (was sie ihm als Arroganz ankreidet) und kontert mit selbstironischem Humor, aber es dauert fast 50 Seiten, bis Eva ihn beim Namen nennt – davor ist er für sie nur "Abu Abwasch".


    Natürlich ergibt sich gerade dadurch eine interessante Situation: hier trifft eine junge Frau, die sich selber für aufgeklärt und tolerant hält, auf einen Menschen, der die Vorurteile zum Vorschein bringt, die viele von uns mehr oder weniger unbewusst mit uns tragen. Aber sie hinterfragt das im Laufe des Buches kaum, es gibt einfach einen Bruch, gefolgt von plötzlicher Aufgeklärtheit.


    Die Beziehung krankt an ganz anderen Dingen als dem Clash der Kulturen: Eva und Ayoub tun sich oft gegenseitig nicht gut, und das hat nur wenig mit seiner Religion zu tun. Evas Verhalten Ayoub gegenüber ist in manchen Szenen schlicht unentschuldbar. Würde umgekehrt ein Mann eine Frau so behandeln, wäre schnell von psychischer Gewalt die Rede. Im Streit sagt sie Sätze wie:


    »Wie blöd bist du eigentlich?«


    Und nachdem sie ihn schlägt (!!) und er sie abwehrt:


    »Fang jetzt nicht an, das Opfer zu spielen.«


    Auch ihre Träume sind enthüllend. In einem davon zertrümmert sie ihm das Nasenbein, spuckt ihm in den Mund, verhöhnt ihn:


    »Och, bist du etwa traurig, weil du ein bisschen Dreck schlucken musstest? Was für mich Dreck ist, ist für dich gerade gut genug.«


    Das ließ mich fassungslos und wütend zurück, gelinde gesagt. Eva fühlt sich schlecht deswegen, aber das reicht meines Erachtens nicht aus, da hätte ich mir mehr kritische Reflexion erwartet. Die Liebesgeschichte hatte für mich dadurch einen bitteren Beigeschmack.


    Ayoub selber ist sympathischer und zugänglicher, auf ruhige Art weise, bleibt aber über lange Passagen eher blass, weil er mehr als Spiegel für Evas Selbstfindung dient. Vielleicht hätte es dem Buch gut getan, wenn es aus seiner statt aus Evas Sicht geschrieben wäre.


    Andere Charaktere tauchen auf und verschwinden wieder, Potential ist vorhanden, wird aber nicht immer ausgeschöpft. Tragik wird in wenigen Absätzen heruntergespult, schockierende Ereignisse nehmen oft nicht den nötigen Raum ein, um beim Leser wirklich etwas zu bewegen.


    Alles geht schnell, sehr schnell. Nicht nur die Liebesgeschichte: nach einer Reihe von Terrorakten rutscht Europa ab in den Faschismus, Menschen muslimischen Glaubens werden gehasst, gefürchtet, ausgegrenzt. Am Horizont zeichnet sich ab, dass sie über kurz oder lang das Schicksal der Juden im Zweiten Weltkrieg teilen könnten.


    Dass es so viel Hass geben kann, ist weder unrealistisch noch überraschend – dennoch überschreitet das Buch für mich die Grenze dessen, was noch glaubhaft ist, wenn zum Beispiel demonstrierende Bauern ernsthaft davon überzeugt sind, dass Muslime Kinder essen. Auch die politische Umwälzung ging zu glatt, zu einfach. In einer Welt nach dem Dritten Reich sollten es die politischen Strukturen eines demokratischen Landes gar nicht zulassen, dass quasi über Nacht Gesetze erlassen werden, die zur systematischen Ausgrenzung einer Minderheit führen. Mir fehlten Erklärungen, wie genau das möglich gemacht wurde.


