Thomas Veszelits - Die Neckermanns

  • Worum es geht

    In seinem sorgfältig recherchierten Buch erzählt Thomas Veszelits die Lebensgeschichte des legendären Kaufhausgründers und erfolgreichen Olympiadressurreiters Josef Neckermann. Dessen Vorfahren stammten - wie schon der Name vermuten lässt - aus dem Neckargebiet, wo sie als Flößer seit 1508 in der Zunftgilde eingetragen waren. Weil immer nur der älteste Sohn das Gewerbe übernehmen konnte, siedelten sich einige der jüngeren Familienmitglieder um Würzburg an, wo sie jahrhundertelang vom Metzgerhandwerk lebten. Erst Josef Neckermanns Vater etablierte sich als erfolgreicher Kohlenhändler, dem 1912 der Sohn und Erbe Josef Karl geboren wurde.

    Der schlechte Schüler und hervorragende Reiter, der schon mit 16 Jahren den Vater verlor, interessierte sich nicht sonderlich für den Familienbetrieb. Er absolvierte eine Banklehre, sammelte Erfahrungen im Ausland und heiratete bereits mit 22 Jahren Annemarie Brückner, die Tochter eines der ersten Autohändler von Würzburg. Im Zuge der "Arisierung" übernahm Josef Neckermann in den 1930er Jahren die Kaufhäuser Ruschkewitz und Joel. Durch seine guten Kontakte zur Parteispitze galt er im Krieg als wichtigster Bekleidungslieferant, war somit "uk" (unabkömmlich) und musste nicht einrücken.

    Nach dem Krieg wurde Josef Neckermann wegen seiner NSDAP-Mitgliedschaft zu einem Jahr Arbeitslager verurteilt, das er wegen einer ernsten Erkrankung der Bauchspeicheldrüse nur knapp überlebte.

    Trotz der Wiedergutmachungsprozesse begann ab 1950 Neckermanns kometenhafter Aufstieg zum Kaufhaus- und Versandfürsten. Dennoch stand das Imperium kurz nach dem 25-jährigen Firmenjubiläum vor dem Konkurs, der nur durch die Übernahme von Karstadt abgewendet werden konnte.

    Obwohl der Kettenraucher, Workoholic und Spitzensportler seit seiner Jugend Raubbau an seiner Gesundheit betrieben hatte, erreichte er ein Alter von fast 80 Jahren und starb im Jänner 1992.


    Wie es mir gefallen hat

    Wer kennt nicht wenigstens den Namen Neckermann, und so hat mich auch der Mensch hinter dieser Erfolgsgeschichte interessiert. Um Objektivität bemüht, beschreibt der Autor den Weg des geborenen Kaufmanns und talentierten Dressurreiters Josef Neckermann, für den Disziplin, das Streben nach Perfektion und hohe Leistungsbereitschaft ein Leben lang zentrale Tugenden darstellten.

    Mit seinen Billigangeboten hat Neckermann vor allem nach dem Krieg die Massen mobilisiert, aber auch später noch Trends gesetzt. Gerade nach den Jahren der Entbehrung rannte er mit seinem Versprechen "Neckermann macht's möglich" offene Türen ein. Umso verwunderlicher fand ich es daher, dass das Unternehmen immer mit einer relativ dünnen Kapitaldecke arbeiten musste und viel weniger Gewinn abwarf, als man eigentlich vermutet hätte. Vielleicht war der Konzern in zu viele Teilbereiche zersplittert, vielleicht hatte der Spitzensportler Neckermann Managementfehler übersehen, die für den schleichenden Prozess des Untergangs verantwortlich waren.

    Als Glückspilz kann man Josef Neckermann, der sowohl im bombardierten Hamburg als auch im Arbeitslager überlebte, auf jeden Fall bezeichnen. Sympathisch wurde mir der leistungsorientierte Kaufhauschef, der zweifellos sowohl im Beruf als auch im Sport Großartiges leistete, dennoch nicht. Und so sei an dieser Stelle seines Pferdes Douglas gedacht, das ihm zu allen Tages- und Nachtzeiten zur Verfügung stehen musste. Wie ein gestresster Mensch entwickelte es Magengeschwüre und starb schließlich an einem Magendurchbruch.

    Sehr berührt hat mich auch die Tatsache, dass Karl Amson Joel (der Großvater des Musikers Billy Joel), der sich sein Geschäft ohne Erbteil aus eigener Kraft aufgebaut hatte, in der Schweiz vergeblich auf den Erlös aus der Zwangsversteigerung wartete.

    Die Frage, ob Josef Neckermann ohne die Übernahme der jüdischen Geschäfte, ohne Krieg und ohne das Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit als Kaufmann dieselbe steile Karriere hingelegt hätte, muss unbeantwortet bleiben.

    Mir hat sehr gut gefallen, wie der Autor die ihm zur Verfügung stehenden Informationen in einen sehr gut lesbaren Text verpackt hat, der trotz der vielen Fakten und Daten äußerst interessant und teilweise sogar richtig spannend zu lesen war.