Christopher Hitchens, Endlich. Mein Sterben/Mortality

  • Er war ein kritischer, aufrechter und engagierter Journalist, mutig und unbestechlich. Genauso unbestechlich zeigte er sich 2009 in seinem Buch „Der Herr ist kein Hirte. Wie Religion die Welt vergiftet“, in dem er klar machte, warum für ihn nur der Atheismus als Weltanschauung in Frage kommt. Immer im Zusammenhang mit der radikalen und wenig reflektierten Religionskritik von Richard Dawkins erwähnt, erfuhr er dafür auch viel Kritik.


    Nun hat Christopher Hitchens sein Sterben beschrieben. Ein Sterben ohne Gott und ohne Hoffnung auf Transzendenz oder ein irgendwie vorgestelltes Weiterleben nach dem Tod. Dabei zählt er durchaus viele gläubige Menschen aus unterschiedlichen Religionen zu seinen vielen Freunden, mit denen er auch nach Ausbruch seines Speisenröhrenkrebses spricht.


    Er denkt in seinem langsamen Sterben mit zunehmend nachlassender Kraft schreibend nach über heilige Schriften und was die über den Tod sagen, über ihm wichtig gewordene Bücher aus der Literaturgeschichte und über Liedtexte. So zitiert er – durchaus beeindruckt - eine Textzeile aus einen Song von Leonard Cohen, ohne näher auf ihn eingehen:


    „If it be your will,
    That I speak no more,
    And my voice be still
    As it was before …“


    Hitchens Nachdenken über seinen Tod und sein langsames Sterben erinnert an etliche Berichte anderer Menschen, die in den vergangenen Jahren veröffentlicht wurden, in denen dieses ihr Sterben und ihre Gedanken dabei beschrieben haben. Ich denke dabei besonders an das Buch des Pädagogen Wolfgang Bergmann „Sterben lernen“, das 2011 erschienen ist.


    Dort schreibt er insgesamt 23 kurze Texte, die sich alle mit dem Sterben auseinandersetzen: "Ich schreibe. Der Tod ist das Nichts, die reine Negation, es ist lächerlich, in ihm nach Sinn zu suchen."
    Und er spürt: indem er den Tod so heftig ablehnt, empfängt er die größtmögliche Ermutigung. Obwohl es keine Antworten gibt, auch keine ihn wirklich überzeugenden spirituellen, fragt er weiter, ringt um Worte, die ausdrücken können, was er fühlt und was doch sich dem sprachlichen Verstehen immer wieder entzieht.


    Es sind ehrliche, stellenweise harte Worte der Introspektion, die er notiert, Worte die sich dem schnellen Trost entziehen wollen: "Keine Begütigung, keine Beschwichtigung, kein verschwiemelter Trost, das macht alles nur noch dumpfer und leerer." Und in diesem Erkennen des Todes als Erlöschen der Zeit, als Gleichmacher, als dem Gegenprinzip der Liebe, erinnert er sich an Jesu zitternde Knie am Leichnam von Lazarus und an seine Todesangst in der Nacht von Gethsemane.


    In dichter Sprache nähert er sich immer mehr seinem Ende, wehrt sich und wird doch mit jedem Eintrag mehr auf eine bewegende und auch dem Leser Trost vermittelnde Weise mit ihm eins. Mechthild von Magdeburg, die "von Liebesgewissheit durchströmten Sätze des Johannes" und der Apostel Paulus sind ihm dabei späte Lehrer, an die er sich erinnert und er fragt sich erstaunt:
    "Was ist das für eine Wahrheit, die ich nur zaghaft am Zipfel zu fassen bekomme? Sie ist immer noch da, wie eine unerschütterliche Realität. Ich begreife sie nicht, So wenig wie das Sterben.
    Aber sie trägt. Gott trägt sie? Aber wohin?"


    Der Tod ist eine Grenze, die alles aufhebt, was vorher wichtig schien. Connie Palmen hat in ihren beiden Büchern „I.M.“ und „Logbuch eines unbarmherzigen Jahres“ beschrieben, wie sich das Sterben und der Tod eines geliebten Menschen für den anfühlt, der bleibt und den anderen gehen lassen muss.


    Ich bin sicher, wir werden in der nächsten Zeit noch mehr Bücher zu diesen Themen sehen, denn mit dem Verlust der auch für gläubige Menschen nicht mehr nachvollziehbaren Jenseitshoffnung tut sich eine Sinnlücke auf, die geschlossen werden muss.

  • Für mich war Hitch ein besonderer Mensch, weil ich in seinen (und Dawkin's) Büchern das erste Mal Worte stehen sah (nur besser ausformuliert), die genau meine Einstellung zur Religion ausdrücken (meine Familie ist jedoch katholisch, teilweise sogar stark gläubig, so dass es zu einigen Konflikten kam). Mir haben die beiden, Hitch aber im Besonderen, den Mut gegeben, Nein zur Religion zu sagen. So habe ich mir über die Jahre dann auch immer wieder Debatten mit Hitch (oft auch mit Stephen Fry) angesehen und egal um was es ging, egal ob ich der gleichen Meinung war - alleine vor der Rhetorik Hitchens' und seinem unbeugsamem Willen musste man den Hut ziehen. Ich habe während seiner Sterbezeit leider auch jede Menge Reaktionen Gläubiger von wegen "Ich hoffe du brennst in der Hölle" oder "Na? Willst du nun nicht doch konvertieren?!" mitbekommen und konnte darüber nur traurig den Kopf schütteln. Allerdings war Hitch zum Glück auch hier unbeugsam und blieb sich selbst treu. Er reflektierte in diesem Buch ehrlich, wie es wohl jeder tun würde/wird/getan hat, der so viel Zeit hat/hatte/haben wird um über den eigenen Tod nachzudenken. Dennoch hat er sich nicht einschüchtern lassen.
    Trotzdem es "nur" 128 Seiten sind, hab ich auf fast jeder Rotz und Wasser geheult. Es war wirklich sehr ergreifend (da ich das Buch ja nach seinem Tod las) und ein würdiger Abschluss einer großartigen Karriere eines bemerkenswerten Mannes (der selbstverständlich nicht ohne Fehl und Tadel war).