    Die Geschichte enthält vieles, was zum Nachdenken anregt, aber die Art und Weise, wie sie erzählt wird, tut dem nicht gut. Das liegt zum Teil daran, dass Eva eine problematische Erzählerin ist, aber auch am Schreibstil an sich: die Sätze sind meist kurz, viele der Dialoge klingen in meinen Ohren unnatürlich und gestellt. Es blitzt immer wieder ein Humor auf, der großartig sein könnte, im Kontext für mich aber untergeht.


    Gegen Ende gleitet die Geschichte dann mehr und mehr ab ins Merkwürdige, als sei die Grenze zwischen Evas psychedelischen Träumen und der Wirklichkeit durchlässig geworden. Zum Beispiel wird der Angriff eines Neonazis so vereitelt:


    "Plötzlich stößt ein Vogel vom Himmel herab und landet genau auf dem Auge des Kahlkopfs."


    Einfach so. Buchstäblich aus heiterem Himmel. Danach überrascht kaum noch, dass es anscheinend auch Telepathie und magische Amulette gibt.


    Das Ende konnte mich nicht mehr bewegen, weil es zu erwarten war und gleichzeitig den Bogen überspannt – zum dem Zeitpunkt war meine Bereitschaft, Geschehnisse einfach zu glauben, bereits überstrapaziert.


    Fazit:
    Es geht um eine Liebesgeschichte zwischen zwei Kulturen, und das vor dem Hintergrund eines Belgiens, das nach einer Reihe von Terroranschlägen mehr und mehr abdriftet in eine von Angst und Hass gesteuerte Politik. Die angesprochenen Themen sind brandaktuell und wichtig, dennoch konnte mich das Buch nicht überzeugen: zum einen ist Eva, die weibliche Hauptfigur, in meinen Augen sehr problematisch (was nicht ausreichend hinterfragt wird), zum anderen entwickeln sich die Dinge rasend schnell, so dass die Geschichte manchmal zwangsläufig an der Oberfläche bleibt.


    Ich hatte mir von "Sie allein" mehr erwartet – vielleicht bin ich aber auch einfach nicht die richtige Leserin für dieses Buch? Die außergewöhnlichsten Bücher sind schließlich meist die, die polarisieren. Mir war vieles zu plakativ, manches (besonders gegen Ende) kam mir weder schlüssig noch glaubhaft vor.

    Von Wasserleichen, Bunkeranlagen, Goldrausch und Rentieren
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:
    Meine Erwartungen waren hoch, weil ich a) Krimis liebe, b) selber schon ein paar Mal in Tromsø war und c) die Geschichte der Besatzung Norwegens durch die Deutschen im Zweiten Weltkrieg sehr spannend finde, da dort meine eigenen Wurzeln liegen. (Meine Großmutter ist Norwegerin, mein Großvater war damals als deutscher Soldat in Norwegen stationiert.)


    Es ist immer etwas heikel, wenn man an ein Buch mit hohen Erwartungen herangeht, denn dann kann man ganz schon tief fallen...


    Konnte "Goldkap" meine Erwartungen erfüllen? Mein Fazit:


    An einer Stelle sagt ein Charakter:
    "Zuerst war es nur eine Leiche, dann ein Mord, dann hatten wir plötzlich einen Goldschatz und ein ganzes Schlachtschiff, eine Nationalbank, die Angst um die Stabilität der Währung hat, jetzt haben wir auf einmal noch die Kriegskinder am Hals. Was kommt denn da als nächstes? Eine explodierende Bohrinsel? Eine Epidemie unter den Rentieren?"


    Originalität:
    Hier kommt wirklich einiges an Themen zusammen, in der Gegenwart und in Einschüben mit Szenen aus dem Norwegen des Zweiten Weltkriegs. Ich fand die Mischung einfallsreich, gut umgesetzt, in sich schlüssig und rundum ansprechend.


