Brian Freemantle - Agentenpoker / Charlie Muffin

  • Der Autor (Wikipedia): Der am 10. Juni 1936 in Southampton geborene Brian Harry Freemantle ist ein britischer Autor vor allem von Spionageromanen, die sich besonders durch Härte und Realismus auszeichnen.
    Kurz nach seinem Schulabschluss trat er seine erste Stelle als Journalist an. Bis 1975 war er als Reporter, Redakteur und Korrespondent in mehr als dreißig Ländern tätig, unter anderem der Sowjetunion und Vietnam, was sich in einigen seiner Romane niederschlägt. 1975 organisierte er den einzigen britisch initiierten Abtransport vietnamesischer Waisenkinder aus dem vom Vietcong eingeschlossenen Saigon. Danach gab er den Journalismus auf und arbeitete als Vollzeit-Schriftsteller. Den großen Durchbruch hatte er 1977 mit dem Spionageroman „Charlie Muffin“, dem Beginn einer bis 2013 auf 16 Bände angewachsenen Reihe. 1979 wurde der erste Roman mit David Hemmings in der Titelrolle von Jack Gold für das britische Fernsehen verfilmt.
    Außerdem schrieb Freemantle auch Sachbücher über den KGB, die CIA und die internationale Organisierte Kriminalität. Freemantle schrieb auch unter den Pseudonymen John Maxwell, Jonathan Evans, Richard Gant, Jack Winchester und Harry Asher, allerdings wurden die meisten, im Original unter Pseudonym erschienenen Romane, in Deutschland unter seinem richtigen Namen veröffentlicht.


    Inhalt (Buchumschlag): Berenkow, der russische Meisterspion, ist vom englischen Geheimdienst enttarnt und gefaßt worden. Der Löwenanteil am Erfolg gehört Charlie Muffin, einem alten Hasen in diesem Geschäft. Doch seine Kollegen gönnen ihm diesen Triumph nicht. Sie wollen ihn in eine Falle der Russen laufen lassen. Dann wären Sie ihn für immer los. Aber so leicht läßt sich Charlie nicht austricksen …


    Das britische Original des Romans erschien 1977 bei Cape in London als „Charlie Muffin“, in den USA 1977 bei Doubleday als „Charlie M“. Die deutsche Übersetzung von Michael K. Georgi wurde 1980 als Ullstein-Krimi 10045 veröffentlicht.


    Charlie Muffin ist ein etwas verlottert aussehender – er trägt Schuhe, bis die Sohlen Löcher bekommen und es viel regnet -, aber hervorragender britischer Spion, der überall aneckt, wenn er Borniertheit wittert. Seine akademisch gebildeten, karrieregeilen Upper-Class-Kollegen betrachten ihn sämtlich als Anachronismus und als perfektes Opferlamm. Sie nehmen ihn nicht für voll und darum unterschätzen sie ihn sträflich. Ihrem Snobismus der feinen Sitten setzt er einen Snobismus des Rechthabens entgegen: Er kann es nicht lassen, anderen ihre Fehler oder Schwachstellen immer wieder aufs Brot zu schmieren. Ein sensibler Mann, der immer wieder gezwungen ist, grausam zu sein und gewissenlos zu handeln. Ein Überlebenskünstler. All diese Ambivalenzen machen Charlie Muffin zu einer außerordentlich tollen und vielschichtigen Figur. Interessant eben auch, da er, um es ihnen heimzuzahlen, im Grunde genau die gleichen verwerflichen Methoden anwendet wie seine Gegenspieler in den eigenen Reihen. Die Zeiten der literarischen Heldenverehrung der Berufsspione sind lange vorbei und die westlichen Geheimdienste scheinen nur noch mit privaten Kleinkriegen beschäftigt zu sein.


    „Agentenpoker“ ist kein komischer, aber mit doch sehr spöttischem Humor erzählter Agententhriller aus der Zeit des Kalten Krieges. Nach einem Wechsel in der Chefetage soll Charlie von den geschniegelten neuen Vorgesetzten ausrangiert und geopfert werden – nicht etwa aus „strategischen“ Gründen, sondern allein aus menschlicher Niedertracht. Eine Gelegenheit dazu ergibt sich, als die westlichen Nachrichtendienste von einem hohen KGB-General erfahren, der vermeintlich überlaufen will. Nur Charlie Muffin vermutet eine Falle – und inszeniert ein unglaublich effektives falsches Spiel. Weiter hülle ich mich in Schweigen, doch wie er es schafft, seine unfähigen Vorgesetzten in ihrer ganzen Dummheit bloßzustellen, ist richtig, richtig gut! :shock:


    Ein traumhaft guter Spionageroman. Klasse sind nicht zuletzt die Szenen, in denen westliche Agenten an den KGB-General heranstreten und aus vermeintlich harmlosen, aber vielsagenden Gesprächsfetzen zu deuten versuchen, ob er nun überlaufen will oder nicht. Spannend, schön verwickelt und ohne Plotlöcher konstruiert, sehr lakonisch mit liebenswerter Hauptfigur, vergisst bei allem Spott nicht den Ernst der Lage: Auch wenn das Spiel der Nachrichtendienste wie eine Kindergartenbalgerei verwöhnter Bälger wirkt, werden eben doch moralische Grenzen überschritten, Menschen getötet und Leben zerstört. Hart, durchdacht und deprimierend realistisch. :thumleft:
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    White "Die Erkundung von Selborne" (115/397)

    Kellendonk "Buchstabe und Geist" (83/170)

    Figura/Mizielińscy "Wölfe" (89/262)


    :king: Jahresbeste: Gray (2024), Brookner (2023), Mizielińscy (2022), Lorenzen (2021), Jansson (2020), Lieberman (2019), Ferris (2018), Cather (2017), Tomine (2016), Raymond (2015)

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    O:-) Letzter Kauf: Kuhl "Helenes Familie" (23.04.)

  • Eine UK-Neuauflage von Random House von 1994 unter dem britischen Titel "Charlie Muffin".

    White "Die Erkundung von Selborne" (115/397)

    Kellendonk "Buchstabe und Geist" (83/170)

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  • Und als Kindle-Ausgabe unter dem US-Titel "Charlie M".

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  • Es gibt auch eine gute Verfilmung dieses Buches, schau mal hier:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Charlie_Muffin
    Ich hätte so gerne diesen Film, weil er in Wien gedreht wurde und zum Teil im Gasthaus meines Onkels, der auch zu sehen ist und leider schon gestorben ist. Leider kann ich ihn nirgendwo auftreiben. :cry:

    Oh, was für ein schöner Bezug zu dem Film. Da muss doch was zu machen sein! Mal bei Youtube schauen ... :-k Den Film würde ich auch nur zu gerne mal sehen. Früher lief "sowas" doch dauernd im Fernsehen ... Der etwas aufgeschwemmte David Hemmings scheint mir wirklich die Optimalbesetzung für die Rolle des Charlie Muffin zu sein. Und Pinkas Braun als KGB-General ... :thumleft:

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