Robert Musil - Drei Frauen

  • Autor: Robert Musil
    Titel: Drei Frauen
    Seiten: 160
    Verlag: Rororo
    ISBN: 9783499100642


    Der Autor (Klappentext):
    Den am 06. November 1880 in Klagenfurt geborenen Dichter Robert Musil, der am 15. April 1942 in der Schweizer Emigration starb, nannte die Londoner "Times" sieben Jahre nach seinem Tode "den bedeutendsten deutschsprachigen Romancier dieser Jahrhunderthälfte und zugleich unbekanntesten Schriftsteller dieses Zeitalters". Bis zur Wiederveröffentlichung seiner drei meisterlich, erstmals 1924 erschienenen Erzählungen, war Robert Musil in der Tat nur einem engen, literarisch interessierten Kreis als ein Joyce und Proust ebenbürtiger genialer Erzähler bekannt. Jahrzehntelang widmete sich Musil vor allem der Gigantenarbeit an seinem monumentalen Romanwerk "Der Mann ohne Eigenschaften", mit dem er sich als der deutsche Stilist und Moralist des 20. Jahrhunderts auswies, das aber bis zu seinem Tode in drei großen Teilen nur unvollendet der Öffentlichkeit bekannt wurde.


    Inhaltsangabe gemäss Klappentext:
    In diesen Erzählungen tastet Musil in das Dunkel jenes unfaßbaren Seins, das die Grenze unseres Menschtums umgibt und uns noch Dinge vermittelt, die schon außerhalb unseres Lebens zu sein scheinen. Drei Frauen: der Bäuerin, der portugiesischen Aristokratin und der Verkäuferin stehen drei Männern gegenüber, die durch sie ihre Tragik erleiden. Eine große Fremdheit liegt hier zwischen den Geschlechtern, und gerade in dieser Spannung zeigt sich Musils eigentliche Stärke, hineinzuwandern in die seelischen Labyrinthe und Hintergründe.


    Inhalt und eigene Meinung:
    Bereits 1924 erschienen folgende drei Novellen als "Drei Frauen"-Zyklus in einem Band:


    Grigia (20 Seiten, entstand 1921) - Homo verlässt Frau und Kind, um in einem fern gelegenen Gebirgsort im Bergbau zu arbeiten. Dort entfremdet er sich seinem bisherigen Leben, beginnt eine Liebschaft mit der Bäuerin Grigia und als deren Mann das Paar in einem alten Stollen ertappt, schliesst er die Beiden mit Hilfe eines grossen Felsblocks in der Höhle ein.
    Anhand idyllischer Naturbeschreibungen werden Homos seelische Vorgänge in die Landschaft projiziert. Mit vielen Symbolen und ziemlich bedeutungsschwanger bietet die Kurzgeschichte sehr viele Interpretationsansätze. Als Sekundärliteratur habe ich diesen Aufsatz gefunden, der mich mit den Musil'schen Neologismen Ratioïd/Nicht-Ratioïd aber eher noch mehr verwirrt hat: http://www.musilgesellschaft.at/texte/musilforum online/Christian Buhlmann - Die Deutung von Natur und Mensch in Robert Musils Grigia.pdf

    Die Portugiesin (18 Seiten, entstand 1923) - Die Erzählung ist vermutlich im Mittelalter angesiedelt und handelt vom Raubritter Herr von Ketten. Er heiratet eine schöne Portugiesin, um schöne Kinder zu zeugen, hat aber wenig Zeit für seine Familie, da er jahrelang gegen den Bischof von Trient Krieg führt. Nach dem Tod seines Erzfeindes erkrankt der Raubritter aufgrund eines Mückenstichs lebensbedrohlich, zudem taucht plötzlich ein Jugendfreund der Portugiesin auf. Als plötzlich eine kleine, räudige Katze auf dem Hof auftaucht mit der sich diverse Protagonisten identifizieren, rafft sich Herr von Ketten nochmals auf, besteigt eine eigentlich unüberwindliche Felswand und dank dieses Erfolgserlebnisses kehren auch seine Kräfte wieder zurück.
    Auch hier gibt es gefühlt tausend Interpretationsansätze: Die Protagonisten haben keine Namen, die geheimnisvolle Katze, die angedeutete Liebschaft der Portugiesin mit ihrem Landsmann, der Vorzug der Kriegsführung vor dem Familienleben, diverse Phrasen und Metaphern...


