Gisbert Strotdrees - Tatort Dorf

  • Kurzmeinung

    Ambermoon
    Interessante Einblicke in historische Kriminalfälle aus Dörfern, sowie in die Geschichte selbst
  • Meinung:
    Die Landwirtschaftsverlag GmbH hat mit 'Tatort Dorf: Historische Kriminalfälle vom Land.' eine Sammlung historischer Kriminalfälle veröffentlicht die nicht in den großen und oft so kriminellen Städten stattfanden, sondern das beschauliche Landleben erschütterten.
    Die Aufzeichnungen beginnen im Mittelalter um 1225 und enden mit dem letzten Fall 1966. Zu jedem Vorfall wird, soweit bekannt der Verlauf geschildert, die beteiligten Personen benannt und auch wie der Täter gefunden wurde und was mit ihm geschah.


    Teilweise sind es Aufzählungen von verschiedenen Delikten, die in einem Buch aufgeführt wurden und damals wie heute geahndet wurden - Raub, Gewalt, Mord. Das Landleben ist nicht immer besinnlich und friedlich.


    Besonders interessant sind dann die größeren Verbrechen. Ein Mord an einem Bischof zum Beispiel. Hier wird dann ein wenig was von dem Toten berichtet und eine kleine Geschichte aufgebaut.


    Das Buch ist etwas für jeden Krimifan und ich kann es definitiv empfehlen. Lediglich ein Abschnitt hatte es mir nicht so angetan, aber das geht sicher jedem anders.


    Fazit: :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

  • Ein Erzbischof wird im Wald erschlagen. Ein Torfstecher findet eine Leiche im Moor. Eine Lehrerin wird von einem Verehrer verfolgt, bis er sie in der Bauernschaftsschule aufspürt und ein Messer zückt. Von rund 30 historischen Kriminalfällen vom Land berichtet dieses Buch. Der Autor Gisbert Strotdrees, Historiker und Journalist, hat dafür Gerichtsakten, Dorfchroniken und Verhörprotokolle gewälzt. Alle Fälle im Buch haben zweierlei gemeinsam: Sie haben sich auf dem Land, in Dörfern oder Bauernschaften ereignet, und sie sind nicht erdacht, sondern haben sich tatsächlich zugetragen!...(Klappentext)


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    Zitat
    "Unter dem Strich gewähren die Aufzeichnungen des Gogerichtes zur Meest einen Blick auf den Tatort Dorf und lassen in Abgründe blicken:
    Abgründe menschlicher Existenz in karger Zeit."
    (S. 35)

    Von wegen, die wahrhaft grausigen Verbrechen fanden schon dazumal hauptsächlich in den Städten statt. Von wegen, auf der Alm, oder in diesem Fall auf dem Dorf, da gibt's koa Sünd!

    Dieses Buch enthält historischer Kriminalfälle aus Dörfern und hierbei handelt es sich keineswegs nur um Diebstahl von Weizen und Hühnern. Mord und Totschlag, Sexualverbrechen und schwerer Raub, kamen damals ebenso in kleinen Gemeinden und Dörfern vor und waren nicht weniger erschütternd als Kriminalfälle in den großen Städten.


    Die hier aufgeführten Kriminalfälle beginnen im Jahr 1225, gehen bis 1966 und beschränken sich auf Westfalen. Es beginnt mit der Ermordung des Kölner Erzbischofs am 7. November 1225, man erhält Einblick in Westfalens berühmtesten Mordfall 1783, welcher auch in dem Klassiker "Die Judenbuche" verarbeitet wird, man entdeckt 1922 eine Moorleiche und fandet im Jahr 1966 573 Tage nach Bruno Fabeyer, etc.


    In diesen Berichten werden Tat, Motiv, sowie das Strafverfahren beschrieben, wobei dies auf sehr plastische und detailierte Art und Weise geschieht. Man erhält einen kurzen Einblick in die Biographie der Beteiligten und Einsicht in Verhörprotokolle, Ermittlungsakten und Zeitungsberichten. Doch dieses Buch enthält nicht nur Kriminalfälle. Es wird einem einen Blick in den Oldenberger Sachsenspiegel, ein Rechtsbuch aus dem 13. Jahrhundert,gewährt, erfährt was es mit so manchen Steinkreuzen auf sich hat oder was an Moorleichen so faszinierend ist.


