Meine Intention
Auch wenn bereits eine sehr schöne Rezension von Magdalena vorhanden ist, so möchte ich diese noch durch meine eigenen Erfahrungen ergänzen.
Über den Autor
Patrick O'Brian, 1914 in England geboren, hatte nach einer von mehreren Krankheiten durchwachsenen Jugend im zweiten Weltkrieg als Agent seines Heimatlandes gedient. Nach dem Krieg heiratete er ein zweites mal und lies sich mit seiner Frau in Südfrankreich nieder um seiner Leidenschaft, dem Schreiben, nachzugehen. Hier entwarf er die Bücherreihe, die heute als "Aubrey-Maturin-Serie" bekannt ist und sogar unter dem Namen "Master and Commander" verfilmt wurde. Leider konnte O'Brian den Film von Peter Weir nicht mehr selbst erleben, da er im Januar 2000 im alter von 85 Jahren verstarb.
"Kurs auf Spaniens Küste" ist das erste Buch dieser unvollendeten Reihe.
Inhalt
Während eines Konzerts in Port Mahon, einem Marinehafen auf der Mittelmeerinsel Menorcan des Jahres 1800, lernen sich Jack Aubrey, ein überzeugter Leutnant der britischen Marine und Stephen Maturin, ein Philosoph, Naturforscher und Arzt kennen. Doch dieses Kennenlernen führte, aufgrund der sehr unterschiedlichen Charaktereigenschaften und verschiedener Ansichten von "Taktgefühl" (Hinweis: Wer das Buch gelesen hat wird wissen, was gemeint ist ), beinahe zur Aufforderung zu einem Duell. Wenn man einem der beiden in dieser Situation gesagt hätte, dass dies der Anfang einer langen Freundschaft sein soll, hätte man vermutlich selbst die Aufforderung zu einem Duell erhalten.
Aber es kommt alles anders: Jack Aubrey erhält das Kommando über die kleine Brigg-Sloop "HMS Sophie" und seine Stimmung steigert sich vom Tiefschwarz des Alls zum gleißenden Licht aller bekannten Heiligen und bei einem zufälligen zweiten Treffen der beiden Charaktere, bei dem Dr. Maturin bereits auf das Schlimmste gefasst ist, entdecken diese ihre einzige große Gemeinsamkeit: Die Liebe zur Musik. Private Nöte, das Fehlen eines Schiffsarztes auf dem kleinen Kriegsschiff, die Neugier auf die große weite Welt, ihre Flora und Fauna und der wohlwollende Charakter Jack Aubreys bringen Stephen dazu, sich an Bord zu gesellen.
Patrick O'Brian nimmt den Leser mit auf eine Reise durch das Mittelmeer. Die Gefahren, die hier auf die "HMS Sophie" warten, sind nicht nur durch den Feind verursacht...
Mein Fazit
Ich habe den Inhalt bewusst kurz gehalten und eigentlich nur das erste Kapitel beschrieben, da die Reise der "HMS Sophie" spannender ist wenn man, wie Stephen Maturin selbst, noch keine Ahnung hat, was da auf einen zukommt.
Patrick O'Brian schafft es gekonnt seine Charaktere scharf zu zeichnen und geht hierbei sehr in die Tiefe. Dies erreicht er beispielsweise dadurch, dass Stephan Maturin ein Tagebuch führt um seinen philosophischen Tendenzen freien Lauf zu lassen. Die Persönlichkeit der Protagonisten wird dabei nicht direkt beschrieben, man erfährt fast alles aus den Taten, Entscheidungen und Erinnerungen. Dies betrifft auch andere Personen, wie den ersten Offizier James Dillon.
Ebenso tiefgründig wird die militärische Seefahrt im 18. Jahrhundert beschrieben. Den Abschnitt über das Exerzieren an den Kanonen habe ich sogar in einem Sachbuch ("Krieg unter Segeln" / ASIN: B00IDXIWEM) zitiert wiedergefunden. Teilweise wird man durch die seemännischen Ausdrücke nahezu erschlagen, jedoch findet man am Ende des Buches ein Glossar und das Schaubild eines Segelschiffes des 18. Jahrhunderts, um stets nachvollziehen zu können, welches Segel oder Tau gerade gemeint ist. Eingeführt wird man hier sehr vorsichtig durch Dr. Maturin, der, ebenfalls neu an Bord, von Seefahrt so viel versteht wie ein Bergmann vom Fliegen und von der Besatzung stets mit Samthandschuhen angefasst wird, sobald er versucht, das sichere Deck zu verlassen.
Die Handlung ist dabei nicht geradlinig und folgt auch nicht dem Standardmuster. Es gibt mehrere Höhepunkte und überraschende Wendungen, man fühlt direkt mit, dass eine Seereise im "Zeitalter der Segel" ein sehr ungewisses und gefährliches Unterfangen war, bei dem man nie voraussagen konnte, was als nächstes geschieht.
O'Brians Schreibstil würde ich in einem Wort als "indirekt" bezeichnen. Selten werden Dinge, von nautischen Gegebenheiten mal abgesehen, genau erläutert, man erfährt vieles aus dem Kontext und muss sich auf das Buch einlassen. Verwoben in diesem Stil findet man einen sehr feinen Humor, so geht Stephen Maturin in einem Sturm an Deck weil er "lieber an der frischen Luft sterben möchte", während die erfahrenen Seeleute noch nichts Schlimmes an der Situation finden können, dies aber lieber verheimlichen.
"Kurs auf Spaniens Küste" ist ein großartiger Start in eine Serie von 21 Büchern (wovon ich Stand heute knapp fünf gelesen habe).
Empfehlen möchte ich dieses Buch allen, die gerne historische Romane lesen (vor allem zur Zeit der Napoleonischen Kriege) und tiefgründige Charaktere mögen. Auch sollte eine gewisse Affinität zur Seefahrt vorhanden sein, da die "HMS Sophie" mit ihrer Besatzung und Bordroutine eine sehr große Rolle spielt.
Bewertung:
Wenn man sich in oben genannten Anforderungen wiederfindet, hat "Kurs auf Spaniens Küste" die 5 Sterne voll und ganz verdient. Selten bin ich so tief in eine Geschichte gesunken und kein Buch habe ich öfter gelesen. Zugreifen!