    Spannung:
    Das Buch ist auf verschiedenen Ebenen spannend! Mal klassischer Krimi, mal Kriegsdrama, mal hat es sogar Anflüge von Indiana Jones, wenn eine Gruppe von Menschen einen Bunker erforscht, der nach 70 Jahren erstmals aufgebrochen wurde. Für mich ein echter Pageturner.


    Schreibstil:
    Der Autor schreibt Szenen voll dichter, lebendiger Atmosphäre. In manchen davon kann man die unheilvolle Stimmung nur so spüren, in anderen habe ich aufgelacht oder wenigstens geschmunzelt... So oder so hat mich der Schreibstil immer stark angesprochen.


    Charaktere:
    Der Autor schafft es, dem Leser einen Charakter in wenigen Worten nahe zu bringen, mit all seinen Vorzügen, Charakterschwächen und Schrullen. Dabei nimmt er oft die Eigenheiten und das Lebensgefühl verschiedener Nationalitäten aufs Korn – und das fand ich oft wirklich lustig.


    Fazit:
    "Goldkap" konnte mich als Krimi mit Regionalflair überzeugen – statt der Eifel oder Ostfriesland ist es hier jedoch der ganz hohe Norden jenseits des Polarkreises. Da trifft Krimispannung auf nordnorwegisches Lebensgefühl, inklusive der regionalen Eigenheiten und Schrullen, und dazu kommt noch, dass der Mordfall mit Geschehnissen aus der Zeit der deutschen Besatzung Norwegens zu tun hat, was ich auch sehr interessant fand.

    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:
    Die Welt der Elementarsturm-Chroniken ist unglaublich komplex und strotzt nur so vor originellen Einfällen abseits der Fantasyklischees. Elfen, Orks und Zwerge sucht man hier vergebens, dafür gibt es mehrere eigens erdachte Völker, die jeweils eine lange Geschichte, eigene Herrschaftssysteme, eigene Religionen und einzigartige Formen der Magie mitbringen. Da kann einem schon mal der Kopf schwirren, und bei der Vielzahl der handelnden Charaktere war ich dankbar für das Personenverzeichnis am Anfang des Buches! Manchmal fiel es mir dennoch schwer, den Überblick zu behalten, gerade weil sich die Geschichte nicht nur über zwei Welten, sondern auch jeweils über zwei Zeitebenen erstreckt.


    Aber ich war sehr beeindruckt von der Vielfalt und dem Reichtum an bunten Details, die sich stimmig ins Gesamtbild fügen. Besonders das interessante Magiesystem hatte es mir angetan!


    Viele Szenen sind sehr cineastisch geschrieben, mit rasantem Tempo und viel Action. Das liest sich spannend und unterhaltsam, ist in meinen Augen allerdings nicht immer hundertprozentig logisch und glaubwürdig und enthält auch ein paar typische Filmklischees – zum Beispiel rast ein aufgemotzter Oldtimer mit 200 Sachen in eine Kurve, und der Fahrer bringt das Auto scheinbar mühelos noch in der Kurve zum Stehen. Das überspannte für mich gelegentlich ein wenig den Bogen!


    In manchen Szenen fand ich den Schreibstil großartig, mit einer dichten, lebendigen Atmosphäre, so dass man alles wirklich vor sich sehen und miterleben kann. Dann gab es wieder Passagen, in denen mir der Schreibstil eher flach erschien, mit relativ kurzen Sätzen


    Ein paar Dinge hätten sich meines Erachtens mit einem guten Lektorat / Korrektorat vermeiden lassen, wie zum Beispiel zahlreiche Wiederholungen von Wörtern und Phrasen, Rechtschreib- und Kommafehler oder verwirrende Perspektivwechsel innerhalb einer Szene oder sogar eines Abschnitts. Auch inhaltlich fielen mir ein paar Entwicklungen störend auf, wie zum Beispiel völlig überzogene Missverständnisse, die die Geschichte eher forciert in eine bestimmte Richtung lenken.


