Sabrina Janesch - Tango für einen Hund

  • Ernesto Schmitt hat gerade sein Abitur geschafft und ist im Aufnahmeverfahren der Filmhochschule eine Runde weiter gekommen. Eigentlich sollte er also mit seinem Leben und sich selbst ganz zufrieden sein. Nur leider gibt es da ja auch noch die 200 Sozialstunden, zu denen er vom Jugendgericht verurteilt worden ist. Und das auch noch für eine Sache, die er gar nicht selbst verbrochen hat. Dadurch, dass er heldenhaft und fälschlicherweise die Schuld auf sich genommen hat, wollte er doch Frida aus seinem Jahrgang beeindrucken. Hat nur leider nicht funktioniert. Nun muss er also die Gartenarbeit im Altersheim erledigen, und sein Plan, in den Sommerferien nach Argentinien zu reisen um dort den zweiten Bewerbungsfilm für die Filmhochschule zu drehen, hat sich dadurch auch zerschlagen. Sein bester Freund besteigt gerade den Himalaja und andere Freunde hat Ernesto gar nicht. Seine Eltern reisen zu einem Romantikurlaub nach Marokko und so liegt ein ganzer Sommer in Semmenbüttel vor ihm – schlimmer könnte es gar nicht kommen.Und dann steht da plötzlich Onkel Alfonso vor der Tür, der aus Argentinien herübergeflogen ist um, wie er es ausdrückt, „das Universum in Ordnung zu bringen“. Auch einen Hund hat er dabei – einen doggengroßen uruguayischen Hirtenhund.


    Ernesto, der panische Angst vor Hunden hat, ist gar nicht begeistert und lässt sich nur widerwillig davon überzeugen, mit seinem Onkel und diesem Hund, der auf den wunderschönen Namen Astor Garcilaso de la Luz y Parra hört, quer durch die Heide nach Bad Diepenhövel zu fahren, damit Astor an einer Hundeschau teilnehmen kann. Dadurch verletzt er nämlich nicht nur seine Auflagen, sondern eigentlich darf er ohne seinen Vater auf dem Beifahrersitz auch gar nicht Auto fahren. Alfonso überzeugt ihn dennoch, und die beiden machen sich auf einen schrägen Roadtrip quer durch die Heide, immer auf der Flucht vor Ernestos Bewährungshelfer Herrn Kramer und, so glaubt Ernesto, wahrscheinlich auch der Polizei. Dabei ist die Lüneburger Heide gar nicht so leer, wie Ernesto und der Leser vielleicht geglaubt haben mögen: die beiden begegnen nämlich nicht nur dem obligatorischen Heide-Schäfer mit seiner Schafherde, sondern unter anderem außerdem Neoheiden, Lamas, Wölfen und einer fleischgewordenen Moorleiche.


    Ganz lässig erzählt Ernesto selbst die Geschichte und schnell wird klar, dass dieser Junge sich und anderen zwar gerne einredet, dass er alles unter Kontrolle hat und in seinem Leben Regisseur und Hauptdarsteller zugleich ist, doch dass er eigentlich ein ängstlicher Kontrollfreak ist, dem die Fäden immer wieder aus der Hand gleiten. Wie gut, dass er sich nun drei Tage lang durch die Pampa, ähh – die Heide, schlagen muss um so einen ganz neuen Blick aufs Leben zu gewinnen.


    Ernestos spät-pubertäre Weinerlichkeit auf den ersten Seiten muss man ertragen, und von dem stellenweise gesprochenen Platt darf man sich nicht abschrecken lassen. Sobald die Geschichte nämlich richtig Fahrt aufgenommen hat, belohnt Sabrina Janesch den Leser mit Szenen die einem Lachtränen in die Augen treiben, und Dialogen die nordisch kurz, knackig und zum Schreien komisch sind. Und ganz nebenbei söhnt Ernesto sich mit sich selbst und dem Leben ein wenig aus.