    Tonka (40 Seiten, entstand 1922) - Eine junge Verkäuferin gewinnt die Zuneigung eines jungen Wissenschaftlers. Auf seine Initiative hin wird sie als Pflegerin der Grossmutter angestellt, und nach deren Tod, wird Tonka seine Haushälterin. Der junge Wissenschaftler ist von der Naivität und Schweigsamkeit der Frau sowohl angezogen, es wirkt auf ihn aber auch befremdlich. Zudem fühlt er sich verpflichtet, mit Tonka eine Liebesbeziehung einzugehen. Nach einigen Jahren wird Tonka schwanger, allerdings bezweifelt er seine Vaterschaft und die Beziehung gerät in eine Krise. Der Mann ist hin- und hergerissen von der Liebe zu Tonka und seinem tiefen Unglauben seiner Vaterschaft. Durch sein Misstrauen und dem familiären Druck, der das Paar gerne getrennt sehen möchte, wird Tonka seelisch krank. Schliesslich stirbt Tonka kurz nach der Geburt, ebenso wie das Kind und die Frage nach der Treue bleibt offen.


    Fazit:
    Beim ersten, eher unkonzentrierten Lesen aller drei Novellen hatte ich mich etwas schwer getan, weil die Geschichten symbolisch stark aufgeladen und bedeutungsschwanger sind. Musils Texte sind nichts für nebenbei im Zug lesen; nicht mal seine Kurzgeschichten. Also habe ich mir Zeit genommen, das Nachwort von Adolf Frisé (Herausgeber von R. Musils literarischem Werk) gelesen, die im Anhang enthaltenen "Skizzen zu einer Autobiographie" und "Theoretisches zu dem Leben eines Dichters" studiert, und im Internet nach Interpretationsansätzen gesucht - und da gibt es eine erstaunliche Menge ! Ziemlich hilfreich fand ich beispielsweise diese Masterarbeit der Uni Gent, die das Thema "Untreue" in den Werken näher betrachtet: http://lib.ugent.be/fulltxt/RU…01786556_2012_0001_AC.pdf
    Dennoch: die Moral der Geschichten hat sich mir auch beim nochmaligen Lesen nicht erschlossen. Alle drei Geschichten fand ich ziemlich befremdlich und ich habe das Gefühl, dass ich sowohl die Gemeinsamkeit der drei Erzählungen, als auch die Novellen im Einzelnen nicht richtig verstanden habe. Aber für Fans von Robert Musil und Literaturwissenschaftler ist der "Drei Frauen"-Zyklus sicherlich interessant.

  • Alle drei Geschichten fand ich ziemlich befremdlich und ich habe das Gefühl, dass ich sowohl die Gemeinsamkeit der drei Erzählungen, als auch die Novellen im Einzelnen nicht richtig verstanden habe.


    Genau das war auch mein Eindruck nach dem Lesen. Ich hatte damals keine Rezension geschrieben, weil ich das Gefühl hatte, den tiefen Sinn nicht verstanden zu haben.
    Aber vielleicht machen wir uns zu viele Gedanken? Es könnte doch sein, dass sie überhaupt keinen tieferen Sinn haben und wir nur meinen, sie müssten ihn haben, weil "Musil" auf dem Cover steht und weil so viele Literaturwissenschaftler danach gesucht haben?
    Vielleicht wollte Musil nichts weiter als drei irgendwie merkwürdige Geschichten um drei merkwürdige Frauen und ihr merkwürdiges Umfeld schreiben?

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Vielleicht wollte Musil nichts weiter als drei irgendwie merkwürdige Geschichten um drei merkwürdige Frauen und ihr merkwürdiges Umfeld schreiben?


    Das mag sein. Dann fand ich aber trotzdem alle drei Kurzgeschichten enttäuschend. Erst daraufhin hatte ich mich überhaupt auf die Suche nach Erklärungen gemacht. Nach diesem Leseerlebnis werde ich das Projekt "Der Mann ohne Eigenschaften" erst einmal bis zur Rente aufschieben...

  • @Nungesser ,
    kein Buch habe ich bis heute so oft angefangen und wieder abgebrochen wie "Der Mann ohne Eigenschaften". Ich glaube nicht, dass ich es jemals wieder versuchen werde und habe Hochachtung vor jedem, der es geschafft hat zu lesen. :applause: - Ich warte ungeduldig auf deinen Renteneintritt. :lol:

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  • Zufällig habe ich gerade im Leserunden-Archiv entdeckt, dass dieses Buch im August 2007 von drei BTlern bereits besprochen wurde: Hier
    Vielleicht ein interessanter Link für diejenigen, die das Buch mal lesen wollen - wenn auch wenig ermutigend: Begeisterung sieht anders aus...