    Die wichtigsten Charakter wirkten auf mich überwiegend sehr gut geschrieben, stimmig, authentisch und glaubhaft. Einige davon habe ich ins Herz geschlossen und mit ihnen mitgefiebert und mitgelitten, manchmal auch über ihre Schrullen und Eigenheiten gelacht.


    Allerdings muss ich auch hier leichte Abstriche machen.


    Die emotionalen Reaktionen waren für mich zum Teil nicht angemessen. Einige Charaktere reagieren auch auf drastische und dramatische Entwicklungen seltsam gelassen: so stirbt in einer Szene ein Charakter plötzlich und unerwartet vor den Augen des Mannes, der seit über 700 Jahren (!!) sein Geliebter war, und der reißt sich innerhalb eines Absatzes, gefühlt innerhalb weniger Minuten, zusammen. Gut, die Situation ist prekär und erfordert rasches Handeln, aber dennoch... Nur ein paar Szenen später wird sein Gesichtsausdruck als ruhig und entspannt beschrieben.


    Besonders die weiblichen Charaktere sind meines Empfindens klischeebehaftet, und das fängt bei ihrer Kleidung an: die eine trägt martialische schwarze Lederunterwäsche (wie genau sieht martialische Unterwäsche aus?!), die andere eine hautenge Rüstung, die scheinbar einen tiefen Ausschnitt hat... Also typische Filmrüstung – Xena und Co. lassen grüßen!


    Es gibt eine Liebesgeschichte, die für mich völlig aus dem Nichts kam. Die beiden Charaktere haben weder Zeit noch Muße, sich kennenzulernen, aber die starke Kriegerprinzessin verwandelt sich plötzlich in ein Mädchen, das errötet und quiekt (!!) und natürlich auch bald schon auf seinen starken Armen davongetragen werden muss. Schade, denn die weiblichen Charaktere hätten das Potential, wirklich starke Charaktere zu sein.


    Abschließend möchte ich sagen, dass der Autor erfreulicherweise offen für Kritik ist und der zweite Sammelband auf jeden Fall ein Lektorat erhalten wird. Nach meinen letzten Informationen ist auch im Gespräch, den ersten Sammelband noch einmal zu überarbeiten.


    Fazit:
    Die großen Pluspunkte des Buches sind für mich die komplexe Welt und die vielen originellen Ideen, die der Autor in seine Geschichte einfließen lässt, auch wenn es dadurch manchmal schwer ist, den Überblick zu behalten. Der Schreibstil hat zahlreiche großartige Momente, die Charaktere haben alle viel Potential – jedoch beides mit Abstrichen. Für mein Empfinden liest sich die Geschichte zum Teil zu sehr wie ein Film, inklusive der üblichen Filmklischees, und der Schreibstil verläuft streckenweise etwas holprig. Gerade die weiblichen Charaktere werden in meinen Augen zu sehr auf Klischees reduziert, obwohl die männlichen zum Teil sehr glaubhaft und überzeugend wirken.


    Aber im Großen und Ganzen hat mich das Buch gut unterhalten und auch neugierig auf die Fortsetzung gemacht, für die ein Lektorat geplant ist, das hoffentlich ein paar der Kritikpunkte ausbügeln wird.

    Wer hat hier Angst?
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:
    Anwalt Nicholas Meller ist ein echter 'Underdog', also ein Typ, dem niemand große Heldentaten zutrauen würde. Dann stolpert er jedoch mitten hinein in die Ermittlungen eines Mordfalls, den die Polizei schon so gut wie geklärt wähnt, und muss über sich hinauswachsen, um die Wahrheit aufzudecken, die niemand sonst sehen will. Dazu kommen ein paar zwielichtige Freunde aus dem kriminellen Milieu, ein hochintelligenter Serienkiller und eine hübsche Frau, die Nicholas unterstützend zur Seite steht. Plus ein bisschen SM, häusliche Gewalt und die ein oder andere Szene, wo es verdammt knapp wird für unsere Helden.