  • die Autorin:
    Sabrina Janesch studierte Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus in Hildesheim sowie Polonistik in Krakau. Sie ist u. a. Gewinnerin des O-Ton-Literaturwettbewerbes des NDR, Stipendiatin des Schriftstellerhauses Stuttgart und des LCB. Als erste Stadtschreiberin von Danzig erntete sie viel Medienaufmerksamkeit. Für „Katzenberge“ wurde sie mit dem Mara-Cassens-Preis für das beste Romandebüt des Jahres, dem Nicolas-Born-Förderpreis und dem Anna-Seghers-Preis ausgezeichnet. 2011 war sie Stipendiatin im Ledig House/New York.


    Klappentext:
    Ab in die Pampa? Nicht ohne Leuchtraketen, Pistolen und Hundefutter.Unschuldig des Feuerlegens bezichtigt, von Freunden und Familie im Stich gelassen: Eigentlich will Ernesto Schmitt nur seine Sozialarbeit ableisten und dann bloß weg hier. Nichts hasst er so sehr wie das platte Land. Doch dann steht Besuch vor der Tür: Onkel Alfonso aus Argentinien, und mit ihm Astor Garcilaso de la Luz y Parra, ein furchteinflößender Rassehund mit einem Herz aus Karamell. Und bei der Mission, ihn auf die Hundeausstellung nach Bad Diepenhövel zu schaffen, kann nur einer helfen: Ernesto. Gemeinsam begeben sich die drei auf eine Odyssee durch ein wildes Stück Deutschland. Aus Fremden werden Freunde, aus Schafshirten wackere Gauchos und aus der Heide die große, weite Prärie.Ein 17-Jähriger und sein exzentrischer Onkel sind auf der Flucht durch die Lüneburger Heide - vor den Bullen, der Vergangenheit, vor sich selbst. Ein rasantes Roadmovie mit Riesenköter.


    meine Meinung:
    Ich hatte ein spannendes und humorvolles Road-Movie quer durch die wunderschöne Lüneburger Heide erwartet. Bekommen habe ich allerdings ein aus der Sicht des 17-jährigen Ernesto erzähltes wirres, teilweise zusammenhangloses und übertriebenes … ja, was auch immer …! Die im Buch erwähnten Handlungsorte sind alle frei erfunden und die Lüneburger Heide wird als ödes, menschenleeres Ende der Welt beschrieben. Wer dort schon einmal war, weiß, dass genau das Gegenteil der Fall ist! :|
    Ernesto kommt einem wie ein etwas neben der Spur laufender 13-jähriger vor, dabei wird mehrmals darauf hingewiesen, dass er bereits 17 Jahre alt ist und gerade sein Abitur gemacht hat.
    So stolpern er und der Verwandte aus Argentinien von einem Vorfall zum nächsten: da wird das Auto mal eben in den Straßengraben gefahren, sie übernachten im strömenden Regen mitten im Nichts, Tanken ohne zu bezahlen (hier wird allerdings schnell ein kleiner Junge mit dem Geld hinterher geschickt und die Polizei fährt wieder weg - jawohl!), Ernesto fährt ohne Übungsstunde perfekt Motorrad, sie treffen im Wald auf eine Gruppe durchgeknallter Typen, … :scratch: Weniger wäre hier auf jeden Fall mehr gewesen.
    Die Geschichte hat mich des Öfteren an „Tschick“ von Wolfgang Herrndorf erinnert: vorübergehend elternloser Junge, leicht eigenartiger Begleiter, etwas schräge Reise quer durchs Land, kuriose Begegnungen, … Allerdings kann das hier vorliegende Buch mit „Tschick“ leider nicht mithalten.
    Als einzige Stelle so richtig gefallen hat mir die von Ernesto beobachtete nächtliche Begegnung des Hundes mit einem Wolf.


    Bewertung:
    Eine unausgegorene und leicht wirre Geschichte. Die Autorin hat versucht, zu viele Klischees und zu viel Handlung hier unterzubringen. Das ist aus meiner Sicht leider schief gegangen. :(
    Mehr als :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb: Sterne kann ich nicht vergeben, wobei der der halbe Stern an den doch recht sympathischen Uruguayischen Hirtenhund geht.

    Liebe Grüße von Pippilotta :-) :winken:


    Fernsehen bildet. Immer wenn der Fernseher an ist, gehe ich in ein anderes Zimmer und lese.
    Groucho Marx

    Ich :study: gerade:
    Barry Jonsberg - Das Blubbern von Glück
    Bill Bryson - Eine kurze Geschichte von fast allem