    Zitat
    "Wenn jemand etwas findet und er es leugnet, wenn man danach fragt, ist das Diebstahl. Was ein Mann findet oder Dieben oder Räubern abjagt, soll er seinen Dorfgenossen und in der Kirche bekanntmachen."
    (S. 15 - Auszug aus dem Oldenburger Sachsenspiegel)

    So manches ist auch äußerst amüsant zu lesen. So durfte man z.B. im Mittelalter auch für Beleidigungen belangt werden. Die Bezeichnungen "Hundsfott" oder "Lümmelschwanz" waren z.B. Beleidigungen schweren Kalibers und wenn man jemandem während eines Streits den blanken Hintern zeigte, war wirklich Schluß mit lustig.

    Aufgrund der Aufführung von Dorfchroniken erhält man zusätzlich Einblick in die jeweiligen Dorfgemeinschaften und deren Geschichte, blickt somit quasi hinter die Kulissen.

    Durch die chronologische Anordnung sieht und erkennt man gleichzeitig den Wandel der Zeit und die dadurch auftretenden Veränderungen innerhalb der Dorfgesellschaften und die Krisen, welche bestimmte Zeiten mit sich brachten. Es ist also nicht nur ein Buch über historischer Kriminalfälle, sondern es werden einem gleichzeitig die Geschichte selbst näher gebracht.


    Zitat
    "Rädern hieß:
    Der Verurteilte wurde auf den Boden gelegt, gestreckt und festgepflockt. Dann zerschlug ihm der Henker mit einem scharfkantigen Wagenrad die Gliederknochen.
    Der zermarterte Körper wurde dann auf ein anderes Rad gelegt. Die Gliedmaüen wurden dabei wie Flechtwerk durch die Speichen geschoben. Der Delinquent starb nach endlosen Qualen durch Verbluten oder Herzstillstand."
    (S. 12)

    Dies alles wird in einem flüssigen Schreib-, packenden Erzählstil und leicht verständlich an den Leser gebracht. Wie schon erwähnt werden Taten sehr detailliert beschrieben und diese sollten dann wohl von sensiblen Lesern besser überblättert werden.

    Zusätzlich enthält dieses Buch zahlreiche Abbildungen, wie z.B. von Zeitungsausschnitten, Gemälden, Fotographien, oder auch wie eine Tatortskizze aus dem Jahr 1607 aussah. Dies trägt zusätzlich zu einem besseren Verständnis bezüglich der damaligen Zeit bei.


    Zitat
    "Die Täter sollten den Bruder des Toten ein Schwert sowie zehn Schillinge geben, für die Versorgung der Kinder des Toten aufkommen sowie >>zum Seelenheil des Toten<< 30 Messen lesen lassen und zwei Wallfahrten unternehmen. Außerdem wurden sie verurteilt >>ein steinernes Kreuz zu setzen vor Albaxen<<, wo die Tat geschehen ist." (S. 30)

    Am Ende befindet sich noch ein ausführliches Quellen- und Literaturverzeichnis, falls man sein Wissen zu einem bestimmten Fall oder allgemein bezüglich Geschichte, vertiefen möchte.

    Fazit:

    Bezüglich Literatur zu historischen Kriminalfällen war dies mein absolutes Lesehighlight. Man erhält hier nicht nur Einblick in historische Kriminalfälle, sondern auch gleichzeitig in den Wandel der Zeit und somit in die Geschichte, egal ob bezüglich auf die Dorfgesellschaft, die Kriminalistik oder allgemein. Die zahlreichen Abbildungen konnten meine Begeisterung sogar noch toppen und somit war dies ein Sachbuch, welches ich, trotz der Thematik, regelrecht verschlungen habe. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:


    © Pink Anemone (mit vielen Bildern aus dem Buch, Autoren-Info und Link zum Buchprojekt)