    Konnte ich mir super um 20:15 im deutschen Fernsehen vorstellen! (Was durchaus seinen Grund hat, mehr dazu weiter unten.) Aber ist das auch originell? In meinen Augen: ja, denn die Mischung machts!


    Nicholas ist vielleicht ein Underdog, aber er ist darüber hinaus ein interessanter, authentischer Charakter. Sympathisch fand ich ihn am Anfang nicht – er ist nicht nur stinkfaul, sondern ein echter Chauvi. Das Buch beginnt damit, dass er eine Frau zum Vorstellungsgespräch für eine Praktikantenstelle bittet, weil sie auf ihrem Bewerbungsfoto attraktiv aussah, und irritiert ist, als sich herausstellt, dass sie nur einen Arm hat. Seine Gedanken sind da schonungslos ehrlich: nein, er hätte Nina wohl nicht eingeladen, wenn er das gewusst hätte. Nein, ausgehen würde er mit einer Frau mit ihr wahrscheinlich auch nicht. Er stellt sie ein, löchert sie mit persönlichen Fragen und reißt Witze darüber, dass sie die Quotenbehinderte ist. An dieser Stelle hätte ich ihm am liebsten eine gescheuert.


    Aber ja, er wächst im Verlaufe der Handlung an seinen Erlebnissen. Ein perfekter Mensch wird aus ihm nicht, aber einer, den man mögen kann.


    Nina dagegen ist von Anfang an eine Protagonistin nach meinem Geschmack. Sie ist eine starke Frau, die sich von so einer Kleinigkeit wie einem fehlenden rechten Arm nicht aufhalten lässt und eher genervt reagiert, wenn Nicholas meint, ihr beim Packen von Päckchen helfen zu müssen. Definitiv keine Prinzessin in Nöten, bravo!


    Auch die anderen Charaktere fand ich gut und überzeugend geschrieben. Besonders interessant fand ich die, die irgendwo zwischen gut und böse angesiedelt sind. Sollte man einem Mann die Daumen drücken, der mitgeholfen hat, einen Mord zu vertuschen? Wahrscheinlich nicht, aber ich habe mich dabei ertappt.


    Die Liebesgeschichte hätte es für mein Empfinden nicht unbedingt gebraucht, aber gut, wenn sie schon mal da war... Sie entwickelte sich für meinen Geschmack ein wenig zu schnell, war dafür aber (meist) nicht so kitschig und drängte die eigentliche Handlung nicht zu sehr in den Hintergrund.


    Die meisten Pluspunkte im Bereich "Originalität" gab es von mir für die Konstruktion der Mordfälle. Die Kriterien, nach denen der Mörder seine Opfer auswählt, und die Planung seiner Taten waren wirklich interessant und mal was Neues!


    Allerdings war ich am Ende von der Auflösung etwas enttäuscht, denn da erklärt der Autor meines Erachtens den Mörder zu Tode. Das kam mir ein bisschen vor wie eine Checkliste: Vorgehensweise, Psychopathologie, Trauma, und sobald das abgehakt war, ging alles sehr schnell. Am Schluss setzt das Buch zwar noch einmal eine unerwartete Wendung drauf, aber die hat mich nicht hunderprozentig überzeugt, sondern kam mir etwas zu konstruiert vor.


    Das Schreiben ist Lorenz Stassen als langjährigem Drehbuchautor nicht fremd, und diesen Hintergrund merkt man auch: viele Passagen konnte ich mir gut als Filmszenen vorstellen. Gelegentlich fehlten mir nähere Erklärungen oder mir erschien nicht alles schlüssig – in einem Film sieht man darüber leichter hinweg. Ein paar Entwicklungen waren mir auch zu praktisch: unsere Helden sind zum Beispiel in einer Notlage, und prompt tauchen ein paar harte Kerle aus dem Nichts auf, um sie zu retten, und reiten dann in den Sonnenuntergang. (Oder so ähnlich.)


