Kleine Vorabinfo: Ich habe die englische Ausgabe gelesen und weiß nicht recht, wie gewisse Begriffe für die deutsche Ausgabe übersetzt wurde, deshalb bleibe ich bei der Originalsprache.
Eine Schule wird dem Erdboden gleichgemacht, aber am nächsten Tag weiß es niemand mehr. Denn die Gesellschaft ist geblendet von dem Leben der Schönen und Begabten - der Spinsters (dt. ~Webjungfer). Sie sicher die Existenz von Arras und bilden gleichzeitig die Fassade der ständigen Unterdrückung. Adelice will vor allem eins nicht: eine Spinster werden, auch wenn sie das Talent dafür hat. Lieber möchte sie die letzte Zeit ihrer Jugend bei ihren Eltern verbringen, mit 16 heiraten und Lehrerin werden. Aber sie macht einen Fehler und darf gemeinsam mit dem Leser hautnah erleben, welche Spiele die Mächtigen von Arras spielen.
Der englische Klappentext (den ich bewusst nicht hierhin setze) weckt ein wenig falsche Erwartungen an ein Buch, dass vor allem von Flucht handelt. Von einer Flucht vor der Regierung und dem unbekannten Leben als Spinster. Dann schwenkt die Handlung kurz auf eine Art Schulleben um, um sich schließlich in einer Mischung aus Rebellion, "Tribute von Panem"-Siegertour und Turteleien mit mehreren männlichen Wesen. Es fehlt ein wenig die Struktur, aber wenigstens ist die Geschichte recht unterhaltsam und bietet immer mal wieder neue Dinge an, über die es nachzudenken gilt. Allen voran stellt sich die Frage, was genau Arras eigentlich ist, denn Ähnlichkeiten mit der Erde gibt es nicht wirklich. Das Land und alles darauf besteht aus Fäden, die die ausschließlich weiblichen Spinster mit Looms (dt. ~Webstuhl) kontrollieren. Sie können in einem Augenblick Nahrung durch das ganze Land transportieren und im nächsten Menschen aus dem Leben reißen - im wahrsten Sinne des Wortes. Es gibt so einiges, was in diesem Szenario enthüllt werden kann. Die größte Offenbarung fällt dabei unglaublich unspektakulär aus, bietet aber gleichzeitig die Basis für die Nachfolger.
Das Figureninventar besteht zum Großteil aus von zahlreichen Jugendbüchern recycelten Charakteren, was aber erwartbar ist. Adelice selber ist auch keine große Überraschung, sorgt aber mit ihrer unverwüstlichen Art für Konflikte, die nicht unbedingt gleich eine Revolution anzetteln müssen. Ein bisschen Alltagsgeplänkel ist auch dabei. Manche Figuren könnten in meinen Augen etwas mehr Raum haben mit ihren Handlungssträngen. Zumindest bei einer Beziehung ist die bloße Thematisierung eine Seltenheit in vergleichbaren Büchern.
Kleines Manko, was vielleicht einfach an meinem Englischwortschatz liegt, ist die Verständlichkeit der Arbeit der Spinster. Dieses Wortfeld über Näherei ist spätestens bei metaphorischen Verwendungen ein Problem. Die ganzen Erklärungen dazu sind mir deshalb sehr unverständlich geblieben und da das am Ende wieder von enormer Wichtigkeit ist, bin ich gar nicht so sicher, was da überhaupt passiert ist. Leider lohnt es sich auch nicht, die deutsche Ausgabe zu kaufen, weil bisher nur ein Band erschienen ist und es nicht so aussieht, als würde der Rest noch folgen. Vor allem ist mir immer noch rätselhaft, wie der deutsche Titel "Cocoon - Die Lichtfängerin" zustande kommt, weil ich keinen der Teile mit irgendetwas Inhaltlichem verbinden kann.
Insgesamt ist die Geschichte kurzweilig und nicht gerade anspruchsvoll, erschüttert zwischenzeitlich und spricht auch mal für solche Bücher ungewöhnliche Themen an. Das Liebesgeplänkel hält sich auch noch in Grenzen und die Fortsetzungen könnten gut werden.