    Der Schreibstil war mir oft etwas zu einfach, mit kurzen Sätzen. Spannend und unterhaltsam fand ich das Buch jedoch durchweg, ich hatte es sehr schnell durch!


    Fazit:
    Lorenz Stassen liefert mit "Angstmörder" ein solides Thriller-Debüt ab, das mich trotz kleiner Schwächen und Kritikpunkte überzeugen konnte. Der größte Pluspunkt ist in meinen Augen, wie originell und interessant die Taten des Mörders konstruiert sind – das kann für mich auch ein leicht schwächelndes Ende ausgleichen! Ich werde den Autor definitiv im Auge behalten.

    Lebt von der Dynamik zwischen Zorn und Schröder
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:
    Dies ist der dritte Band der Reihe. Und da ich in meinen Rezensionen zu den ersten beiden Bänden schon einiges über Charaktere, Schreibstil und den ganzen Rest geschrieben habe, fasse ich mich nun kurz:


    Originalität: Zorn und Schröder sind nach wie vor der Knaller – ein so schräges und doch irgendwie perfektes Ermittlerduo sieht man nun wirklich nur selten. Oder sind sie sogar einzigartig? Leider kann die Handlung da in meinen Augen nicht ganz mithalten: die fängt zwar stark an und hat enorm viel Potential, schöpft es aber nicht vollends aus.


    Spannung: Der Autor lässt sich zu früh in die Karten schauen. Die Auflösung hat wohl auch unerwartete Aspekte zu bieten, vieles ist jedoch keine große Überraschung mehr.


    Logik / Schlüssigkeit: Eigentlich ist der Fall ziemlich komplex, auch wenn das etwas untergeht, weil man als Leser zu früh zu viel erfährt. Obwohl die Spannung dadurch etwas verpufft, fand ich den Fall solide konstruiert, da passen die Puzzlesteine sauber und ohne Logiklücken zusammen.


    Charaktere: Wie schon gesagt, Zorn und Schröder sind ganz großes Kino. Männerfreundschaft, wie sie rührender, witziger, absurder und problematischer nicht sein könnte. In meinen Augen sind die beiden als Charaktere stark genug, um auch einen mittelmäßigen Fall zu einem guten Buch zu machen – ich würde mir aber für den nächsten Band wünschen, dass sie in einem richtig erstklassigen Fall brillieren dürfen. Ewig lässt sich eine Reihe nicht nur durch gute Charakterzeichnung tragen.


    Erstaunlich fand ich, was für düstere Aspekte Schröders Leben hat (wie es sich ja auch im zweiten Band schon abgezeichnet hat), da hoffe ich noch auf eine nähere Erklärung in den Folgebänden.


    Schreibstil: Niemand kann einen faulen, überforderten Kommissar, der keinen Bock auf gar nix hat, so überzeugend schreiben wie Stephan Ludwig, und das noch so, dass es richtig Spaß macht. Dabei beherrscht er nicht nur den trägen Sarkasmus, den ich mit Claudius Zorn verbinde, sondern schüttelt bei Bedarf auch echte Tragik und zwischenmenschliche Nuancen aus dem Ärmel. Und der Humor ist vom Allerfeinsten (wenn man seinen Humor tiefschwarz und ein bisschen böse mag).


    Fazit:
    Ohne Zorn und Schröder wäre dies wohl ein Buch, das ich lese und dann achselzuckend in den nächsten öffentlichen Bücherschrank stelle. Der Fall an sich konnte mich nicht vollkommen überzeugen. Die beiden gegensätzlichen Ermittler sind jedoch so lebendig, authentisch, liebenswert, schwierig, witzig, tragisch und rührend, je nach Situation, dass ich auch den dritten Band der Reihe wieder sehr gerne gelesen habe.